experten für gute Nachbarschaft - Haufe.de
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WOHNUNGSMARKT GRENZENLOSES EUROPA<br />
Europa-Kolumne<br />
Selbstbestimmtes Leben:<br />
gemeinsam und doch je<strong>de</strong>r <strong>für</strong> sich<br />
Die meisten Menschen wollen im Alter in <strong>de</strong>n eigenen vier Wän<strong>de</strong>n bleiben. Manche suchen aber auch nach Alternativen,<br />
wollen mit an<strong>de</strong>ren zusammen leben. Nicht nur in Deutschland, son<strong>de</strong>rn auch in <strong>de</strong>r Schweiz. Dort engagiert sich die<br />
Genossenschaft „Zukunftswohnen“ <strong>für</strong> Haus- und Wohngemeinschaften. In <strong>de</strong>r Siedlung Breitipark im Großraum Zürich ist es<br />
ihr gelungen, die Bewohner zum Mitmachen anzuregen.<br />
„Zukunftswohnen“ geht davon<br />
aus, dass die heutigen Wohnformen<br />
oft nicht <strong>de</strong>n Bedürfnissen<br />
älterer Menschen<br />
entsprechen. Vielen Alleinleben<strong>de</strong>n<br />
und Paaren mangelt es<br />
mitunter an Kontaktmöglichkeiten<br />
o<strong>de</strong>r Hilfe im Alltag in<br />
unmittelbarer Nähe. Deshalb<br />
entwickelt die 2002 gegrün<strong>de</strong>te<br />
Genossenschaft Angebote<br />
<strong>für</strong> Singles und Paare,<br />
die in einer Haus- o<strong>de</strong>r Wohngemeinschaft<br />
leben möchten.<br />
Ursprünglich wollte sie vor<br />
allem Initiativgruppen helfen,<br />
geeignete Häuser zu kaufen<br />
und zu bauen. Mittlerweile<br />
stehen das Coaching und die<br />
Projektentwicklung in Zusammenarbeit<br />
mit Gemein<strong>de</strong>n, Investoren und<br />
an<strong>de</strong>ren Gruppen im Vor<strong>de</strong>rgrund. Die<br />
Wohnprojekte befin<strong>de</strong>n sich alle in <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschsprachigen Schweiz.<br />
Eines davon ist die Siedlung Breitipark in<br />
Basserdorf, nördlich <strong>de</strong>s Züricher Flughafens.<br />
Dort hat die Wohn- und Siedlungsgenossenschaft<br />
Zürich (WSGZ) sechs Häuser mit<br />
insgesamt 56 altersgerechten Wohnungen<br />
und Gemeinschaftseinrichtungen gebaut.<br />
Zum Konzept <strong>de</strong>r Anlage gehört, dass die<br />
Bewohner die Gemeinschaftseinrichtungen<br />
nicht nur nutzen, son<strong>de</strong>rn auch selbst verwalten.<br />
Die Menschen da<strong>für</strong> zusammenzubringen<br />
ist die Aufgabe von Simone Gatti.<br />
Die Organisationsentwicklerin und Gerontologin<br />
ist gleichzeitig die Präsi<strong>de</strong>ntin von<br />
„Zukunftswohnen“.<br />
Attraktive Wohnungen<br />
Zwischen April und Juni 2011 sind die<br />
neuen Bewohner in Breitipark eingezogen.<br />
Als beson<strong>de</strong>rs beliebt erwiesen sich die<br />
Zweieinhalbzimmerwohnungen, die fast<br />
ein Drittel <strong>de</strong>r angebotenen Wohnungen<br />
26<br />
Sechs Häuser mit insgesamt 56 altersgerechten Wohnungen und Gemeinschaftseinrichtungen<br />
entstan<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Siedlung Breitipark in Basserdorf<br />
bei Zürich. Foto: Urs Zwyssig<br />
ausmachten. Eine 58 Quadratmeter große<br />
Zweieinhalbzimmerwohnung kostet in Breitipark<br />
umgerechnet etwa 874 Euro Miete,<br />
das sind rund 15 Euro pro Quadratmeter.<br />
Die Nebenkosten liegen umgerechnet bei<br />
etwa 105 Euro. Sie enthalten auch einen<br />
Betrag von etwa 27 Euro <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Betrieb<br />
<strong>de</strong>r gemeinschaftlichen Einrichtungen. Die<br />
Wohnungen sind gehoben ausgestattet: In<br />
<strong>de</strong>r ganzen Wohnung liegt Akazienparkett.<br />
Alle Zimmer haben Multimediaanschlüsse<br />
und elektrische Lamellen- und Sonnenstores,<br />
die Küchen Dampfgarer und Mikrowelle.<br />
Zu <strong>de</strong>n Gemeinschaftseinrichtungen<br />
gehören ein Café, eine Bibliothek, ein Fitnessraum,<br />
ein Pflegebad und ein Gästezimmer.<br />
Die Einnahmen aus <strong>de</strong>r Vermietung<br />
<strong>de</strong>s Gästezimmers erhält die Wohn- und<br />
Siedlungsgemeinschaft Zürich. Was im Café<br />
erwirtschaftet wird, fließt in das Budget <strong>de</strong>r<br />
Hausgemeinschaft.<br />
Alle Gemeinschaftseinrichtungen befin<strong>de</strong>n<br />
sich im selben Gebäu<strong>de</strong>. Dort hat sich auch<br />
die Spitex eingemietet, ein ambulanter<br />
Pflegedienst, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Schweiz fast ausschließlich<br />
von privatrechtlich-gemeinnüt-<br />
zigen Vereinen o<strong>de</strong>r Stiftungen<br />
getragen wird. Neben <strong>de</strong>r<br />
Spitex können die Bewohner<br />
auch auf Dienstleistungen <strong>de</strong>s<br />
benachbarten Pflegeheims<br />
zurückgreifen. Trotz dieser<br />
Angebote versteht sich Breitipark<br />
nicht als Alters-, son<strong>de</strong>rn<br />
als Mehrgenerationensiedlung.<br />
Zwar wohnen in <strong>de</strong>n meisten<br />
Wohnungen ältere Menschen,<br />
es sind jedoch auch einige<br />
Familien in die Siedlung<br />
gezogen.<br />
Gemeinschaftseinrichtungen<br />
selbst gestalten<br />
Auf vielen Infoaben<strong>de</strong>n hat<br />
Simone Gatti die Interessenten<br />
über die Projekti<strong>de</strong>e informiert: Café, Bibliothek,<br />
Gästezimmer, Fitnessraum und<br />
Pflegebad selbst zu verwalten und bei<br />
Anschaffungen, zum Beispiel <strong>de</strong>r Auswahl<br />
<strong>de</strong>r Fitnessgeräte, mitzubestimmen. Sie<br />
warb Freiwillige und bil<strong>de</strong>te Teams. Inzwischen<br />
ist das Café eröffnet und bietet hin<br />
und wie<strong>de</strong>r sogar einen Mittagstisch an.<br />
Auch <strong>für</strong> die an<strong>de</strong>ren Aufgaben haben sich<br />
Freiwillige gefun<strong>de</strong>n. Demnächst wählen<br />
die Bewohner aus ihren Reihen die Mitglie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Hauskommission. Sie wird in<br />
<strong>de</strong>n nächsten zwei Jahren das gemeinschaftliche<br />
Leben organisieren. Simone<br />
Gatti bleibt vor Ort, ist je<strong>de</strong> Woche <strong>für</strong> zwei<br />
Stun<strong>de</strong>n Ansprechpartner im Café. Im Laufe<br />
<strong>de</strong>r Zeit wird sie nur noch alle drei Monate<br />
an einer Haussitzung teilnehmen. „Ziel ist<br />
es“, so Gatti, „immer dann zur Verfügung zu<br />
stehen, wenn ein Verän<strong>de</strong>rungsschritt notwendig<br />
ist.“ Durch ihre externe Begleitung<br />
will sie nicht nur verhin<strong>de</strong>rn, dass das Engagement<br />
<strong>de</strong>r Bewohner nachlässt, son<strong>de</strong>rn<br />
ihnen auch die notwendige Anerkennung<br />
da<strong>für</strong> verschaffen.<br />
Gabriele Kunz, Hamburg<br />
Die Wohnungswirtschaft 2/2012