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DER ROTE FADEN - Anette Kramme

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desverfassungsgericht hat gefordert, dass der Gesetzgeber<br />

Maßnahmen zur Wahrung der Tarifautonomie treffen<br />

muss, wenn sich zeigen sollte, dass in der Folge dieser<br />

Regelung strukturelle Ungleichheiten der Tarifvertragspar-<br />

teien auftreten, die ein ausgewogenes Aushandeln der<br />

Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nicht mehr zulassen.<br />

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist kein Freibrief<br />

dafür, alles so zu lassen, wie es ist. Es impliziert den<br />

Auftrag an den Gesetzgeber, sehr genau zu überprüfen,<br />

ob das Kräftegleichgewicht der Tarifvertragsparteien noch<br />

gewahrt ist. Wenn die Streikfähigkeit der Gewerkschaften<br />

infolge des Streikparagrafen nicht mehr gegeben ist,<br />

muss der Gesetzgeber eingreifen. Wir werden deshalb<br />

jederzeit genau überprüfen, ob eine Beeinträchtigung der<br />

Gewerkschaften durch § 146 SGB III stattfindet. Wir stehen<br />

für die Tarifautonomie und wollen die Gewerkschaften<br />

als starke Verhandlungspartner. Die aktuelle Schwäche<br />

der Gewerkschaften steht aber in keinem ersichtlichen<br />

Zusammenhang zur Regelung des § 146 SGB III.<br />

Wir haben in diesem Hause schon oft über das Für und<br />

Wider von Streiks debattiert. Wenn man Außenstehende<br />

nach ihrer Meinung fragt, dann heißt es immer wieder:<br />

Streik ist schlecht; denn Streik verhindert Produktion,<br />

kostet Geld, schadet oft Unbeteiligten und schädigt die<br />

Volkswirtschaft. Das mag richtig sein. Richtig ist aber<br />

auch, dass Streik das allerletzte Mittel von Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmern ist, um ihren berechtigten Forderungen<br />

Ausdruck zu verleihen.<br />

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)<br />

Tarifvertragsverhandlungen führen die Gewerkschaften<br />

dann wirkungsvoll, wenn sie mit einem Streik drohen<br />

können. Deshalb ist das Streikrecht im Grundgesetz verankert.<br />

Im übrigen Europa und in allen anderen zivilisierten<br />

Ländern dieser Welt ist die Rechtslage nicht anders.<br />

Die Bundesrepublik Deutschland ist kein rechtlicher Sonderfall,<br />

auch wenn viele das so sehen wollen. Ein Streikrecht<br />

zu haben, macht nur Sinn, wenn auch die Fähigkeit<br />

zum Streik besteht. Vor diesem Hintergrund sind Ihre<br />

Äußerungen, meine Damen und Herren von der FDP,<br />

unerträglich.<br />

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Na, na!)<br />

Die Besteuerung von Streikgeldern zu fordern, ist schlicht<br />

eine Unverschämtheit.<br />

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Dr. Heinrich L. Kolb<br />

[FDP]: Frau Kollegin, zügeln Sie sich!)<br />

Diese Forderung zielt einzig und allein darauf ab, der<br />

Arbeitnehmerseite und den Gewerkschaften einen Stock<br />

zwischen die Beine zu werfen und sie zu schwächen. Die<br />

FDP ist es auch, die die Gewerkschaften als Plage bezeichnet.<br />

Meine Damen und Herren von der FDP, Sie benutzen<br />

regelmäßig schwierige tarifpolitische Auseinandersetzungen<br />

dazu, die Tarifautonomie infrage zu stellen und den<br />

politischen Einfluss der Gewerkschaften in dieser Republik<br />

auf null zurückzufahren. In diese Richtung zielt auch<br />

Ihr vorliegender Antrag, der so überflüssig wie ein Kropf<br />

ist.<br />

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Markus Kurth<br />

[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]:<br />

Gucken Sie sich mal die Ratten auf den Müllbergen an!)<br />

Die Rechtslage ist eindeutig. In lebenswichtigen Bereichen<br />

sind die Gewerkschaften verpflichtet, einen Notdienst<br />

einzurichten, um Schäden von der Allgemeinheit<br />

und besonders schützenswerten Dritten abzuwenden.<br />

Ausgabe März / April / Mai 2006<br />

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wie war das auf den Autobahnen,<br />

als nicht geräumt wurde? - Hartfrid Wolff [Rems-<br />

Murr] [FDP]: Die Polizei musste den Winterdienst sicherstellen!)<br />

Geschieht das nicht, dann haftet die Gewerkschaft. Wird<br />

kein Notdienst eingerichtet und ergeben sich daraus konkrete<br />

Gefährdungen für die Allgemeinheit, so steht ein<br />

Einschreiten der Polizei in jedem Fall in deren Ermessen.<br />

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben das sehr konkret<br />

erlebt! Da brauchen wir uns nichts vorzugaukeln!)<br />

- Sie, meine Damen und Herren von der FDP, gaukeln<br />

den Bürgern und Bürgerinnen nur vor, dass die Streiks im<br />

öffentlichen Dienst eine Gefahr für Leib und Leben darstellen.<br />

Das ist schlichtweg falsch.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Arbeitgeber und Verdi haben bekanntlich Notdienstvereinbarungen<br />

abgeschlossen. Dadurch ist die Gesundheitsversorgung<br />

der Patienten und Patientinnen gesichert.<br />

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nicht überall!)<br />

Bei winterlichen Straßenverhältnissen rücken auch die<br />

Autobahnmeistereien aus.<br />

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn sie die Streumittel<br />

haben! - Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Wenn sie auch<br />

streiken, nicht!)<br />

Die Tarifautonomie hat einen großen Beitrag dazu geleistet,<br />

den sozialen Frieden in unserem Land dauerhaft herzustellen<br />

und soziale Konflikte auf eine geregelte Art und<br />

Weise auszutragen. Davon profitieren auch die Unternehmen.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Im Hinblick auf das Arbeitskampfrecht ist Deutschland die<br />

"weiße Krähe" unter den europäischen Ländern. Man<br />

muss intensiv suchen, um in Europa ein Land zu finden,<br />

in dem das Streikrecht so stark einschränkenden Regelungen<br />

unterworfen ist und zugleich die Aussperrung<br />

zugelassen ist oder zumindest praktiziert wird.<br />

(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Wo haben Sie nach<br />

den Regeln gesucht? - Gegenruf des Abg. Klaus Brandner<br />

[SPD]: Aber das ist die Wahrheit!)<br />

Ich fände es nur angemessen, wenn führende Verbandsvertreter<br />

der Arbeitgeberseite einmal auf diesen Vorteil<br />

des Wirtschaftsstandorts Deutschland hinweisen würden.<br />

Stattdessen kommt es immer wieder zu unerträglichen<br />

Äußerungen.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Der frühere BDI-Präsident Rogowski verkündete öffentlich,<br />

dass er aus den Tarifverträgen und dem Betriebsverfassungsgesetz<br />

am liebsten ein Lagerfeuer machen würde.<br />

Die Mitbestimmung sieht er als einen Irrtum der Geschichte<br />

an.<br />

(Klaus Brandner [SPD]: Widerwärtig! - Klaus Uwe Benneter<br />

[SPD]: Das sind die Zündler!)<br />

Der Streik im öffentlichen Dienst ist jetzt in der sechsten<br />

Woche. Es ist an der Zeit, die verfahrene Situation aufzulösen.<br />

Auf kommunaler Ebene deuten sich Lösungen an.<br />

Die Länder sollten dem Beispiel der Kommunen folgen<br />

und einen Schlichter einsetzen. Daran ist weiß Gott nichts<br />

Ehrenrühriges. Deshalb fordere ich Sie auf, Herr Möllring:<br />

Lenken Sie ein und stellen Sie sich dem Schlichter!<br />

Vielen Dank.<br />

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der FDP: Das ist aber<br />

jetzt ein Eingriff in die Tarifautonomie!)<br />

- Nein.<br />

Der Rote Faden 13

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