Erst der Anfang - IHK-AuÃenwirtschaftstag NRW
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BetriebsBesichtigung<br />
Lamas in Aktion: Bei Wan<strong>der</strong>ungen mit den Tieren<br />
erfahren die Teilnehmer auch eine Menge über sich<br />
selbst.<br />
Fotos (2): Bröker<br />
und ruhig. „Der Mensch ist mit den Lamas<br />
auf Augenhöhe“, sagt Pracht. Lamas sind<br />
völlig ungefährlich. „Sie beißen nicht, treten<br />
nicht und“, räumt Pracht mit einem alten<br />
Gerücht auf, „sie bespucken den Menschen<br />
auch nicht“.<br />
Neuweltkameliden<br />
gegen Burnout<br />
Als sie vor mehr als drei Jahren den Schritt<br />
in die Selbstständigkeit wagte, hat sie sich<br />
ganz bewusst für die Neuweltkameliden<br />
entschieden. Mit ihnen – so sagt sie auch<br />
heute noch – könne sie ihre Vision am<br />
besten verwirklichen: Mehr Prävention und<br />
weniger Behandlung. Gerade im Bereich<br />
psychischer Erkrankungen und Burnout-<br />
Syndromen. 15 Jahre lang hatte die gelernte<br />
Bankkauffrau und Diplom-Sportlehrerin<br />
in <strong>der</strong> Fachklinik für Psychotherapie<br />
in Herten stressbedingte Erkrankungen,<br />
Depressionen und an<strong>der</strong>e psychische und<br />
psychosomatische Erkrankungen im Team<br />
behandelt. Nun wollte sie einen Ansatz finden,<br />
mit dem <strong>der</strong> seelische Schaden für den<br />
Menschen verhin<strong>der</strong>t wird.<br />
Zuerst dachte sie an Pferde. Doch vielen<br />
Menschen sind die Vierbeiner einfach zu<br />
mächtig. „Tiere und die Natur sollten aber<br />
unbedingt dabei sein“, sagt Pracht. In <strong>der</strong><br />
Eifel hatte sie dann zum ersten Mal engeren<br />
Kontakt zu Lamas. Es war Liebe auf den<br />
ersten Blick. Bevor sie allerdings einige<br />
Tiere kaufen konnte, musste sie vor dem<br />
Amtstierarzt einen so genannten Sachkundenachweis<br />
in Pflege, Haltung<br />
und Zucht <strong>der</strong> Tiere ablegen.<br />
Zwei weitere feste Angestellte,<br />
einige Freie und Aushilfen sowie<br />
fünf Lamas gehören inzwischen<br />
zu ihrem Unternehmen.<br />
Neben Caruso sind das noch<br />
Diego, Hannibal, Dancer und<br />
Kasimir. Zwischen 1500 und<br />
5000 Euro kosten die Tiere in<br />
<strong>der</strong> Anschaffung. Im Unterhalt<br />
sind sie eher pflegeleicht. Sie<br />
benötigen keinen festen Stall,<br />
son<strong>der</strong>n kommen mit einem<br />
Unterstand aus. Sie grasen<br />
genüsslich und freuen sich hin<br />
und wie<strong>der</strong> über frische<br />
Möhren. Ihr starker Charakter macht sie zu<br />
einem idealen Schulungstier. „Lamas drängen<br />
sich dem Menschen nicht auf, sind aber<br />
offen für den Kontakt zu Menschen“, sagt<br />
Pracht. Die Teilnehmer ihrer Seminare<br />
müssen deshalb zunächst einiges investieren,<br />
das Vertrauen gewinnen, um sich den<br />
Tieren nähern zu können. <strong>Anfang</strong>s halten<br />
die Lamas nämlich einen gebührenden Abstand<br />
zum Menschen.<br />
Im therapeutischen Bereich helfen die Tiere<br />
so bei <strong>der</strong> Vermittlung sozialer Kompetenzen.<br />
Außerdem eignen sie sich für emotionales<br />
Training. Kin<strong>der</strong>, Jugendliche, Erwachsene<br />
und Senioren profitieren davon.<br />
„Wir arbeiten mit dem Jugendamt in Gelsenkirchen<br />
zusammen und machen bei<br />
Generationenprojekten mit“, sagt Pracht.<br />
Manchmal machen Schulklassen einen<br />
Ausflug zur Weide, um etwas Beson<strong>der</strong>es<br />
zu erleben und Lamas aus <strong>der</strong> Nähe zu<br />
sehen. Manchmal sind auch pädagogische<br />
Ziele mit dem Besuch von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />
verbunden. Es kommen aber<br />
auch Familien o<strong>der</strong> Freundeskreise, die einfach<br />
eine schöne Zeit erleben, entspannen<br />
und genießen wollen.<br />
Fünf Mal pro Woche<br />
Veranstaltungen<br />
Trotz Wirtschaftskrise ist <strong>der</strong> Betrieb gewachsen.<br />
Im Durchschnitt führen Pracht<br />
und ihre Mitarbeiter fünf bis sechs Veranstaltungen<br />
pro Woche durch. „Im Winter<br />
sind es etwas weniger“, sagt die Geschäftsführerin.<br />
Vor allem Firmen nutzen das Angebot.<br />
Dabei stimmt das Unternehmen sein<br />
Angebot auf die spezifischen Bedürfnisse<br />
Beate Pracht mit Diego, einem ihrer insgesamt fünf tierischen Mitarbeiter.<br />
und Wünsche <strong>der</strong> Kunden ab. „Wir bieten<br />
nicht nur Seminare mit den Lamas an.<br />
Auch ohne die Tiere klären wir über Burnout-Anzeichen<br />
und Stressbewältigung am<br />
Arbeitsplatz auf“, sagt Pracht. Doch natürlich<br />
sind die Lamas gern gesehene Gäste<br />
und oft zentraler Bestandteil <strong>der</strong> Seminare.<br />
Oft nutzt Pracht die Infrastruktur, die ihr<br />
<strong>der</strong> Hof Holz in Gelsenkirchen bietet. Dort<br />
grasen nicht nur ihre Lamas auf <strong>der</strong> Weide.<br />
Sie kann auch auf die Küche zurückgreifen<br />
und bei schlechtem Wetter die Räumlichkeiten<br />
für Seminare nutzen. Aber eigentlich<br />
ist sie lieber unter freiem Himmel. Allenfalls<br />
ein Pavillon schützt vor Regen. Ansonsten<br />
sind die Teilnehmer auf <strong>der</strong> Lamaweide.<br />
Sie spüren die Nähe <strong>der</strong> Tiere und<br />
riechen das Gras. Die nahe Autobahn ist<br />
dabei schnell vergessen. Zumal die Lamas<br />
sie in ihren Bann nehmen.<br />
Mensch und Lama,<br />
die Herdentiere<br />
„Der Mensch kann vieles mit und von den<br />
Tieren lernen“, sagt Pracht. Die Seminare<br />
zur Gesundheitsvorsorge und Burnout-<br />
Prophylaxe haben so einen Mehrwert. Es<br />
gibt einen Transfer ins reale Berufsleben.<br />
Zum Beispiel beim Thema „Miteinan<strong>der</strong>“.<br />
Lamas sind Herdentiere. „Sie sind mit uns<br />
zu Fuß unterwegs“, sagt Pracht. Denn geritten<br />
werden die Schwielensohler nicht.<br />
Sie tragen höchstens die Utensilien für ein<br />
Picknick hinauf auf den Berg.<br />
In Teams kümmern sich die Seminarteilnehmer<br />
um die Tiere und machen sich mit<br />
ihnen auf den Weg. Dabei geben die Lamas<br />
den Rhythmus vor. „Viele Menschen haben<br />
Probleme mit <strong>der</strong> Schnelllebigkeit<br />
unserer Zeit. Im Alltag<br />
müssen wir uns oft dem gefor<strong>der</strong>ten<br />
schnellen Rhythmus anpassen“,<br />
sagt Pracht. Auf Dauer<br />
könne das nicht gesund sein.<br />
Die Lamas helfen das Tempo<br />
heraus zu nehmen und herauszufinden,<br />
wie <strong>der</strong> eigene<br />
Rhythmus ist. „Vielen Teilnehmern<br />
wird erst später klar: Es<br />
geht nicht um die Lamas, son<strong>der</strong>n<br />
um einen selbst“, sagt<br />
Pracht. Sie steht neben Diego<br />
und sieht ihm in die Augen. In<br />
dem tiefen Schwarz spiegelt<br />
sich ihr Gesicht. Jürgen Bröker<br />
wirtschaftsspiegel 7–8 · 2010<br />
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