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Moderne Technik für klassische Instrumente In der deutschen Produktionsstätte von Steinway & Sons treffen Tradition und Moderne INFO querdenken aufeinander: CNC-gesteuerte Maschinen werden zur Produktion der legendären Flügel ge- nutzt – doch ersetzen können sie die jahrzehntelange Erfahrung des Menschen nicht. TEXT › Wolfgang Heumer FOTOS › Frank Pusch Ein schalldichter Raum, 30 Quadratmeter groß. Darin stehen vier Konzertflügel. Gerd Fründ schlägt einen Akkord an, lässt den Ton im Raum verhallen: „Nein, <strong>das</strong> ist es noch nicht.“ Fründ lockert mit einer winzigen Dreispitznadel den Filz des Ham- mers, der die Bass-Saite des Flügels anschlägt. Acht Stunden am Tag und an 1.200 Instrumenten im Jahr sorgt der gelernte Klavierbauer in Hamburg für den guten Ton: „Ein echter Stein- way klingt brillant, klar und offen.“ Mehr als 40 Jahre Erfahrung als Intoneur in der deutschen Produktionsstätte von Steinway & Sons haben Fründ gelehrt, dieses Klangbild zu bestimmen:„Das kann keine Maschine.“ Auch der Instrumentenbau aus über 12.000 Einzelteilen galt bislang als reine Handwerkskunst. Dennoch soll der Computer jene Erfahrungen lernen, welche die Klavierbauer von Generation zu Generation weitergegeben haben. „Es gibt bestimmte Arbeiten, die der Computer präziser erledigen kann als der Mensch“, sagt Olaf Gube, Ingenieur und Leiter der Steinway-Fabrik. Er selbst hat vor dem Studium den Beruf des Instrumentenbauers gelernt. Dort, wo elektronisch gesteuerte Maschinen präziser arbeiten als die menschliche Hand, sollen sie künftig auch im Flügelbau zum Einsatz kom- men. AUS BUCHE, MAHAGONI, AHORN, WHITEWOOD UND VERSCHIEDENEN EDLEN NADELHÖLZERN WERDEN DIE BEGEHRTEN STEINWAY-FLÜGEL GEFERTIGT Es ist kaum zu ahnen, <strong>das</strong>s in dem roten Fabrikgebäude am Rande von Hamburg Kunstwerke entstehen. Sägen kreischen, Hobel rotieren über Holzplatten, überall hängt feiner Staub in der Luft, es riecht nach Holz. Davon verwendet Steinway nur <strong>das</strong> <strong>beste</strong>: Buche, Mahagoni und Ahorn für <strong>das</strong> Gehäuse und den Stimmstock, White- wood für den Deckel, Nadelhölzer für den Resonanzboden. Verwendet werden schließlich höchstens 25 Prozent eines Brettes. Die strenge Auswahl ist eine Frage des guten Tons: Nur Holz, dessen Fasern in einer Richtung parallel verlaufen und <strong>das</strong> kaum noch in sich arbeitet, garantiert, <strong>das</strong>s keine unkontrollier- ten Spannungen den Klang stören. Steinways behutsame Auswahl der Hölzer mag nicht so recht zu der rohen Gewalt passen, mit der <strong>das</strong> wichtigste Stück eines Flügels her- gestellt wird. Bis zu 20 Lagen Hart- holz, jedes Furnier knapp drei Meter lang und nur wenige Millimeter dick, bilden den so genannten Rim, <strong>das</strong> Gehäuse eines Flügels. Seit fast 20 Jahren arbeitet Dennis Otto in der Rim-Biegerei von Steinway. Zusam- men mit drei Kollegen packt er die maschinell verleimten Furniere, legt sie mit schnellem Griff seitlich an eine Form, die dem charakte- ristischen Schwung eines Flügels entspricht. Von der Seite drücken gewaltige Zargen, pressen <strong>das</strong> Holz hydraulisch mit 120 bar an die Form. Es knirscht gewaltig: „Gebrochen Weltweit erzielt die an der New Yorker Börse notierte „Steinway Musical Instruments, Inc.“ einen Umsatz von rund 360 Mio. US-Dollar. Seit 1853 wurden rund 573.000 Instrumente auf dem Weltmarkt verkauft. Ein Steinway-Flügel kostet in der Standardausführung Schwarz zwischen 46.000 und 103.000 Euro. ›30 Bei Steinway hat jedes Instrument einen individuellen Klangcharakter und ist für Kenner dennoch akustisch als ein Steinway zu identifizieren. der Spezialist 41