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08/09 - Gymnasium Muristalden

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«Die Vertreter der Unordnung sind für das Bestehen eines Staates gerade<br />

so notwendig wie die Vertreter der Ordnung.» (Friedrich Glauser)<br />

«Störenfriede» lautet der Titel des Aufsatzes von Friedrich Glauser, in welchem<br />

er den provokativen Beweis führt, nach welchem es eine Unmöglichkeit<br />

sei, die Vertreter der Unordnung auszurotten, denn ohne sie gäbe es<br />

gar keine Ordnung. Der Text ist in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden<br />

und ist sogar vom engagierten Schweizer Spiegel prompt abgelehnt<br />

worden. Es tut in der Pädagogik und in der Schule indessen gut, diese<br />

Einsicht in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Kolleginnen und<br />

Kollegen stets vor Augen zu haben. Denn ohne die unzähligen Fehler, Geh-<br />

und Grenzversuche, welche Junge und Alte, auch die Lehrer, zum Glück<br />

immer wieder wagen, wären die unabdingbaren und existenziellen Lern-<br />

und Lehrprozesse weder sinnvoll noch denkbar. – Sind wir es uns indessen<br />

in der Konsequenz wirklich bewusst, dass es zum Beispiel ohne die Alkoholikerszene<br />

in Berns «Casinopärkli» keine mehr oder weniger heile Welt<br />

auf Corbusiersesseln gäbe? Dass ohne die schlechten Leistungen die guten<br />

davon gar nicht abgegrenzt werden könnten? Und dass damit ohne die<br />

«schlechten» gar keine «guten Schüler» möglich sind? Und wer spielt unter<br />

welchen Bedingungen welche Rolle? Dies mit welchen Folgen? Und wer<br />

hat welches Interesse woran?<br />

Unvermittelt befinden wir uns in der Grundproblematik der Wahrnehmung.<br />

Es sei an unsere erste Ausgabe von «Momente» erinnert und den Hinweis<br />

auf Wolfgang Borchert. Er versteht es, dem Phänomen in seinem Essay<br />

«Die Stadt» poetisch Ausdruck zu verleihen: «Ein Nächtlicher ging auf<br />

den Schienen. Die lagen im Mond und waren schön blank wie Silber. Nur<br />

kalt, dachte der Nächtliche, kalt sind sie. Links weit ab ein vereinsamtes<br />

Geglüh, ein Gehöft. Und dabei ein rauhgebellter Hund. Das Geglüh und<br />

der Hund machten die Nacht zur Nacht.» – Es ist eben nicht die Nacht,<br />

welche die Nacht zur Nacht macht (und damit zur Bedrohung), sondern<br />

das, was sich davon abhebt. Hier das Geglüh und der rauhgebellte Hund.<br />

Es scheint festzustehen, wobei die Begriffe je austauschbar sind: Ohne<br />

Unordnung ist keine Ordnung zu haben. Ohne Tod kein Leben, ohne das<br />

Böse kein Gutes, ohne die Krankheit keine Gesundheit, ohne Nacht keinen<br />

Von Licht und<br />

Schattenwürfen<br />

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