Zeitschrift Militärgeschichte [Heft 03/2006]
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akg-images<br />
Theodor Fontane, Schriftsteller und<br />
Kriegsberichterstatter im Deutsch-<br />
Französischen Krieg 1870/71.<br />
Die Porträtaufnahme entstand um<br />
1874. In dieser Zeit erschien auch<br />
Fontanes zweibändiges Werk<br />
„Der Krieg gegen Frankreich 1870/71“.<br />
Schlimmer noch erging es einem Berichterstatter<br />
der Londoner Times, der<br />
am 1. September 1870 bei Douay von<br />
einer französischen Kugel tödlich getroffen<br />
wurde.<br />
Die Pariser Kommune<br />
und die Kriegsfotografie<br />
Die Niederschlagung der revolutionären<br />
Pariser Kommune vom 21. bis<br />
28. Mai 1871 eröffnete ein neues Kapitel<br />
der Kriegsfotografie. Aufnahmen von<br />
Tod und Zerstörung in den umkämpften<br />
Straßen wirkten zwar realistischer,<br />
doch ließen sie sich mehr noch als die<br />
geschönten Aufnahmen zur Propaganda<br />
missbrauchen. Kommunarden und<br />
übergelaufene Nationalgardisten ließen<br />
sich bereitwillig gemeinsam vor<br />
der umgestürzten Napoleon-Säule<br />
auf der Place Vendôme ablichten. Geschäftstüchtige<br />
Fotografen wie Bruno<br />
Braquehais (1823–1875) stellten sogar<br />
noch während der Kämpfe ihre Aufnahmen<br />
in den Schaufenstern der Pariser<br />
Schreibwarenhändler aus. Mit<br />
einem Gespür für die neuen Möglichkeiten<br />
der Selbstdarstellung posierten<br />
selbst Frauen mit ihren Kindern vor<br />
den Barrikaden, ohne allerdings zu ahnen,<br />
dass die Pariser Polizei später ihre<br />
Aufnahmen zu Ermittlungszwecken<br />
nutzen würde. Auch Bildmanipulationen<br />
zur politischen Propaganda kamen<br />
vor. Der Fotograf Ernest Eugène Appert<br />
(1830–1891), ein erklärter Gegner<br />
der »Commune«, stellte für seine elfteilige<br />
Bilderserie »Crimes de la Commune«<br />
einzelne Szenen des Aufstandes<br />
mit Hilfe von Schauspielern und Statisten<br />
nach. Seine Fotomontagen von Hinrichtungen<br />
durch die Kommunarden,<br />
die nie stattgefunden hatten, gelten sogar<br />
als bekannteste frühe Bildfälschungen.<br />
Schließlich verbot die Regierung<br />
1872 die Verbreitung von Aufnahmen<br />
der Ereignisse und Beteiligten des Aufstandes.<br />
Kein Krieg ohne Presse<br />
Nach ihren ersten erfolgreichen Ansätzen<br />
im Krimkrieg und im Amerikanischen<br />
Bürgerkrieg nahm die Kriegsberichterstattung<br />
bis zum Ersten Welt krieg<br />
mehr und mehr propagandistische<br />
Züge an. Bei Ausbruch des Krieges erließen<br />
alle Kriegsparteien sofort strikte<br />
Zensurbestimmungen für ihre Korrespondenten.<br />
So verschaffte sich die<br />
britische Regierung im Ursprungsland<br />
der Pressefreiheit durch den berüchtigten<br />
»Realm Act« vom 8. August 1914<br />
die Kontrolle über sämtliche ein- und<br />
ausgehenden Pressemeldungen vom<br />
Kontinent. Wer gegen den Act verstieß,<br />
konnte ohne Gerichtsverfahren<br />
inhaftiert werden. Das War Office<br />
Bureau sorgte dafür, dass Tatsachen<br />
propagandistisch entstellt<br />
oder verschwiegen wurden. Sogar<br />
völlig frei erfundene Berichte<br />
wurden veröffentlicht, wie<br />
etwa die über abgehackte Kinderhände<br />
im besetzten Belgien<br />
oder über eine deutsche<br />
Leichenverwertungsanstalt.<br />
Selbst weltbekannte Autoren<br />
wie H.G. Wells (1866–1946)<br />
zögerten damals nicht, das<br />
unglaubliche Gemetzel an<br />
der Westfront zu beschönigen.<br />
Er wisse, so beteuerte<br />
der Autor des Sience-Fiction-Romans<br />
»Krieg der<br />
Welten«, dass sein Risiko,<br />
von einer Kugel getroffen<br />
zu werden, unendlich<br />
geringer sei als<br />
die Gefährdung der<br />
Kampfmoral durch<br />
allzu grausame Bilder und übertriebene<br />
Ansichten. Mit der Realität des blutigen<br />
Grabenkrieges an der Westfront,<br />
dem Millionen von Soldaten zum Opfer<br />
fielen, hatte das jedoch nichts<br />
mehr zu tun. Wenn die Leute tatsächlich<br />
die Wahrheit wüssten, wäre der<br />
Krieg morgen schon beendet, bemerkte<br />
im Dezember 1917 der britische Premier<br />
David Lloyd George gegenüber<br />
einem befreundeten Zeitungsverleger.<br />
Immerhin bewirkte 1915 ein junger<br />
australischer Korrespondent mit<br />
seiner Berichterstattung den Abbruch<br />
des britischen Landungsunternehmens<br />
auf der osmanischen Halbinsel Gallipoli<br />
und sogar die Ablösung des verantwortlichen<br />
britischen Generals. Sein<br />
Name lautete Keith Murdoch; er war<br />
der Vater des »Medienzaren« Rupert<br />
Murdoch.<br />
Klaus-Jürgen Bremm<br />
Literaturtipps:<br />
Ute Daniel (Hrsg.), Augenzeugen.<br />
Kriegsbericht erstattung vom 18. zum 21. Jahrhundert,<br />
Göttingen <strong>2006</strong><br />
Gerhard Paul, Bilder des Krieges – Krieg der Bilder.<br />
Die Visualisierung des modernen Krieges,<br />
Paderborn 2004<br />
Die Titelseite der Abendausgabe der<br />
Vossischen Zeitung vom 31. August 1914<br />
mit Meldungen vom Kriegsgeschehen<br />
akg-images/Sammlung Archiv für Kunst & Geschichte<br />
Militärgeschichte · <strong>Zeitschrift</strong> für historische Bildung · Ausgabe 3/<strong>2006</strong><br />
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