Zeitschrift Militärgeschichte [Heft 03/2006]
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Die Goldene Bulle Kaiser Karl IV.<br />
von 1356 bildete ein wichtiges<br />
Grundgesetz des Reiches für die<br />
nächsten 450 Jahre.<br />
Franzosen« 1804 bedeutete einen »modernen«<br />
Legitimitätsanspruch: Er war<br />
der »Retter« der Nation, die ihm zum<br />
Kaiser erhob. Auf dem Höhepunkt seiner<br />
Macht, nach den Siegen von Ulm,<br />
Austerlitz und Jena 1805/06, verkörperte<br />
der Korse nicht nur gleichsam den<br />
»Kriegsgott selbst« (Clausewitz), sondern<br />
ordnete auch Deutschland neu.<br />
Demgegenüber wirkte das Alte Reich<br />
überlebt. Seine großen Territorialmächte,<br />
allen voran Österreich und Preußen,<br />
hatten sich längst verselbständigt.<br />
»Deutsche Stämme«<br />
als untaugliche Kategorie:<br />
Goldene Bulle 1356<br />
An der Spitze des Heiligen Römischen<br />
Reiches Deutscher Nation stand der<br />
Kaiser. Mit der Krönung Ottos I. 962<br />
war bewusst an den Frankenkönig Karl<br />
den Großen und dessen Anspruch als<br />
Erneuerer des (west-)römischen Kaiserreiches<br />
angeknüpft worden. Karl<br />
hatte sich 800 von Papst Leo III. zum<br />
Römischen Kaiser krönen lassen.<br />
Neben dem burgundischen und dem<br />
italienischen Teil bestand das Reich<br />
aus den Stammesherzogtümern Bayern,<br />
Franken, Sachsen, Schwaben und<br />
Thüringen. Im 13. und 14. Jahrhundert<br />
setzten die Schwächung der Zentralgewalt<br />
und die Stärkung der Regionalgewalten<br />
ein. Die königslose Zeit, aber<br />
auch das Auftreten von König und Gegenkönig<br />
warfen die Frage auf, wer<br />
denn berechtigt sei, einen Kandidaten<br />
für das Amt des Kaisers aufzustellen<br />
und zu wählen. Die im Jahr 1356 erlassene<br />
Goldene Bulle Kaiser Karls IV.<br />
gab die Antwort für die nächsten 450<br />
Jahre. Sieben Kurfürsten wurden per<br />
Reichsgesetz definiert, die zur Wahl<br />
des Kaisers berechtigt waren. Statt<br />
der Stammesherzöge waren dies nun<br />
drei geistliche Würdenträger: die Erzbischöfe<br />
von Köln, Mainz und Trier.<br />
– sowie vier weltliche Herrscher: der<br />
König von Böhmen (der einzige dieses<br />
Ranges), der Pfalzgraf bei Rhein (Kurfürst<br />
von der Pfalz), die Kurfürsten von<br />
Brandenburg und Sachsen. 300 Jahre<br />
später kamen Bayern (1623/28) und<br />
Hannover (1692) als Kurfürstentümer<br />
dazu. Die alten Stammesherzogtümer<br />
waren verkleinert und verändert worden.<br />
Der Aufbau von Landesherrschaft<br />
und künftiger Großmächte geschah in<br />
den Markgrafschaften, so etwa in der<br />
Mark Brandenburg (Preußen) und der<br />
»ostwärtigen Mark« (Österreich).<br />
Der deutsche König wurde auf Lebenszeit<br />
gewählt, der Titel war nicht erblich.<br />
Erst die Weihe durch den Papst<br />
verlieh dem deutschen König die Kaiserwürde.<br />
Den Kurfürsten mussten jeweils<br />
Wahlversprechen in Form von<br />
Rechten, Ländereien oder schlicht Geld<br />
gemacht werden. Seit Maximilian I.<br />
nannte sich er neugewählte König<br />
auch »Erwählter Römischer Kaiser«,<br />
die Krönung durch den Papst entfiel<br />
fortan – von einer Ausnahme (Karl. V)<br />
abgesehen. Tatsächlich war die Kaiserwürde<br />
von 1438 bis 1806 fast durchgängig<br />
fest in den Händen der habsburgischen<br />
(Erz-)Herzöge von Österreich,<br />
die ab 1526 gleichzeitig Könige von<br />
Böhmen waren. Als Erben des größten<br />
Territorialbesitzes verfügten die<br />
Habsburger über eine Hausmacht, die<br />
sie mit den Mitteln versah, die Königswahl<br />
der Kurfürsten in ihrem Sinne zu<br />
beeinflussen. Allerdings war es einigen<br />
von ihnen gelungen, eine Standeserhöhung<br />
zu erlangen, was zunächst nur<br />
außerhalb des Reichsgebietes möglich<br />
war: So trugen zeitweise der sächsische<br />
Kurfürst die polnische, der hannoversche<br />
ab dem 18. Jahrhundert die englische<br />
Königskrone; seit 1701 kam der<br />
brandenburgische Kurfürst als »König<br />
in Preußen« dazu. Auch benachbarte<br />
Groß- oder Regionalmächte wie<br />
Frankreich, Schweden und Dänemark<br />
spielten ihre Rolle im Reich, da sie in<br />
Personalunion ihrer Herrscher über<br />
Reichsterritorien verfügten und deshalb<br />
in den Reichsgremien unmittelbar<br />
ihre Interessen vertreten konnten<br />
– natürlich auch bei der Kaiserwahl.<br />
Die Sieben Kurfürsten vor dem Kaiserthron. Links die drei geistlichen, rechts die<br />
vier weltlichen Kurfürsten. Kolorierter Holzschnitt aus H. Schedel, Liber chronicarum,<br />
Nürnberg 1493; Sign. Inc. 119, fol. 183 v, 184 r, Herzogin Anna Amalia<br />
Bibliothek, Weimar, Stiftung Weimarer Klassik.<br />
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Militärgeschichte · <strong>Zeitschrift</strong> für historische Bildung · Ausgabe 3/<strong>2006</strong><br />
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