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desverfassungsgericht hat gefordert, dass der Gesetzgeber<br />
Maßnahmen zur Wahrung der Tarifautonomie treffen<br />
muss, wenn sich zeigen sollte, dass in der Folge dieser<br />
Regelung strukturelle Ungleichheiten der Tarifvertragspar-<br />
teien auftreten, die ein ausgewogenes Aushandeln der<br />
Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nicht mehr zulassen.<br />
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist kein Freibrief<br />
dafür, alles so zu lassen, wie es ist. Es impliziert den<br />
Auftrag an den Gesetzgeber, sehr genau zu überprüfen,<br />
ob das Kräftegleichgewicht der Tarifvertragsparteien noch<br />
gewahrt ist. Wenn die Streikfähigkeit der Gewerkschaften<br />
infolge des Streikparagrafen nicht mehr gegeben ist,<br />
muss der Gesetzgeber eingreifen. Wir werden deshalb<br />
jederzeit genau überprüfen, ob eine Beeinträchtigung der<br />
Gewerkschaften durch § 146 SGB III stattfindet. Wir stehen<br />
für die Tarifautonomie und wollen die Gewerkschaften<br />
als starke Verhandlungspartner. Die aktuelle Schwäche<br />
der Gewerkschaften steht aber in keinem ersichtlichen<br />
Zusammenhang zur Regelung des § 146 SGB III.<br />
Wir haben in diesem Hause schon oft über das Für und<br />
Wider von Streiks debattiert. Wenn man Außenstehende<br />
nach ihrer Meinung fragt, dann heißt es immer wieder:<br />
Streik ist schlecht; denn Streik verhindert Produktion,<br />
kostet Geld, schadet oft Unbeteiligten und schädigt die<br />
Volkswirtschaft. Das mag richtig sein. Richtig ist aber<br />
auch, dass Streik das allerletzte Mittel von Arbeitnehmerinnen<br />
und Arbeitnehmern ist, um ihren berechtigten Forderungen<br />
Ausdruck zu verleihen.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)<br />
Tarifvertragsverhandlungen führen die Gewerkschaften<br />
dann wirkungsvoll, wenn sie mit einem Streik drohen<br />
können. Deshalb ist das Streikrecht im Grundgesetz verankert.<br />
Im übrigen Europa und in allen anderen zivilisierten<br />
Ländern dieser Welt ist die Rechtslage nicht anders.<br />
Die Bundesrepublik Deutschland ist kein rechtlicher Sonderfall,<br />
auch wenn viele das so sehen wollen. Ein Streikrecht<br />
zu haben, macht nur Sinn, wenn auch die Fähigkeit<br />
zum Streik besteht. Vor diesem Hintergrund sind Ihre<br />
Äußerungen, meine Damen und Herren von der FDP,<br />
unerträglich.<br />
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Na, na!)<br />
Die Besteuerung von Streikgeldern zu fordern, ist schlicht<br />
eine Unverschämtheit.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Dr. Heinrich L. Kolb<br />
[FDP]: Frau Kollegin, zügeln Sie sich!)<br />
Diese Forderung zielt einzig und allein darauf ab, der<br />
Arbeitnehmerseite und den Gewerkschaften einen Stock<br />
zwischen die Beine zu werfen und sie zu schwächen. Die<br />
FDP ist es auch, die die Gewerkschaften als Plage bezeichnet.<br />
Meine Damen und Herren von der FDP, Sie benutzen<br />
regelmäßig schwierige tarifpolitische Auseinandersetzungen<br />
dazu, die Tarifautonomie infrage zu stellen und den<br />
politischen Einfluss der Gewerkschaften in dieser Republik<br />
auf null zurückzufahren. In diese Richtung zielt auch<br />
Ihr vorliegender Antrag, der so überflüssig wie ein Kropf<br />
ist.<br />
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Markus Kurth<br />
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]:<br />
Gucken Sie sich mal die Ratten auf den Müllbergen an!)<br />
Die Rechtslage ist eindeutig. In lebenswichtigen Bereichen<br />
sind die Gewerkschaften verpflichtet, einen Notdienst<br />
einzurichten, um Schäden von der Allgemeinheit<br />
und besonders schützenswerten Dritten abzuwenden.<br />
Ausgabe März / April / Mai 2006<br />
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wie war das auf den Autobahnen,<br />
als nicht geräumt wurde? - Hartfrid Wolff [Rems-<br />
Murr] [FDP]: Die Polizei musste den Winterdienst sicherstellen!)<br />
Geschieht das nicht, dann haftet die Gewerkschaft. Wird<br />
kein Notdienst eingerichtet und ergeben sich daraus konkrete<br />
Gefährdungen für die Allgemeinheit, so steht ein<br />
Einschreiten der Polizei in jedem Fall in deren Ermessen.<br />
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben das sehr konkret<br />
erlebt! Da brauchen wir uns nichts vorzugaukeln!)<br />
- Sie, meine Damen und Herren von der FDP, gaukeln<br />
den Bürgern und Bürgerinnen nur vor, dass die Streiks im<br />
öffentlichen Dienst eine Gefahr für Leib und Leben darstellen.<br />
Das ist schlichtweg falsch.<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
Arbeitgeber und Verdi haben bekanntlich Notdienstvereinbarungen<br />
abgeschlossen. Dadurch ist die Gesundheitsversorgung<br />
der Patienten und Patientinnen gesichert.<br />
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nicht überall!)<br />
Bei winterlichen Straßenverhältnissen rücken auch die<br />
Autobahnmeistereien aus.<br />
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn sie die Streumittel<br />
haben! - Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Wenn sie auch<br />
streiken, nicht!)<br />
Die Tarifautonomie hat einen großen Beitrag dazu geleistet,<br />
den sozialen Frieden in unserem Land dauerhaft herzustellen<br />
und soziale Konflikte auf eine geregelte Art und<br />
Weise auszutragen. Davon profitieren auch die Unternehmen.<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
Im Hinblick auf das Arbeitskampfrecht ist Deutschland die<br />
"weiße Krähe" unter den europäischen Ländern. Man<br />
muss intensiv suchen, um in Europa ein Land zu finden,<br />
in dem das Streikrecht so stark einschränkenden Regelungen<br />
unterworfen ist und zugleich die Aussperrung<br />
zugelassen ist oder zumindest praktiziert wird.<br />
(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Wo haben Sie nach<br />
den Regeln gesucht? - Gegenruf des Abg. Klaus Brandner<br />
[SPD]: Aber das ist die Wahrheit!)<br />
Ich fände es nur angemessen, wenn führende Verbandsvertreter<br />
der Arbeitgeberseite einmal auf diesen Vorteil<br />
des Wirtschaftsstandorts Deutschland hinweisen würden.<br />
Stattdessen kommt es immer wieder zu unerträglichen<br />
Äußerungen.<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
Der frühere BDI-Präsident Rogowski verkündete öffentlich,<br />
dass er aus den Tarifverträgen und dem Betriebsverfassungsgesetz<br />
am liebsten ein Lagerfeuer machen würde.<br />
Die Mitbestimmung sieht er als einen Irrtum der Geschichte<br />
an.<br />
(Klaus Brandner [SPD]: Widerwärtig! - Klaus Uwe Benneter<br />
[SPD]: Das sind die Zündler!)<br />
Der Streik im öffentlichen Dienst ist jetzt in der sechsten<br />
Woche. Es ist an der Zeit, die verfahrene Situation aufzulösen.<br />
Auf kommunaler Ebene deuten sich Lösungen an.<br />
Die Länder sollten dem Beispiel der Kommunen folgen<br />
und einen Schlichter einsetzen. Daran ist weiß Gott nichts<br />
Ehrenrühriges. Deshalb fordere ich Sie auf, Herr Möllring:<br />
Lenken Sie ein und stellen Sie sich dem Schlichter!<br />
Vielen Dank.<br />
(Beifall bei der SPD - Zuruf von der FDP: Das ist aber<br />
jetzt ein Eingriff in die Tarifautonomie!)<br />
- Nein.<br />
Der Rote Faden 13