Die Erfindung von Führung - AOC
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56 DIE EIGENE FÜHRUNGSWELT ERKUNDEN<br />
einzelnen Mitglieder der Ausbildungsabteilung an die Gemeinschaft höhere<br />
Ansprüche stellten, als sie selbst mitzutragen bereit waren. <strong>Die</strong>se<br />
Feststellung wurde mit dem Spannungsfeld zwischen «offizieller» Wertorientierung<br />
und pragmatisch notwendiger Kundenorientierung in Zusammenhang<br />
gebracht. Auch im Konflikt zwischen Einzelkämpfertum<br />
und Gemeinsamkeit erschien dann und wann der (Selbst- )Vorwurf der<br />
Bigotterie. Zwar führen die Spannungsfelder bzw. Dilemmata, <strong>von</strong> denen<br />
die Abteilungskultur geprägt ist, unvermeidlich zu teilweise widersprüchlichen<br />
Verhaltensweisen - die ihrerseits dann gerade diese Dilemmata<br />
aufrechterhalten. Es ist aber charakteristisch für die Mitglieder der<br />
Ausbildungsabteilung, dass sie solche Inkonsistenzen selbstkritisch<br />
thematisieren. Für ihr sehr ausgeprägtes Professionalitätsverständnis ist<br />
eine solche Widersprüchlichkeit schwer zu tolerieren, und <strong>von</strong> daher ist<br />
auch der moralische Unterton im Bigotterievorwurf verständlich.<br />
Allerdings handelt es sich in diesem Zusammenhang nicht nur um<br />
Selbstkritik. Inkonsistenzen werden auch <strong>von</strong> den «Geführten» innerhalb<br />
der Abteilung wahrgenommen. Beispielsweise dreht sich ein wesentlicher<br />
Teil des Gruppengesprächs mit den Sekretärinnen darum, dass sich<br />
ihre Vorgesetzten ihnen gegenüber zum Teil ganz anders verhalten, als<br />
sie es als Ausbildner ihren Teilnehmern vermitteln:<br />
«Da wird in den Seminaren viel gepredigt, und was dann im eigenen<br />
Sektor umgesetzt wird, das ist sehr wenig. Da machen sie<br />
Führ ung sseminare, da liest man die Ziele und denkt, was ein<br />
Vorgesetzter alles künnen soll. Das wäre super! Was dann effektiv da<br />
ist ... und das sind dann Leute, die das weitergeben, das finde ich das<br />
Problem. Also wenn es sonst in einer Firma wäre, konnte ich denken,<br />
ja nu, die haben keine Ahnung <strong>von</strong> <strong>Führung</strong>, Aber nachdem das Leute<br />
sind, die das noch weitergeben, das finde ich das extrem.»<br />
Ähnliche Meinungen finden sich auch bei den Projektleitern, wie<br />
beispielsweise die folgende Aussage zum Thema partizipative <strong>Führung</strong>:<br />
«Wenn dann an internen Seminaren Dinge herauskommen, die nicht<br />
absehbar sind, dann ist das ganz schrecklich. Also so kommt es mir<br />
vor. Ich meine damit, dass eigentlich ein autoritärer <strong>Führung</strong>sstil<br />
herrscht unter dem Deckmantelehen <strong>von</strong> Partizipation. Dann denke<br />
ich, wenn die Vorgesetzten Angst haben vor einem Prozess, der dann<br />
ablaufen konnte, dann sind sie nicht wirklich partizipativ, Steht doch<br />
dazu, dass ihr der Patron sein wollt, der sagt, wo's lang geht. Aber<br />
lasst uns endlich in Ruhe und fordert uns doch nicht zum Mitreden