Ihr regionales Familienmagazin Thema: Kunst tut Kindern gut ...
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Vorabdruck:<br />
Lilli Langohr, die Münsterfledermaus<br />
Der erste Ulmer-Münster-Roman für<br />
Kinder wird am 27. Oktober um 15 Uhr<br />
im Ulmer Haus der Begegnung vorgestellt<br />
und ist danach im Buchhandel<br />
erhältlich: „Lilli Langohr, die Münsterfledermaus“.<br />
„KidS“-Leser können hier<br />
exklusiv schon mal im ersten Kapitel<br />
schmökern:<br />
In einer verwinkelten Ecke auf der<br />
Orgelempore des Ulmer Münsters, zwischen<br />
meterhohen Orgelpfeifen, staubigen<br />
Holztischen und noch staubigeren<br />
Regalen wohnt Lilli Langohr, die kleine<br />
Fledermaus, mit ihrer Familie. Gemütlich<br />
ist es hier oben auf der Empore, und am<br />
Abend auch besonders stimmungsvoll.<br />
Vor allem, wenn die Strahlen der untergehenden<br />
Sonne durch das große bunte<br />
Glasfenster fallen und farbige Lichtflecke<br />
auf den Fußboden werfen. Das ist Lillis<br />
Zeit; denn wie alle Fledermäuse schläft sie<br />
tagsüber. Fest in ihre Flügelhaut eingewikkelt,<br />
hängt sie an einem Mauervorsprung<br />
in ihrer Lieblingsecke. Erst in den Abendstunden<br />
wird sie munter. Wenn es langsam<br />
dunkel wird, die Besucher das Münster<br />
verlassen und Ruhe einkehrt, reckt<br />
und streckt sie sich, flattert mit ihrem Bruder<br />
Drago und ihren Eltern über die<br />
Orgelempore und durch ein kleines geheimes<br />
Schlupfloch nach draußen.<br />
In der frischen Abendluft treffen sie<br />
ihre Freunde, die tagsüber in dem riesigen<br />
Dachstuhl des Münsters, im Turm oder an<br />
der Außenmauer der Kirche hängen.<br />
Gemeinsam fliegen sie über den weiten<br />
Münsterplatz und die Dächer der Häuser<br />
ringsherum. Viele Male umkreisen sie die<br />
alte Kirche, die sich mit ihren mächtigen<br />
Mauern und hohen Türmen wie ein felsiges<br />
Gebirge mitten in der Stadt erhebt.<br />
Lilli liebt ihre dunkle Ecke auf der staubigen<br />
Empore, aber etwas gibt es dort,<br />
das sie stört. Und das hat ausgerechnet<br />
mit ihrem besten Freund zu tun, dem alten<br />
graulockigen Organisten Franz. Jeden<br />
Tag um die Mittagszeit steigt Franz ächzend<br />
die Stufen der schmalen Wendeltreppe<br />
zur Orgel empor, schnauft, wenn er<br />
oben angekommen ist, tief durch und<br />
kramt schließlich aus seiner abgewetzten<br />
Ledertasche einen Packen Notenblätter<br />
heraus. Dann setzt er sich an den Orgeltisch<br />
und beginnt zu spielen. Seine Hände<br />
Okt/Nov 09<br />
stecken dabei in warmen Wollhandschuhen,<br />
die nur die Fingerspitzen freilassen.<br />
Das muss sein, denn auf der Orgelempore<br />
ist es, wie überall im Münster fast immer<br />
bitter kalt, sogar im Sommer. Spätestens<br />
wenn Franz mit beiden Händen in die<br />
Tasten greift und dazu noch mit den<br />
Füßen die Pedale betätigt , wacht Lilli auf.<br />
Heute ist wieder so ein Tag, an dem<br />
Franz alle Register zieht und die Orgel in<br />
ihrer vollen Lautstärke erklingen lässt.<br />
Und wieder einmal wird Lilli aus dem<br />
Schlaf gerissen. Vor Schreck wäre sie fast<br />
von ihrem Mauervorsprung gefallen.<br />
Gerade noch rechtzeitig schafft sie es,<br />
sich aus ihren Flügeln zu wickeln und sich<br />
zu fangen. Dann flattert sie zu Franz.<br />
„Hallo Franz“, begrüßt sie ihn, „du hast<br />
mich wieder besonders unsanft geweckt!<br />
Ich hatte gerade so fest geschlafen.<br />
Könntest du nicht hin und wieder zu einer<br />
anderen Tageszeit spielen? Abends zum<br />
Beispiel, wenn ich sowieso wach bin?“<br />
„Guten Morgen Lilli“, antwortet Franz.<br />
„Tut mir Leid, dass ich dich gestört habe.<br />
Aber da die meisten Besucher nun einmal<br />
tagsüber die Kirche besuchen und sich<br />
dann auch an der schönen Orgelmusik<br />
freuen, musst du verstehen, dass ich auf<br />
deine Schlafgewohnheiten keine Rücksicht<br />
nehmen kann. Oft übe ich ja auch<br />
abends, aber dann bist du schon längst<br />
mit deinen Freunden unterwegs.“ - „Das<br />
mag sein“, protestiert Lilli, „aber etwas leiser<br />
könntest du spielen, und vielleicht nur<br />
mit ganz wenigen Pfeifen.“<br />
„Ach Lilli, du kennst doch unsere<br />
Münsterorgel“, sagt Franz. „Sie gehört zu<br />
den größten Instrumenten, die je gebaut<br />
wurden. Die zahlreichen Pfeifen, dazu die<br />
vielen Register mit denen sich der Klang<br />
der Orgel ändern lässt. Das hört sich dann<br />
mal wie dröhnende Trompeten, mal wie<br />
ein helles Glockenspiel an. Mit der Orgel<br />
kann man sehr <strong>gut</strong> andere Instrumente<br />
nachmachen. - Übrigens, wusstest du<br />
eigentlich, dass die größte Orgelpfeife<br />
nicht aus Metall, sondern aus Holz<br />
besteht? Das ist die, hinter der du immer<br />
schläfst, die so aussieht wie ein riesig<br />
hoher schmaler Schrank. <strong>Ihr</strong> Ton klingt wie<br />
ein dumpfes Brummen. Wenn ich sie<br />
anspiele, zittert der ganze Orgelboden.“<br />
„Ich erinnere mich, davon hast du mir<br />
schon einmal erzählt. Und auch, dass die<br />
allerkleinste Orgelpfeife weniger als einen<br />
Zentimeter groß ist, und ihr Ton so hoch,<br />
dass nur noch wir Fledermäuse ihn mit<br />
unserem feinen Gehör hören können.“<br />
„Na ja, so ganz stimmt das nicht,<br />
außer dir können auch Menschen mit<br />
<strong>gut</strong>em Gehör die kleinsten Pfeifen hören.<br />
KINDERSEITE<br />
Kinder haben meistens noch sehr <strong>gut</strong>e<br />
Ohren, wenn auch nicht so schöne große,<br />
wie du. Bei mir ist das anders. Ich bin ein<br />
alter Mann, und meine Ohren nehmen die<br />
höchsten Töne schon lange nicht mehr<br />
wahr. Trotzdem spiele ich sie, weil erst der<br />
Klang aller Pfeifen dafür sorgt, dass die<br />
Musik im Münster so besonders schön<br />
und feierlich erklingt. Deswegen nennt<br />
man die Orgel oft die Königin unter den<br />
Musikinstrumenten.“<br />
Lilli überlegt eine Weile. Franz hat<br />
recht. Auch sie hört der Orgelmusik gerne<br />
zu, wenn sie nicht gerade dadurch geweckt<br />
wird. Vor allem wenn Franz spielt.<br />
Plötzlich kommt ihr ein Gedanke:<br />
Vielleicht soll ich mir einen anderen<br />
Schlafplatz suchen; so einen gemütlichen,<br />
wie mein bisheriger, aber viel leiser. Nach<br />
kurzem Überlegen beschließt Lilli, ihre<br />
Idee in die Tat umzusetzen. Von ihren Eltern<br />
und Drago braucht sie sich nicht verabschieden,<br />
so tief wie die drei schlafen.<br />
<strong>Ihr</strong>e Familie würde sie abends wiedersehen.<br />
Also verabschiedet sie sich von<br />
Franz, der bereits wieder ganz in seine<br />
Musik vertieft ist, und fliegt über die<br />
Brüstung hinweg in den Kirchenraum hinein.<br />
Kathrin Schulthess<br />
(Text), Michael<br />
Döhmann<br />
(Illustration):<br />
„Lilli Langohr,<br />
die Münsterfledermaus“,<br />
50 S. mit<br />
30 Farb-Aquarellen,<br />
168x240<br />
mm, ISBN 978-3-<br />
932577-59-8, 9,80<br />
€, ab 27. Oktober<br />
im Handel.<br />
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