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Zeitschrift Militärgeschichte [Heft 03/2006]

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Zweierlei Untergang<br />

»Abgeordnete«, Geld und<br />

Militär<br />

Entscheidungen wurden auf den<br />

Reichs tagen getroffen. Sie bildeten<br />

eine (un-)regelmäßige Versammlung<br />

aller Reichsstände in Anwesenheit des<br />

Kaisers, deren Beschlüsse man in den<br />

»Reichsabschieden« schriftlich niederlegte.<br />

Im Gegensatz zu modernen Parlamenten<br />

waren die Teilnehmer der<br />

Reichstage ebenso wenig vom Volk<br />

gewählt wie die Ständevertretungen<br />

(Kirche, Adel, Bürger) in den einzelnen<br />

Reichsständen. Dies war kein deutsches<br />

Phänomen, sondern galt in ganz<br />

Europa. Dennoch hat der moderne Parlamentarismus<br />

seine Vorläufer in den<br />

Ständevertretungen. Die Reichstage<br />

wurden bei Bedarf abgehalten, u.a. in<br />

den (Reichs-)Städten Augsburg, Nürnberg,<br />

Frankfurt a.M., Regensburg,<br />

Spey er und Worms. Der Reichstag zu<br />

Worms 1495 schuf die organisatorische<br />

Zwischenebene der »Reichskreise«. Es<br />

gab ihrer zehn, sie waren regional organisiert<br />

und hatten in ihrem Bereich<br />

Beschlüsse des Reichstages durchzusetzen,<br />

u.a. das Steueraufkommen zu<br />

organisieren. Sie waren aber auch für<br />

die Aufstellung der Kontingente der<br />

Reichsarmee im Kriegsfall zuständig.<br />

Die Reichsstände hatten die aufgebotene<br />

Armee zu bezahlen, denn ein Stehendes<br />

Reichsheer existierte nicht.<br />

Der Landfrieden wurde durch die<br />

Reichskreise garantiert. Der Wormser<br />

Reichstag von 1521 präzisierte den<br />

Umfang und die Leistungen an die<br />

Reichsarmee. Diese bestand aus 20 000<br />

Mann Infanterie und 4000 Mann Kavallerie.<br />

Die Reichsstände hatten gemäß<br />

einer festen Quote entweder Soldaten<br />

und Pferde oder aber das Geld für deren<br />

Anwerbung und Unterhalt aufzubringen.<br />

Der Augsburger Reichstag<br />

von 1555, abgehalten unter dem Eindruck<br />

der Reformation und des Bauernkrieges<br />

in Deutschland, präzisierte<br />

die Kreiseinteilung und legte die militärischen<br />

Rechte und Pflichten der Mitglieder<br />

bezüglich Zahlung und Oberbefehl<br />

fest. Auch verstärkte er die Rolle<br />

der Reichskreise bei »Reichsexekutionen«,<br />

also militärischen Unternehmen<br />

einzelner Reichsstände in kaiserlichem<br />

Auftrag gegen sich widersetzende<br />

Reichsstände.<br />

1681:<br />

Reichsheer und Stehende Heere<br />

Der Reichstag als die Versammlung der Reichsstände unter Vorsitz des Kaisers,<br />

hier ein Reichstag zu Regensburg unter Ferdinand I. Radierung von Jost Amman<br />

(1539–1591).<br />

agk-images<br />

Die »Reichsdefensionalordnung«<br />

(Reichsverteidigungsordnung) von<br />

1681 fußte auf zwei Reichsgutachten<br />

zur »öffentlichen Sicherheit« und bildete<br />

bis 1806 die Reichskriegsverfassung.<br />

Maßgebend waren dabei der Osnabrücker<br />

Friedensvertrag von 1648 (also der<br />

eine Teil des Westfälischen Friedens)<br />

und der sogenannte Jüngste Reichsabschied<br />

von 1654. Mit dem Jahr 1681 erfuhr<br />

die Organisation der Reichstage<br />

eine grundlegende Veränderung. Nun<br />

erfolgte in Regensburg die Einrichtung<br />

eines dauernden Gesandtenkongresses<br />

der Reichsstände, der als »Immerwährender<br />

Reichstag« bezeichnet wurde.<br />

Das Heeresaufkommen im Kriegsfall<br />

wurde von 20 000 Mann auf 40 000<br />

Mann (28 000 Mann Infanterie und<br />

12 000 Mann Kavallerie) erhöht. Diese<br />

Truppenstärke bildete das »Simplum«,<br />

das bei Bedarf verdoppelt, verdreifacht<br />

oder gar vervierfacht werden konnte.<br />

Verantwortlich für die Kreiskasse waren<br />

die jeweiligen Kreisobristen der<br />

Reichskreise.<br />

Die Landesherren hatten von nun<br />

an die Möglichkeit, Stehende Heere<br />

zu unterhalten, d.h. Armeen, die auch<br />

im Frieden bestanden. Dazu wurden<br />

von den Ständen des Landes Steuern<br />

erhoben. Bislang waren Armeen nach<br />

Kriegsende aufgelöst oder abgemustert<br />

worden. Größere Reichsstände<br />

machten von dieser Möglichkeit ohne<br />

Zögern Gebrauch. So entwickelten<br />

sich Stehende Heere etwa in Brandenburg<br />

(ab 1644), in Bayern (ab 1682) und<br />

Sachsen (ab 1682). Die Reichsarmee<br />

blieb dagegen ein Kontingentheer. Sie<br />

wurde nur im Kriegsfall aktiviert, war<br />

also kein Stehendes Heer. Im Verlauf<br />

des 17. Jahrhunderts erwarben sich die<br />

Herrscher der größeren Reichsterritorien<br />

mit ihren Stehenden Heeren das<br />

Instrument, welches ihnen letztlich die<br />

Durchsetzungsfähigkeit innerhalb des<br />

Reiches (teils mit Ausstrahlung darüber<br />

hinaus) sowie die zunehmende tatsächliche<br />

Souveränität innerhalb ihrer<br />

Territorien ermöglichte. Zudem erforderte<br />

die Aufrechterhaltung stehender<br />

Truppen, ihrer Ausrüstung, Personalergänzung,<br />

Unterbringung, Verpflegung<br />

und regelmäßigen Entlohnung den<br />

Aufbau eines zunehmend umfassender<br />

werdenden Staats- und Beamtenapparates.<br />

Die größeren Reichsfürsten<br />

gaben hier das Tempo vor. Der strafferen<br />

Staatsorganisation der frühneuzeitlichen<br />

Groß- und Regionalmächte<br />

entsprach die straffer werdende Disziplin<br />

ihrer Heere. Bei Ausbildung und<br />

Gefecht kam nun zu dem bekannten<br />

6 Militärgeschichte · <strong>Zeitschrift</strong> für historische Bildung · Ausgabe 3/<strong>2006</strong>

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