1886 - Berliner Baugenossenschaft eG
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30 1919 bis 1945<br />
Krisen- und Kriegszeiten<br />
(Über)Leben in den genossenschaftlichen Siedlungen<br />
Die Weltwirtschaftkrise infolge des Bankenkrachs vom Oktober 1929 erreicht Deutschland mit voller<br />
Kraft. Die Auswirkungen bekommt die bbg in den 30er Jahren gleich in zweifacher Hinsicht zu spüren.<br />
Die Arbeitslosigkeit erreicht nicht nur viele Mitglieder und führt dazu, dass Mietausfälle deutlich zunehmen<br />
und Neubauwohnungen nur noch schwer zu vermieten sind. Gleichzeitig belasten steigende Baukosten<br />
und Probleme bei der Hypothekenfi nanzierung das genossenschaftliche Unternehmen, das seinen<br />
Wohnungsbestand innerhalb nur weniger Jahre vervielfacht hat. Im Juni 1932 melden die Genossenschafter<br />
im 47. Geschäftsjahr ihres Bestehens Liquidation für die traditionsreiche bbg an.<br />
Die <strong>Berliner</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
im Nationalsozialismus<br />
Durch neue gesetzliche Regelungen erfolgt 1935<br />
die unerwartete Rettung, so dass die Liquidation<br />
wieder aufgehoben werden kann. Im Gegenzug<br />
bedeuten die Eingriffe der nationalsozialistischen<br />
Machthaber seit Anfang 1933 jedoch das Aus für<br />
alle demokratischen und genossenschaftlichen<br />
Unternehmen, die nun schrittweise „gleichgeschaltet“<br />
und parteikonform angepasst werden.<br />
Dazu zählt auch die konsequente Verfolgung<br />
und Diskriminierung Andersdenkender sowie<br />
jüdischer Mitbewohner, die ab Januar 1939 nach<br />
Einführung des sog. „Arierparagraphen“ ihre<br />
Wohnungen räumen müssen.<br />
In den genossenschaftlichen Wohnsiedlungen<br />
treten bald unterschiedliche politische Positionen<br />
der Bewohnerschaft zu Tage. Während Befürworter<br />
des Regimes offen die neue Zeit begrüßen,<br />
zieht sich eine schweigende Mehrheit auf<br />
das häusliche Umfeld zurück und passt sich<br />
notgedrungen an die geforderten Aufl agen an.<br />
Für das verordnete Flaggenhissen werden nun<br />
spezielle Vorrichtungen an die Holzrahmen der<br />
Fenster montiert. Je nach politischer Gesinnung<br />
der Elternhäuser nehmen auch die Kinder den<br />
gesellschaftspolitischen Umschwung wahr.<br />
„Man musste die Hakenkreuzfahne fl aggen.<br />
Wir hatten aber nur die kleinste Ausgabe, die es<br />
gab, rausgehängt. Der Ilsenhof war schon eine<br />
gewisse Insel – bis auf die Frau eines hohen<br />
Parteifunktionärs, die hat meine Eltern ständig<br />
belästigt, in die nationalsozialistische Volkswohlfahrt<br />
einzutreten. Mein Vater stammte aus einer<br />
sozialdemokratischen Familie, war selbst aber nie<br />
in einer Partei. Meine Mutter kam dagegen aus<br />
einer westpreußischen Kleinstadt, da wählte man<br />
deutschnational.“ (Bewohnerin)<br />
„In der Zeit vor dem Krieg fanden wir das<br />
toll, dass der Hitler sich so um die Arbeitslosigkeit<br />
kümmerte. Bei Festen, wie ‚Führers<br />
Geburtstag‘ , war der Ilsenhof ein Fahnenmeer.<br />
Viele Leute waren damals sehr loyal, auch mein<br />
Vater war in der NSDAP. Als Beamter fühlte er<br />
sich damals zugehörig.“ (Bewohner)<br />
Weihnachten 1942 im Ilsenhof