29.12.2014 Aufrufe

Zeitschrift Militärgeschichte [Heft 03/2006]

Zeitschrift Militärgeschichte [Heft 03/2006]

Zeitschrift Militärgeschichte [Heft 03/2006]

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Soll-Zusammensetzung der Reichsarmee gemäß Reichsdefensionalordnung<br />

Kavallerie<br />

Infanterie<br />

Österreichischer Kreis 2 522 5 507<br />

Burgundischer Kreis 1 321 2 708<br />

Kurrheinischer Kreis 600 2 707<br />

Fränkischer Kreis 980 1 902<br />

Bayrischer Kreis 800 1 494<br />

Schwäbischer Kreis 1 321 2 707<br />

Oberrheinischer Kreis 491 2 853<br />

Niederrheinisch-Westfälischer Kreis 1 321 2 708<br />

Obersächsischer Kreis 1 322 2 707<br />

Niedersächsischer Kreis 1 322 2 707<br />

Summe 12 000 28 000<br />

Exerzieren geschlossener Formationen<br />

die Aufgabe hinzu, Marsch, Bewegung,<br />

Ladetätigkeiten und Schussfolge<br />

zu koordinieren. Das allgegenwärtige<br />

Rezept lautete: Drill. Zum buchstäblichen<br />

Paradebeispiel hierzu avancierte<br />

der ehemalige Außenseiter Preußen im<br />

späten 17. und im 18. Jahrhundert.<br />

Reichskriegsherr war der Kaiser, die<br />

Armee unterstand dem Reichsgeneralfeldmarschall.<br />

Ihm waren ein Reichsgeneralfeldmarschallleutnant,<br />

ein Reichsgeneralfeldzeugmeister<br />

(Artillerie und<br />

Pioniere), ein Reichsgeneral der Kavallerie<br />

und ein Reichsgeneralwachtmeister<br />

unterstellt. Aufgrund des im<br />

Westfälischen Frieden fixierten Religionskompromisses<br />

mussten diese<br />

Funktionen paritätisch mit evangelischen<br />

und katholischen Amtsinhabern<br />

besetzt werden. Nur ein einziges Mal,<br />

1707, konnte man sich ohne Komplikationen<br />

auf einen Oberbefehlshaber einigen:<br />

den überall geachteten Prinzen<br />

Eugen von Savoyen als Reichsgeneralfeldmarschall.<br />

Bewährung oder Scheitern in<br />

der Praxis 1682–1805<br />

Die Reichsarmee wurde bei Reichskriegen<br />

und Reichsexekutionen eingesetzt,<br />

so 1674 im Französisch-Niederländischen<br />

Krieg, in den Türkenkriegen ab<br />

1683, im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689,<br />

ab 1702 im Spanischen Erbfolgekrieg,<br />

1734 im Polnischen Erbfolgekrieg, im<br />

Österreichischen Erbfolgekrieg (1740–<br />

1748), im Siebenjährigen Krieg (1756–<br />

1763) gegen Preußen und in den Revolutionskriegen<br />

gegen Frankreich ab<br />

1793. Soll- und Ist-Stärke der Truppe<br />

wichen dabei immer voneinander ab.<br />

Die Ist-Stärke betrug:<br />

1658 10 000 Mann<br />

1686 40 000 Mann<br />

1691 19 000 Mann<br />

1700 14 000 Mann<br />

1702 44 000 Mann<br />

1795 42 400 Mann<br />

Prinz Eugen von Savoyen<br />

(1663–1736) im Feld.<br />

Er war u.a. Reichsgeneralfeldmarschall<br />

und damit Oberbefehlshaber<br />

der Reichsarmee. Gemälde<br />

von Pietro Longhi (1702–1785).<br />

Diese Schwankungen sind ein deutlicher<br />

Beleg dafür, dass es mit der Souveränität<br />

des Reiches nicht zum Besten<br />

bestellt war. Zum Mentekel für die<br />

Reichsarmee geriet die Schlacht bei<br />

Roßbach am 5. November 1757, wo<br />

sie ruhmlos durch den preußischen<br />

»Reichsfeind« Friedrich II. zerschlagen<br />

wurde; offenkundig führte der Versuch<br />

dieser Reichsexekution zur weiteren<br />

moralischen Unterminierung des Reiches.<br />

Dennoch – trotz aller Schwierigkeiten<br />

bei der Zusammenstellung, der<br />

Anwerbung, dem Oberbefehl, der Koalitionskriegführung<br />

und vieler anderer<br />

Dinge – bildete die Reichsarmee noch<br />

immer einen Ordnungsfaktor und zugleich<br />

militärisches Potential.<br />

Preußen: Aufstieg im Reich –<br />

Ausstieg aus dem Reich<br />

Preußen konnte sich im späten 17. Jahrhundert<br />

zur Regionalmacht, im 18. Jahrhundert<br />

zur Militärmacht und schließlich<br />

mit dem geglückten Risikospiel<br />

Friedrichs II. zur europäischen Großmacht<br />

aufschwingen. Der Schlüssel<br />

zum Erfolg lag nicht im Prinzip »Abstimmung<br />

und Koordination« mit europäischen<br />

Mächten, mit dem Reich und<br />

inmitten der eigenen Gebiete. Den Erfolg<br />

erzielten die Hohenzollernkurfürsten<br />

und -könige durch eine maximale<br />

Steigerung der innerstaatlichen<br />

Effizienz. Erst durch Vereinheitlichung<br />

von Verwaltung, Steuerwesen und Armee<br />

wurde aus ihren Herrschaftsgebieten<br />

ein preußischer Staat – im Singular.<br />

Freilich war das auch in Preußen ein<br />

langer Prozess, der erst mit den preußischen<br />

Reformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

seinen Abschluss fand.<br />

Das auf vielfältigen Ebenen auf dem<br />

Prinzip einer ausgewogenen Abstimmung<br />

zwischen den politischen Akteuren<br />

basierende Reich wurde letztlich<br />

durch die rigorose Kräftebündelung<br />

innerhalb der größeren Territorialstaaten<br />

unterminiert. Preußen schritt hier<br />

voran. In den Kriegen zwischen 1740<br />

und 1763 forderte es die drei bisherigen<br />

Ordnungsfaktoren Kaiser, Reich<br />

und europäische Garantiemächte erfolgreich<br />

heraus. In der Schlacht bei<br />

Roßbach am 5. November 1757 wurde<br />

die militärische Ohnmacht des Reiches<br />

demonstrativ zur Schau gestellt und<br />

die mit der französischen Armee verbündete<br />

Reichsarmee regelrecht niedergeritten.<br />

Unter den 10 500 Verlusten<br />

der Schlacht befanden sich nur 500<br />

Preußen. Was von deren Gegnern noch<br />

übrig war, zerstob in wilder Flucht.<br />

Das Bild der Reichsarmee als »Reißaus-Armee«<br />

wirkte sehr nachdrücklich<br />

und verband sich mit einem preußischen<br />

Mythos, der vor allem in Norddeutschland<br />

und in der Tradition der<br />

preußisch-deutschen Armee wirksam<br />

blieb.<br />

agk-images/cameraphoto<br />

Militärgeschichte · <strong>Zeitschrift</strong> für historische Bildung · Ausgabe 3/<strong>2006</strong><br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!