Die Erfindung von Führung - AOC
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DIE PERSPEKTIVE «HOLOGRAPHISCHE EINHEIT» 119<br />
Störungen freizuhalten. Wichtig ist, die Dinge im Griff zu haben und<br />
auftretende Probleme möglichst schnell aus dem Weg zu schaffen.<br />
<strong>Führung</strong> in diesem Sinne ist gewissermassen das notwendige Schmiermittel,<br />
das Öl im Getriebe der gros sen Maschine, die sich im übrigen<br />
selbst steuert. Ein aus der Sicht der Mitarbeiter guter Chef sichert -<br />
immer im Rahmen der praktisch unverrückbaren Vorgaben - laufend die<br />
Freiräume seiner Mitarbeiter und lässt sie im übrigen machen, d.h. er<br />
stört sie vor allem nicht bei ihrer Arbeit an der Front. <strong>Die</strong> Mitarbeiter<br />
sollen sich in ihrem Bereich auf die «Sache» konzentrieren und gleichzeitig<br />
ein individuelles Profil gewinnen können. Um als Vorgesetzter<br />
akzeptiert zu werden, muss man «besser» sein, etwas vormachen können,<br />
besser informiert sein und ein individuelles Profil haben. Auch die<br />
<strong>Führung</strong>sfunktion ist damit deutlich vom Einzelkämpferturn geprägt, das<br />
im Zusammenhang mit dem individuellen Profil generell einen wichtigen<br />
positiven Wert darstellt. <strong>Die</strong>ses Verständnis <strong>von</strong> <strong>Führung</strong> bildet einen<br />
gewissen Kontrast zur Auffassung, dass ein Chef für Orientierung und<br />
eine gemeinsame Linie zuständig sei. Ein Vorgesetzter, der sich um die<br />
gemeinsame Entwicklung verbindlicher, eigenständiger Ziele bemüht,<br />
läuft in diesem Konzern sogar Gefahr, am Einzelkämpferturn seiner<br />
Mitarbeiter, aber auch an seinem eigenen individualistischen <strong>Führung</strong>sanspruch<br />
zu scheitern.<br />
<strong>Die</strong> widersprüchliche Kombination <strong>von</strong> Anonymem mit Persönlichem,<br />
also <strong>von</strong> stark kollektiven Aspekten (die durch das rnaschinenhafte<br />
Zusammenspiel erforderlich sind) mit einem ausgeprägten Individualismus<br />
scheint ein zentrales Merkmal dieser Kultur. <strong>Die</strong>s zeigt sich<br />
auch im Umgang mit Regeln bzw. Regelverstössen. Weisungen der Zentrale,<br />
die keinen Bezug zu Erfolgsgrössen wie Umsatz, Kosten etc. haben,<br />
werden z.T. einfach ignoriert. Gleichzeitig gibt es einen hohen Anteil<br />
an pragmatischen Individualisten, die laufend Dinge tun, die dem engen<br />
Regelsystem nicht entsprechen. Solche Eigenständigkeit, die die<br />
Regeln missachtet, ist zwar risikoreich, denn bei Misserfolg drohen starke<br />
Sanktionen. Im Erfolgsfall wird eine Übertretung aber nicht einfach<br />
toleriert, sondern im Sinne <strong>von</strong> Zivilcourage sogar noch zusätzlich<br />
positiv gewertet. <strong>Die</strong>s enthält natürlich auch den Anreiz, ein individuelles<br />
Profil zu gewinnen. Gerade darin dürfte die Ursache liegen, dass<br />
sich der Konzern trotz aller Rigiditäten bisher dennoch als sehr entwicklungsfähig<br />
erwiesen hat.