Zeitschrift Militärgeschichte [Heft 03/2006]
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»Kriegsmaler« Hohly<br />
Stellungen vor Stalingrad, 1942<br />
Anfang Juli 1942 erhielt Hohly als<br />
»Kriegsmaler Sonderführer« (im Rang<br />
eines Leutnants) seinen Einsatzbefehl<br />
nach Charkow (Ukraine), wo er den<br />
Auftrag erhielt, im eroberten Gebiet<br />
Land und Leute zu studieren sowie Soldaten<br />
und Eroberungszüge in Skizzen<br />
festzuhalten. Diese sollten die Grundlage<br />
für künstlerisch verarbeitete, idealisierte<br />
Schlachtengemälde bilden.<br />
Für die Soldaten und Offiziere waren<br />
die Kriegsmaler aber nur unmilitärische<br />
Anhängsel, die unnötigerweise in<br />
den ohnehin nicht ausreichenden Fahrzeugen<br />
Platz wegnahmen und störten.<br />
Darüber hinaus wurde Hohly von den<br />
Soldaten beinahe durchweg als »Verrückter«<br />
eingestuft, wenn er sich mit<br />
seinem Malzeug auf den Schlachtfeldern<br />
bewegte.<br />
Versunken in seine Wahrnehmung<br />
der Landschaften, wurde Hohly von<br />
seiner Einheit sogar einmal vergessen.<br />
Ein Offizier einer anderen Einheit nahm<br />
ihn mit; er brachte ihn zu General Bruno<br />
Ritter von Hauenschild, dem Kommandeur<br />
der 24. Panzerdivision. Dieser<br />
war sichtlich darüber erfreut, nun<br />
einen »eigenen Kriegsberichterstatter«<br />
zu haben. Er stellte Hohly ein Fahrzeug<br />
mit Chauffeur zur Verfügung, verlangte<br />
aber auch, dass der Maler bei den<br />
Angriffen seiner Division mitfuhr: »Sie<br />
schließen sich dem Nachrichten-Offizier<br />
an; das ist derjenige, der bei einem<br />
Angriff hinter dem Panzer des Kommandeurs<br />
fährt«, was zweimal geschah<br />
und Hohly wider Willen beinahe das<br />
Eiserne Kreuz einbrachte.<br />
Nachdem Hohly von seiner Einheit<br />
wieder ausfindig gemacht worden war,<br />
wurde ihm am 29. Oktober 1942 mitgeteilt,<br />
dass er »um eine Ordnungsstrafe<br />
verpasst zu bekommen [...] wegen<br />
völlig unmilitärischen Verhaltens sofort<br />
zurückzuverfügen« sei, entweder<br />
zum Sitz des Armeeoberkommandos<br />
oder zur Kompaniestelle nach Charkow.<br />
Über die Zwischenstation Charkow<br />
wurde Hohly gleich weiterkommandiert<br />
– zurück nach Potsdam. Dort<br />
gab er seine ca. 50 Studien ab, die negativ<br />
beurteilt und bis zur vorgesehenen<br />
Vernichtung in den Keller verbannt<br />
wurden. Im Zuge eines angeordneten<br />
Arbeitsurlaubes sollte Hohly seine<br />
Kriegseindrücke komplett neu- und<br />
nach den vorgegebenen Gesichtspunkten<br />
überarbeiten, was allerdings nie geschah.<br />
Im März 1943 wurde Hohly nach<br />
Paris kommandiert. Vor seiner Abreise<br />
konnte er die abgegebenen Skizzen<br />
und Malstudien wieder in seinen Besitz<br />
bringen, so dass sie den Krieg unbeschadet<br />
überstanden.<br />
Das Kriegsende erlebte Hohly nach<br />
den »Irrungen und Wirrungen« des<br />
sich auflösenden Deutschen Reiches in<br />
Bietigheim, wo er sich ein letztes Mal<br />
in Uniform beim französischen Stadtkommandanten<br />
meldete. Der bis zu Beginn<br />
der 1980er Jahre weiter malende<br />
Künstler erhielt 1978 für sein umfangreiches<br />
künstlerisches Lebenswerk der<br />
Nachkriegszeit den Verdienstorden des<br />
Landes Baden-Württemberg. Er starb<br />
am 11. April 1995 und wurde in seiner<br />
Heimatstadt Löwenstein auf dem Bergfriedhof<br />
beigesetzt.<br />
Das Werk des<br />
»Kriegsmalers« Hohly<br />
Der Grund für die vernichtende Kritik<br />
übergeordneter Stellen war evident:<br />
Weder die von Hohly skizzierte<br />
Bevölkerung noch die deutschen Soldaten<br />
und die dargestellten Kampfhandlungen<br />
entsprachen den von der<br />
Wehrmachtführung auf der Grundlage<br />
»arischer Überlegenheit« gegenüber<br />
den als »slawischen Untermenschen«<br />
eingestuften Völkern im Osten<br />
Europas geforderten ideologischen<br />
NS-Kunstdarstellungen. Sie konnten<br />
daher in keiner Hinsicht propagandistisch<br />
verwertet werden. Seine 1942 angefertigten<br />
Bilder zeigen, wie zahlreiche<br />
andere angefertigte Studien, seine<br />
besondere Wahrnehmung der Bevölkerung<br />
in den eroberten Gebieten: Mit<br />
den vorrückenden deutschen Truppen<br />
nahm Hohly immer mehr neue Eindrücke<br />
von dem eroberten Land auf, die<br />
er in seiner Autobiographie beschrieb<br />
und in seinen Bildern festhielt: fruchtbare<br />
Landschaften mit blühenden Wiesen<br />
und riesigen Sonnenblumenfeldern,<br />
Dörfer mit blau angestrichenen<br />
Kirchen, friedliche und vertrauensselige<br />
Menschen mit stolzer Zurückhaltung.<br />
Ukrainischer Bürgermeister, 1942<br />
20 Militärgeschichte · <strong>Zeitschrift</strong> für historische Bildung · Ausgabe 3/<strong>2006</strong>