DIE KAUFMÃNNISCHE SCHULE - vLw Stiftung NRW eV
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BERICHTE<br />
klar strukturierten Allgemeinbildung ist berufliche Bildung durch<br />
diverse Träger, Akteure, Programme, Lern- und Zertifizierungsformen<br />
sowie Abschlüsse gekennzeichnet. Dies erschwert den internationalen<br />
Vergleich erheblich. Allerdings ist aufgrund der Vielfalt auch eine<br />
Chance gegeben, durch eine große Anzahl von Best-Practice-Beispielen<br />
Anregungen für Optimierungsprozesse zu erhalten. In diesem<br />
Zusammenhang wurde auch ein Blick auf die Frage der Gleichwertigkeit<br />
von allgemeiner und beruflicher Bildung in den unterschiedlichen<br />
Systemen gelenkt: In vielen Ländern wird berufliche Bildung<br />
klar als zweitrangig oder gar als minderwertig angesehen. Im Zusammenhang<br />
damit stehen unterschiedliche Perspektiven von Eltern,<br />
Schülern, Arbeitgebern, Lehrern in beruflichen Einrichtungen sowie<br />
arbeitsmarktpolitische Gegebenheiten. Es gibt Länder, in denen der<br />
Fachkräftebedarf gering ist oder über akademische Bildungsgänge<br />
gestillt wird. Daneben gibt es auch Länder z. B. im angelsächsischen<br />
Bereich, in denen einerseits ein Mangel an Fachkräften auf der mittleren<br />
Qualifkationsebene vorherrscht und auf der anderen Seite ein<br />
Trend zu akademischer Ausbildung beklagt wird. Andere Länder, wie<br />
z. B. die deutschsprachigen, rühmen sich zwar einerseits einer breiten<br />
und gut ausgebildeten Facharbeiterschaft, kritisieren aber auch seit<br />
Jahrzehnten die mangelnde Durchlässigkeit des Bildungssystems für<br />
beruflich Qualifizierte.<br />
Prof. Pilz wies auch darauf hin, dass die beeindruckende Anzahl der<br />
Vorträge hat deutlich werden lassen, welche weiteren unterschiedlichen<br />
Facetten und Probleme in den unterschiedlichen VET-Systemen<br />
der Länder vorherrschen. Die Ursache hierfür liegt einerseits in<br />
den z. T. gänzlich unterschiedlichen Berufsbildungstraditionen, die<br />
z. B. eher vollzeitschulisch oder arbeitsplatzorientiert ausgerichtet<br />
sind. Andererseits erfüllen VET-Angebote in verschiedenen Ländern<br />
höchst unterschiedliche Aufgaben wie beispielsweise berufliche<br />
Grundbildung oder Berufsorientierung, oder aber auch eine breite<br />
berufliche Erstausbildung bis hin zu Spezialistenausbildungen in der<br />
Praxis. Auch sind die Zielgruppen unterschiedlich. In einigen Ländern<br />
werden benachteiligte Jugendliche besonders berücksichtigt,<br />
während andernorts die Jugend in ländlichen Regionen angesprochen<br />
wird und wiederum in anderen Ländern explizit der Fokus auf<br />
die hoch qualifizierten Abgänger von Gymnasien gelegt wird. Interessant<br />
waren auch die unterschiedlichen Modelle von dualer Ausbildung<br />
und der Übergang ins Berufsleben über universitäre Ausbildung.<br />
Ein letzter hier angesprochener Aspekt, der auch zum Schluss der<br />
Tagung thematisiert wurde, bezog sich auf die sehr unterschiedlichen<br />
nationalen Kompetenzbeschreibungsmodelle, die für die gegenwärtige<br />
Diskussion hinsichtlich der Entwicklung von nationalen Qualifikationsrahmen<br />
relevant sind. Hierbei zeigt sich sehr deutlich, dass<br />
beispielsweise die Zuordnung der beruflichen Bildungsgänge in die<br />
einzelnen Niveaustufen besondere Schwierigkeiten bereitet. Positiv<br />
gewendet sah Prof. Pilz in diesem Zusammenhang allerdings auch<br />
die Möglichkeit des „reflektierten Lernens“ voneinander, in dem die<br />
Notwendigkeit des genauen Studiums der jeweils anderen Berufsbildungssysteme<br />
offenbart werde, um voreilige und unreflektierte<br />
Erfahrungsübertragungen zu vermeiden.<br />
3. Schlussgedanke<br />
Die Tagung hat in ihren vielfältigen Informationszugängen sehr interessante<br />
Aspekte von internationaler beruflicher Bildung und Ausbildung<br />
vermittelt, die ein besseres und tieferes Verständnis für andere<br />
Bildungssysteme ermöglichen. Aus wissenschaftlicher Perspektive<br />
wurde deutlich, dass die international vergleichende Berufsbildungsforschung<br />
dann besonders erfolgreich sein kann, wenn sowohl intensive<br />
Länderstudien als auch komparative Ansätze zwischen Ländern<br />
vorgenommen werden. Dies bedeutet auch, dass der eine Ansatz<br />
langfristig nicht ohne den anderen auskommen kann, sollen Erkenntnis-<br />
und Verstehensprozesse eingeleitet werden. Ein solches Verstehen<br />
ist auch unabdingbar für eine fundierte Politikberatung und<br />
Gestaltung von VET. Im Sinne von G.R.E.A.T. schärft das Wissen um<br />
die ausländischen Gegebenheiten den Blick für die eigene Situation<br />
und verhindert durch das „Lernen aus den Fehlern der anderen“<br />
gegebenenfalls die Wiederholung von Fehlentwicklungen. Insofern<br />
konnte der Blick über den Tellerrand auch für einen praktischen Wirtschaftspädagogen<br />
zu neuen Erkenntnissen führen.<br />
Literatur<br />
Hambusch, R. (2010): Wirtschaft und Erziehung sprach mit Herrn Prof.<br />
Dr. Matthias Pilz, Universität zu Köln. In: Wirtschaft und Erziehung 3,<br />
S. 73–74.<br />
Hans-Henning Jasper <br />
Alle Daten auch im Internet<br />
unter<br />
www.vlw-nrw.de<br />
<strong>DIE</strong> KAUFMÄNNISCHE <strong>SCHULE</strong> 12/10