29.12.2014 Aufrufe

Zeitschrift Militärgeschichte [Heft 03/2006]

Zeitschrift Militärgeschichte [Heft 03/2006]

Zeitschrift Militärgeschichte [Heft 03/2006]

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

akg-images<br />

Theodor Fontane, Schriftsteller und<br />

Kriegsberichterstatter im Deutsch-<br />

Französischen Krieg 1870/71.<br />

Die Porträtaufnahme entstand um<br />

1874. In dieser Zeit erschien auch<br />

Fontanes zweibändiges Werk<br />

„Der Krieg gegen Frankreich 1870/71“.<br />

Schlimmer noch erging es einem Berichterstatter<br />

der Londoner Times, der<br />

am 1. September 1870 bei Douay von<br />

einer französischen Kugel tödlich getroffen<br />

wurde.<br />

Die Pariser Kommune<br />

und die Kriegsfotografie<br />

Die Niederschlagung der revolutionären<br />

Pariser Kommune vom 21. bis<br />

28. Mai 1871 eröffnete ein neues Kapitel<br />

der Kriegsfotografie. Aufnahmen von<br />

Tod und Zerstörung in den umkämpften<br />

Straßen wirkten zwar realistischer,<br />

doch ließen sie sich mehr noch als die<br />

geschönten Aufnahmen zur Propaganda<br />

missbrauchen. Kommunarden und<br />

übergelaufene Nationalgardisten ließen<br />

sich bereitwillig gemeinsam vor<br />

der umgestürzten Napoleon-Säule<br />

auf der Place Vendôme ablichten. Geschäftstüchtige<br />

Fotografen wie Bruno<br />

Braquehais (1823–1875) stellten sogar<br />

noch während der Kämpfe ihre Aufnahmen<br />

in den Schaufenstern der Pariser<br />

Schreibwarenhändler aus. Mit<br />

einem Gespür für die neuen Möglichkeiten<br />

der Selbstdarstellung posierten<br />

selbst Frauen mit ihren Kindern vor<br />

den Barrikaden, ohne allerdings zu ahnen,<br />

dass die Pariser Polizei später ihre<br />

Aufnahmen zu Ermittlungszwecken<br />

nutzen würde. Auch Bildmanipulationen<br />

zur politischen Propaganda kamen<br />

vor. Der Fotograf Ernest Eugène Appert<br />

(1830–1891), ein erklärter Gegner<br />

der »Commune«, stellte für seine elfteilige<br />

Bilderserie »Crimes de la Commune«<br />

einzelne Szenen des Aufstandes<br />

mit Hilfe von Schauspielern und Statisten<br />

nach. Seine Fotomontagen von Hinrichtungen<br />

durch die Kommunarden,<br />

die nie stattgefunden hatten, gelten sogar<br />

als bekannteste frühe Bildfälschungen.<br />

Schließlich verbot die Regierung<br />

1872 die Verbreitung von Aufnahmen<br />

der Ereignisse und Beteiligten des Aufstandes.<br />

Kein Krieg ohne Presse<br />

Nach ihren ersten erfolgreichen Ansätzen<br />

im Krimkrieg und im Amerikanischen<br />

Bürgerkrieg nahm die Kriegsberichterstattung<br />

bis zum Ersten Welt krieg<br />

mehr und mehr propagandistische<br />

Züge an. Bei Ausbruch des Krieges erließen<br />

alle Kriegsparteien sofort strikte<br />

Zensurbestimmungen für ihre Korrespondenten.<br />

So verschaffte sich die<br />

britische Regierung im Ursprungsland<br />

der Pressefreiheit durch den berüchtigten<br />

»Realm Act« vom 8. August 1914<br />

die Kontrolle über sämtliche ein- und<br />

ausgehenden Pressemeldungen vom<br />

Kontinent. Wer gegen den Act verstieß,<br />

konnte ohne Gerichtsverfahren<br />

inhaftiert werden. Das War Office<br />

Bureau sorgte dafür, dass Tatsachen<br />

propagandistisch entstellt<br />

oder verschwiegen wurden. Sogar<br />

völlig frei erfundene Berichte<br />

wurden veröffentlicht, wie<br />

etwa die über abgehackte Kinderhände<br />

im besetzten Belgien<br />

oder über eine deutsche<br />

Leichenverwertungsanstalt.<br />

Selbst weltbekannte Autoren<br />

wie H.G. Wells (1866–1946)<br />

zögerten damals nicht, das<br />

unglaubliche Gemetzel an<br />

der Westfront zu beschönigen.<br />

Er wisse, so beteuerte<br />

der Autor des Sience-Fiction-Romans<br />

»Krieg der<br />

Welten«, dass sein Risiko,<br />

von einer Kugel getroffen<br />

zu werden, unendlich<br />

geringer sei als<br />

die Gefährdung der<br />

Kampfmoral durch<br />

allzu grausame Bilder und übertriebene<br />

Ansichten. Mit der Realität des blutigen<br />

Grabenkrieges an der Westfront,<br />

dem Millionen von Soldaten zum Opfer<br />

fielen, hatte das jedoch nichts<br />

mehr zu tun. Wenn die Leute tatsächlich<br />

die Wahrheit wüssten, wäre der<br />

Krieg morgen schon beendet, bemerkte<br />

im Dezember 1917 der britische Premier<br />

David Lloyd George gegenüber<br />

einem befreundeten Zeitungsverleger.<br />

Immerhin bewirkte 1915 ein junger<br />

australischer Korrespondent mit<br />

seiner Berichterstattung den Abbruch<br />

des britischen Landungsunternehmens<br />

auf der osmanischen Halbinsel Gallipoli<br />

und sogar die Ablösung des verantwortlichen<br />

britischen Generals. Sein<br />

Name lautete Keith Murdoch; er war<br />

der Vater des »Medienzaren« Rupert<br />

Murdoch.<br />

Klaus-Jürgen Bremm<br />

Literaturtipps:<br />

Ute Daniel (Hrsg.), Augenzeugen.<br />

Kriegsbericht erstattung vom 18. zum 21. Jahrhundert,<br />

Göttingen <strong>2006</strong><br />

Gerhard Paul, Bilder des Krieges – Krieg der Bilder.<br />

Die Visualisierung des modernen Krieges,<br />

Paderborn 2004<br />

Die Titelseite der Abendausgabe der<br />

Vossischen Zeitung vom 31. August 1914<br />

mit Meldungen vom Kriegsgeschehen<br />

akg-images/Sammlung Archiv für Kunst & Geschichte<br />

Militärgeschichte · <strong>Zeitschrift</strong> für historische Bildung · Ausgabe 3/<strong>2006</strong><br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!