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Zeitschrift Militärgeschichte [Heft 03/2006]

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No dead bodies!<br />

tung und die geringen Möglichkeiten,<br />

die Aufnahmen zu verbreiten, engten<br />

den Kreis der Kriegsfotografen ohnehin<br />

stark ein.<br />

Auf eigene Rechnung begleitete der<br />

Flensburger Fotograf Friedrich Brandt<br />

(1823–1891) als einer von vier »Lichtbildnern«<br />

das preußisch-österreichische<br />

Expeditionskorps auf die Schlachtfelder<br />

nach Schleswig. Ganz in Fentons<br />

Stil lieferte er Aufnahmen der Düppeler<br />

Schanzen nach ihrer Erstürmung<br />

oder Fotos der von den Dänen geräumten<br />

Festung Fredericia, dazu inszenierte<br />

Gruppenaufnahmen siegreicher<br />

Kämpfer. Doch nirgendwo finden sich<br />

auf den Aufnahmen Hinweise auf die<br />

7500 Toten des Deutsch-Dänischen<br />

Krieges von 1864.<br />

Dagegen war der Deutsch-Französische<br />

Krieg 1870/71 für die Entwicklung<br />

der Kriegsberichterstattung von<br />

großer Bedeutung. Otto von Bismarck<br />

versorgte über eine eigene Pressestelle<br />

die regierungsfreundlichen Zeitungen<br />

in Norddeutschland regelmäßig mit<br />

Kriegsnachrichten. Auf besondere Einladung<br />

Preußens begleitete wiederum<br />

Russell die deutschen Armeen auf ihrem<br />

Vormarsch nach Paris. Frankreich<br />

hatte den Einsatz von ausländischen<br />

Kriegskorrespondenten anfangs abgelehnt,<br />

während Bismarck die Anwesenheit<br />

von britischen Kriegsberichterstattern<br />

im eigenen Lager sehr begrüßte.<br />

Mit Blick auf die öffentliche Meinung<br />

in Großbritannien und in den Vereinigten<br />

Staaten konnte es nach Ansicht<br />

des damaligen Kanzlers des Norddeutschen<br />

Bundes für Preußen nur von Vorteil<br />

sein, wenn ihre beiden einflussreichsten<br />

Zeitungen über die Erfolge<br />

seiner Armeen berichteten. Genau dies<br />

befürchtete aber die britische Regierung.<br />

Zu strikter Neutralität entschlossen,<br />

wollte sie nach der französischen<br />

Weigerung zunächst überhaupt keine<br />

Korrespondenten ausreisen lassen. Erst<br />

die Intervention Delanes, des einflussreichen<br />

Chefredakteurs der Times, beseitigte<br />

dieses Hindernis.<br />

Doch nicht Russell avancierte diesmal<br />

zum Medienstar, sondern sein<br />

Konkurrent Archibald Forbes (1838 bis<br />

1900) von den Daily News. Der ehemalige<br />

Offizier der Royal Dragoons nutzte<br />

konsequent die technischen Möglichkeiten<br />

und konnte daher seine Berichte<br />

schneller als sein journalistisches Vorbild<br />

Russell in London präsentieren.<br />

akg-images/ George N. Barnard<br />

Der Amerikanische Bürgerkrieg traf die Zivilbevölkerung des Südens besonders<br />

hart; hier eine Aufnahme vom Capitol Hill auf die zerstörte Stadt Columbia in<br />

South Carolina im Jahr 1865, fotografiert von George N. Barnard.<br />

Während der Belagerung von Paris hatte<br />

Forbes mit der preußischen Armeeführung<br />

vereinbart, dass er seine Nachrichten<br />

an jeder beliebigen preußischen<br />

Poststation in der Umgebung der Stadt<br />

aufgeben könne, so dass sie ein Postzug<br />

noch am selben Tage nach Saarbrücken<br />

bringen konnte, wo ein sorgfältig instruierter<br />

Telegrafist für die sofortige<br />

Weiterleitung von Forbes´ Nachrichten<br />

nach London sorgte. So hatte der findige<br />

Brite sichergestellt, dass seine Nachrichten<br />

innerhalb von nur 24 Stunden<br />

in London eintrafen.<br />

Der bereits kriegserfahrene Amerikaner<br />

George W. Smalley (1833–1916)<br />

von der New York Tribune organisierte<br />

während des Krieges sogar die erste internationale<br />

Presseagentur. Die angeschlossenen<br />

Korrespondenten durften<br />

auch die Informationen anderer Kollegen<br />

benutzen, sofern sie selbst ihre Berichte<br />

dem Nachrichtenpool zur Verfügung<br />

stellten. Sämtliche Nachrichten<br />

wurden zunächst auf schnell stem<br />

Wege nach London telegrafiert, wo<br />

ein Redaktionsteam die verschiedenen<br />

Quellen zu vollständigen Beiträgen<br />

zusammensetzte. So erreichte die Meldung<br />

von der Schlacht von Grave lotte<br />

(18. August 1870) bereits zwei Tage<br />

später New York. Das Telegramm via<br />

Überseekabel hatte immerhin 5000 US-<br />

Dollar gekostet. Die Berichterstattung<br />

verlor jedoch an literarischer Qualität,<br />

wurde direkter und beschränkte sich<br />

zusehends auf das noch heute aktuelle<br />

Grundmuster des Wer – Wie – Wo<br />

– Wann – Warum.<br />

Auch die Zeitungen in Deutschland<br />

hatten Korrespondenten nach<br />

Frankreich entsandt. Für die Berliner<br />

National-Zeitung waren bis zu zehn<br />

Berichterstatter tätig und für die Kölnische<br />

Zeitung arbeitete der Schriftsteller<br />

Hans Wachenhusen (1827–1898),<br />

der sich schon 1854 als Kriegskorrespondent<br />

im Gefolge der osmanischen<br />

Armee an der Donau befunden hatte.<br />

Wie Russell hatte Wachenhusen seither<br />

über alle militärischen Konflikte in Europa<br />

berichtet und 1860 sogar den italienischen<br />

Freiheitshelden Giuseppe Garibaldi<br />

(1807–1882) in Sizilien begleitet.<br />

Vier Jahre später, am 18. April 1864,<br />

beobachtete er mit einem Fernglas von<br />

einem Sicherungsturm aus den preußischen<br />

Sturm auf die Düppeler Schanzen.<br />

Auch der Publizist und Schriftsteller<br />

Gustav Freytag (1816–1895) reiste<br />

für seinen Grenzboten 1870 nach Frankreich<br />

und durfte sich dem Hauptquartier<br />

des preußischen Kronprinzen anschließen.<br />

Typisch für die damalige<br />

Berichterstattung war das freie und<br />

daher auch gefährliche Herumstreifen<br />

von Reportern im Kriegsgebiet. Korrespondenten<br />

wurden von der Gegenseite<br />

oft als Agenten angesehen und gefangen<br />

genommen. Das prominenteste<br />

Opfer war wohl der Schriftsteller Theodor<br />

Fontane (1819–1898), der als Kriegsberichterstatter<br />

am 5. Oktober 1870 bei<br />

Domrémy in französische Hände fiel.<br />

12 Militärgeschichte · <strong>Zeitschrift</strong> für historische Bildung · Ausgabe 3/<strong>2006</strong>

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