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(Fortsetzung von S.28)<br />
Ein Verhandlungsführer von außen sei diesem Druck<br />
nicht ausgesetzt. „Wir können nicht auffangen, was die<br />
gesetzliche Seite nicht vollbringt“, richtete Wankel Kritik<br />
an die Politiker und nannte als Beispiel eine Regelung,<br />
nach der die Firma Electrolux die Kosten für die Verlagerung<br />
des AEG-Werks nach Polen in Höhe von 247 Millionen<br />
Euro auch noch abschreiben könne.<br />
Für CSU-Bundestagsabgeordneten Thomas Silberhorn<br />
stand die Zukunft des Flächentarifvertrags außer Frage.<br />
Er forderte aber, dass man betriebliche Bündnisse „aus<br />
der Grauzone herausholen und legitimieren sollte“. Viele<br />
Handlungsmöglichkeiten habe die deutsche Politik nicht.<br />
Kapital sei flexibel. „Wir können mit staatlichen Regelungen<br />
die Unternehmer nicht aufhalten“, sagte Silberhorn.<br />
Wohl aber müsse die europäische Strukturförderung an<br />
die Schaffung neuer Arbeitplätze geknüpft werden.<br />
Auf Konfrontation zu ihrem Berliner Koalitionskollegen<br />
ging die SPD-Abgeordnete <strong>Anette</strong> <strong>Kramme</strong>. Die Gewerkschaften<br />
befänden sich in einer Defensivsituation. Früher<br />
habe es Tarifabschlüsse auf überörtlicher Ebene gegeben,<br />
heute sei ein verstärkter Kampf vor Ort zu registrieren.<br />
Auch in Oberfranken umgingen Betriebe gezielt Tarifverträge,<br />
die mehr als 50 Jahre den sozialen Frieden<br />
erhalten hätten. „Betriebliche Bündnisse darf es nicht<br />
geben“, forderte <strong>Kramme</strong>, denn Tarifverträge würden<br />
sonst zur unverbindlichen Meinungsäußerung werden.<br />
Gelegenheit, ihre Meinung zu äußern, hatten auch die<br />
zahlreichen Zuhörer. Die Kritik richtete sich dabei oft an<br />
den CSU-Abgeordneten Thomas Silberhorn, der an diesem<br />
Abend keinen leichten Stand hatte. „Herr Silberhorn,<br />
was würden sie sagen, wenn es heißt: Bitte verzichten sie<br />
auf 15 Prozent ihres Gehalts, oder wir verlagern das Par-<br />
... Veranstaltung der SPD-Auerbach zu Hartz IV<br />
Nordbayerischer Kurier/Pegnitz vom 03.05.2006, S.43<br />
Debatte zu Hartz IV<br />
Ott bei <strong>Kramme</strong>-Besuch: Kommunen werden belastet<br />
Ausgabe März / April / Mai 2006<br />
lament nach Prag?“ So beispielsweise lautete die Frage<br />
des Betriebsratsvorsitzenden des Automobilzulieferers<br />
Brose. Silberhorn ließ sich, unterstützt von Moderator<br />
Manfred Böhm von der Katholischen Betriebsseelsorge,<br />
nicht aus der Ruhe bringen. Betriebsverlagerungen könnten<br />
oft nicht verhindert werden, aber es müsse versucht<br />
werden, solche nicht mit EU-Geldern zu subventionieren.<br />
In ihren Schlussworten sprachen sich Pollert und Silberhorn<br />
noch einmal für betriebliche Bündnisse aus. <strong>Kramme</strong><br />
dagegen wollte „in irgendeiner Form zu Mindestlöhnen<br />
kommen“. Sybille Wankel verwies darauf, dass der Flächentarifvertrag<br />
nie ein Grund sei, dass Arbeitsplätze<br />
abgebaut würden, Fehlentscheidungen im Management<br />
führten zu roten Zahlen in den Betrieben, nicht das Urlaubsgeld.<br />
Letztlich müsse man auch betriebliche Bündnisse<br />
unter die Lupe nehmen, sagte die Jurstin der IG-<br />
Metall. „Sie sind keine Geldbeschaffungsmaschine zur<br />
Renditeverbesserung“.<br />
Das Abkommen<br />
Im so genannten Pforzheimer Abkommen vom Februar<br />
2004 hatten IG Metall und Arbeitgeberverbände erstmals<br />
eine Öffnung des Flächentarifs vereinbart. Die Vereinbarung<br />
sieht vor, dass Betriebe befristet von geltenden Tarifverträgen<br />
abweichen dürfen, wenn begründete Wettbewerbsnachteile<br />
(zum Beispiel negative Unternehmenszahlen)<br />
vorliegen. Solche Abweichungen sind etwa die Kürzung<br />
von Sonderzahlungen oder die Erhöhung der Arbeitszeit<br />
ohne vollen Lohnausgleich. Die Öffnungsklausel<br />
soll in erster Linie dazu beitragen, Arbeitsplätze abzusichern.<br />
Von der Regelung haben schon Konzerne wie<br />
Siemens, Daimler Chrysler oder MAN Gebrauch gemacht.<br />
Auerbach. An ihre Wahlkreistour schloss die Bayreuther Bundestagsabgeordnete <strong>Anette</strong> <strong>Kramme</strong> eine Reihe<br />
von Informationsterminen in der oberpfälzischen Nachbarschaft an. Dabei machte sie auch Station bei der SPD<br />
Auerbach und referierte über die „Hartz-IV-Regelungen“ und die derzeit laufenden Beratungen zu deren Weiterentwicklung.<br />
Sie wollte damit auch Missverständnisse ausräumen mit Blick auf die Zumutbarkeit von Tätigkeiten oder den Bezug von<br />
Hartz IV neben ausgeübten Arbeiten. Sie erläuterte in Beispielrechnungen den Abzug von Steuern, öffentlichen und<br />
privaten Versicherungen wie auch der Werbungskosten. Darüber hinaus erläuterte sie auch die Anrechnung von Wohnungs-<br />
und Grundstückseigentum sowie die Verpflichtung zur Nutzung von Ertragsquellen wie etwa die Vermietung von<br />
Wohneigentum.<br />
Auerbachs Bürgermeister Helmut Ott beklagte bei der offenen Aussprache, dass im neuen Haushaltsplan des Landkreises<br />
allein wegen Hartz IV eine um etwa 2,5 Prozent höhere Belastung der Kommunen in der Kreisumlage zu erwarten<br />
ist. Mit Nachdruck wandte er sich gegen Bundesgesetze, die gegen den Grundgedanken der Konnexität die Kassen der<br />
Kommunen belasten. Dem entgegnete MdB <strong>Kramme</strong> jedoch, dass der Städtetag von einer Entlastung der Kommunen<br />
durch Hartz IV spricht. Und dass es laut Grundgesetz keine Handhabe gebe, nach der der Bund Einfluss nehmen könnte<br />
auf die Finanzen der Kommunen. Vielmehr statte der Freistaat seine Kommunen nur unzureichend aus.<br />
MdL Reinhold Strobl verwies auf den Ausgleichsfonds des Bundes, der geschaffen wurde, um sicherzustellen, dass<br />
keine Kommune mit Hartz-IV-Kosten belastet wird. Alfred Melchner beklagte die Pauschalzahlungen an die gesetzliche<br />
Rentenversicherung bei Hartz-IV-Empfängern. Hochoffiziell nahm schließlich <strong>Anette</strong> <strong>Kramme</strong> von Bürgermeister Ott eine<br />
Abschrift des Antrags der Stadt Auerbach an das Bundesfinanzministerium auf Ausgleichszahlungen für Sonderbelastungen<br />
durch den Truppenübungsplatz Grafenwöhr entgegen – sie soll dieses Anliegen in Berlin unterstützen.<br />
Der Rote Faden 29