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AUTOStraßenverkehr Heft 12-2015

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Verkehrsüberwachung<br />

RECHT<br />

Wer kassiert alles mit?<br />

Foto: Panthermedia<br />

Wenn es am Straßenrand blitzt, KASSIERT NICHT NUR DER STAAT. Immer häufiger profitieren<br />

auch private Unternehmen von der Verkehrsüberwachung – rechtlich ist das jedoch fragwürdig.<br />

Hoheitliche Aufgaben<br />

sind von Angehörigen<br />

des öffentlichen<br />

Dienstes zu erledigen. Dazu<br />

gehören beispielsweise<br />

die Aufgaben der<br />

Wasserversorgung, der<br />

Feuerwehr oder der Strafverfolgung.<br />

So sieht es<br />

zumindest Artikel 33 der<br />

deutschen Verfassung vor.<br />

Immer häufiger werden<br />

Daten der Verkehrsüberwachung<br />

allerdings teilweise<br />

oder vollständig<br />

von privaten Unternehmen<br />

ausgewertet. „Wir<br />

lassen die gemessenen<br />

Rohdaten von einem externen<br />

Dienstleister aufarbeiten<br />

und vorsortieren“,<br />

erklärt Gerd Maier, Amtsleiter<br />

des Ordnungsamts<br />

in Leinfelden-Echterdingen.<br />

„Bevor es zum Bußgeldbescheid<br />

kommt,<br />

prüfen Mitarbeiter der<br />

Bußgeldstelle den Fall<br />

aber noch einmal.“<br />

Rechtsanwältin Daniela<br />

Mielchen vom Deutschen<br />

Anwaltverein sieht darin<br />

aber schon eine große<br />

Gefahr: „Private Unternehmen<br />

folgen wirtschaftlichen<br />

Interessen und haben<br />

daher in der Strafverfolgung<br />

nichts verloren.<br />

Es handelt sich dabei<br />

um hoheitliche Aufgaben,<br />

und die müssen von unabhängigen<br />

Mitarbeitern<br />

im Staatsdienst ausgeführt<br />

werden.“ Es handele<br />

sich dabei schließlich um<br />

einen Eingriff in die Rechte<br />

der Bürger.<br />

Zu diesem Schluss kam<br />

auch erst kürzlich ein<br />

Richter des Amtsgerichts<br />

Parchim. Das Gericht gab<br />

am 1. April <strong>2015</strong> der Klage<br />

von vier Autofahrern statt,<br />

die gegen ihre Bußgeldbescheide<br />

Widerspruch<br />

eingelegt hatten, weil die<br />

Auswertung der Daten<br />

vom Landkreis Ludwigslust-Parchim<br />

einem<br />

privaten Unternehmen<br />

überlassen wurde.<br />

Auch nach der Überzeugung<br />

des Gerichts handelt<br />

es sich bei der Auswertung<br />

der Messdaten<br />

um eine hoheitliche Aufgabe,<br />

die nicht an privat<br />

übertragen werden dürfe<br />

und Sache staatlicher Behörden<br />

sei. In seinem Urteil<br />

stützte sich der Richter<br />

auf frühere Entscheidungen<br />

höherer Instanzen<br />

und verwies auf<br />

Urteile der beiden Oberlandesgerichte<br />

Naumburg<br />

und Frankfurt am Main,<br />

die bereits ähnlich entschieden<br />

hatten.<br />

So sieht Justitia die Sache<br />

IM GRUNDE IST DIE<br />

GESETZESLAGE KLAR,<br />

als hoheitliche Aufgabe ist<br />

die Strafverfolgung Sache<br />

des Staates und schon im<br />

Grundgesetz geregelt. Daraus<br />

resultiert auch, dass<br />

bei der Verkehrsüberwachung<br />

keine privaten finanziellen<br />

Interessen im<br />

Spiel sein dürfen und demnach<br />

auch keine privaten<br />

Unternehmen daran beteiligt<br />

werden können.<br />

Fragwürdige<br />

Rundum-sorglos-Pakete<br />

Besonders brisant wird<br />

die Sache, wenn Blitzer-<br />

Hersteller den Städten<br />

eine Art Rundum-sorglos-Paket<br />

mit allen Services<br />

aus einer Hand anbieten.<br />

„Das reicht dann<br />

von der Bereitstellung der<br />

Anlage über die Messung<br />

bis hin zur Auswertung<br />

der Daten“, weiß Rechtsanwalt<br />

Martin Strahl,<br />

der im Fall aus Parchim<br />

mitverhandelte. Insider<br />

berichten sogar von<br />

Leasingmodellen der<br />

Hersteller, bei denen die<br />

Städte Radaranlagen kostenlos<br />

aufstellen und für<br />

jedes verwertbare Bild<br />

pauschal einen Betrag<br />

von fünf bis zehn Euro abtreten.<br />

Übernehmen private<br />

Firmen noch die Auswertung,<br />

kostet das<br />

weitere drei Euro pro Vorgang.<br />

Die Beweisführung<br />

liegt somit in privater<br />

Hand, die Beamten sehen<br />

nur noch die Ergebnisse.<br />

Für Daniela Mielchen ist<br />

das ein Skandal: „Hier<br />

kann niemand dafür garantieren,<br />

dass nicht nach<br />

DAS RECHTLICHE<br />

SCHLUPFLOCH<br />

liegt in einem Erlass, der<br />

die Weitergabe einfach gelagerter<br />

technischer Aufgaben<br />

an private Firmen<br />

erlaubt, nicht jedoch die<br />

wirtschaftlichen Interessen<br />

gehandelt wird. Bei<br />

der Verkehrsüberwachung<br />

darf es allerdings<br />

nur um Sicherheit gehen<br />

– nicht ums Geld.“<br />

Luca Leicht<br />

KOMMENTAR<br />

Was kommt als Nächstes?<br />

Private Steuereintreiber?<br />

Kopfgeldjäger?<br />

Dass die Verkehrsüberwachung<br />

für mehr Sicherheit<br />

auf den Straßen<br />

sorgen kann, steht<br />

außer Frage, und die<br />

sollte oberste Priorität<br />

haben. Wenn Städte<br />

und Kommunen private<br />

Firmen mitmischen lassen,<br />

hebeln sie aber den<br />

Rechtsstaat aus.<br />

Auswertung. Wo die Auswertung<br />

beginnt und was<br />

genau eine einfache Aufgabe<br />

ist, wurde jedoch<br />

nicht klar definiert, sodass<br />

die Dienstleister oft mehr<br />

als nur Fotolabor sind.<br />

<strong>12</strong>/<strong>2015</strong> 41

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