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DER ROTE FADEN - Anette Kramme

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EU-Dienstleistungrichtlinie<br />

Bayreuth. Randale mag sie nicht.<br />

Aber die massiven Proteste in<br />

Berlin und Straßburg gegen die<br />

damals noch diskutierte Version<br />

der EU-Dienstleistungsrichtlinie<br />

haben Evelyne Gebhardt den Rücken<br />

gestärkt. Die Frau ist sozialdemokratische<br />

Berichterstatterin<br />

für die EU-Dienstleistungsrichtlinie<br />

im Europaparlament, für sie<br />

ist vor allem eines wichtig: „Das<br />

Herkunftslandprinzip ist vom Tisch<br />

und kommt auch nicht wieder.“<br />

Reizwort Herkunftslandprinzip: Darauf<br />

hatte die öffentliche Wahrnehmung<br />

die Richtlinie in der Vergangenheit<br />

zumeist verkürzt. Die Aufregung<br />

war groß – von Lohn- und Sozialdumping<br />

war die Rede. Was, wenn<br />

etwa Handwerker zu den Konditionen<br />

ihres Herkunftslandes auf dem deutschen<br />

Markt arbeiten könnten? Nicht<br />

alles davon traf die Realität – die<br />

europäische Entsenderichtlinie und<br />

die für die jüngst beigetretenen EU-<br />

Staaten geltenden Übergangsregelungen<br />

mildern die Unterschiede.<br />

Dennoch: Aus einer „schlimmen<br />

Philosophie“ sei der Gedanke des<br />

Herkunftslandprinzips geboren worden,<br />

sagte die Sozialdemokratin<br />

Evelyne Gebhardt, die Bayreuth am<br />

Mittwoch auf Einladung der SPD-<br />

Bundestagsabgeordneten <strong>Anette</strong><br />

<strong>Kramme</strong> besuchte und mit Vertretern<br />

der Gewerkschaften und der Kammern<br />

zu einem Gedankenaustausch<br />

zusammentraf. „Die sozialen Systeme<br />

der Mitgliedsstaaten in Wettbewerb<br />

zu stellen, löst automatisch<br />

einen Sog nach unten aus.“<br />

Um nicht missverstanden zu werden:<br />

Evelyne Gebhardt ist eine erklärte<br />

Vermischtes<br />

Nordbayerischer Kurier vom 25./26.05.2006, S.21<br />

Wenn Europa Angst macht<br />

Evelyne Gebhardt und ihr Kampf gegen das Herkunftslandprinzip<br />

Zur Forderung von Bundeswirtschaftsminister Michael<br />

Glos (CSU), ein Wahlrecht zwischen Kündigungsschutz<br />

und Abfindung bei neu abgeschlossenen Arbeitsverträgen<br />

einzuführen, erklärt die arbeitsmarktpolitische Sprecherin<br />

der SPD-Landesgruppe, <strong>Anette</strong> <strong>Kramme</strong>, MdB:<br />

„Der Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Michael<br />

Glos, Arbeitnehmer sollten künftig bei der Einstellung<br />

zwischen einer Abfindung und dem Kündigungsschutz<br />

wählen können, ist schlicht ein Skandal. In der Phase<br />

des Vertragsabschlusses herrscht ein strukturelles Ungleichgewicht<br />

zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.<br />

Letzterer hat daher nur die Wahl, auf das Angebot des<br />

Befürworterin des Wettbewerbs,<br />

sofern der fair bleibt. Deshalb hat sie<br />

sich mit einem Wettbewerbsargument<br />

am Ende durchsetzen können und<br />

das Herkunftslandprinzip gekippt.<br />

„Dienstleistung ist in der Europäischen<br />

Union noch immer nicht frei“,<br />

so die Politikerin bei ihrem Bayreuth-<br />

Besuch. „Vielmehr ist Protektionismus<br />

in den EU-Mitgliedsstaaten an<br />

der Tagesordnung. Dagegen müssen<br />

wir vorgehen.“ Das hat für sie Priorität,<br />

weil es den Zielen der Dienstleistungsrichtlinie<br />

weitaus besser diene,<br />

als europaweit Sozialstandards absacken<br />

zu lassen.<br />

Perfekt, das weiß Evelyne Gebhardt<br />

nur zu genau, ist die veränderte, vom<br />

Europaparlament demnächst in zweiter<br />

Lesung zu beschließende Dienstleistungsrichtlinie<br />

trotzdem nicht.<br />

Dass etwa die Veränderung der Entsenderichtlinie<br />

aus der Dienstleistungsrichtlinie<br />

gestrichen und damit<br />

eine Verschlechterung durch die kalte<br />

Küche verhindert wurde, haben sich<br />

die sozialdemokratischen EU-<br />

Parlamentarier teuer erkauft. Die<br />

Kommission hat die Entsenderichtlinie<br />

plötzlich zu ihrer Angelegenheit<br />

erklärt und eine Interpretation vorgelegt,<br />

die nach Meinung Evelyne Gebhardts<br />

und <strong>Anette</strong> <strong>Kramme</strong>s deutlich<br />

hinter dem bisherigen Standard zurückbleibt.<br />

Die Kommission könne<br />

sich schon mal auf einen heißen<br />

Tanz einstellen, kündigte die EU-<br />

Parlamentarierin an. Einen solchen<br />

Handstreich unter Umgehung von<br />

gesetzgeberischen Abläufen werde<br />

weder das Europaparlament noch der<br />

Ministerrat hinnehmen.<br />

P R E S S E M I T T E I L U N G<br />

Abfindungsoption ist Skandal<br />

Ausgabe März / April / Mai 2006<br />

Tatsächlich seien die Versuche mancher<br />

EU-Mitgliedsländer, ihre Betriebe<br />

gegen Mitbewerber aus Europa zu<br />

schützen, schlicht schikanös, sagte<br />

Handwerkskammer-<br />

Hauptgeschäftsführer Horst Eggers.<br />

Die Kammer vertrete die Auffassung,<br />

das „dass Recht der Baustelle“ gelten<br />

müsse. Deshalb sei ihm das Herkunftslandprinzip<br />

ein Dorn im Auge<br />

gewesen, so Eggers. Festzuhalten<br />

bleibe aber auch, dass die aufgeregte<br />

öffentliche Diskussion zuletzt nicht<br />

wirklich sachgerecht verlief. Eggers:<br />

„Der Zeitpunkt war unglücklich. Die<br />

Öffentlichkeit hat das Thema mit der<br />

EU-Osterweiterung verbunden.“<br />

Eine konträre Position bezog der<br />

Hauptgeschäftsführer der Industrie-<br />

und Handelskammer für Oberfranken,<br />

Joachim Hunger. Er bedauere, dass<br />

das Herkunftslandprinzip ausgehöhlt<br />

worden sei. Die Begriffe Lohn- und<br />

Sozialdumping seien in der politischen<br />

und in der öffentlichen Debatte<br />

missbraucht worden. „Es hätte deutlich<br />

mehr Chancen als Risiken bedeutet,<br />

bei der Dienstleistungsrichtlinie<br />

liberaler zu sein.“ Tatsächlich sei<br />

die jetzige, nicht optimale Regelung<br />

zur Förderung der Dienstleistungsfreiheit<br />

in Europa aber besser als gar<br />

keine. Und: In fünf Jahren stehe sie ja<br />

wieder auf dem Prüfstand.<br />

Vor einer Zunahme der Schwarzarbeit<br />

auf Baustellen in Oberfranken<br />

warnte Paul Schmid, Bezirksgeschäftsführer<br />

der IG BAU Oberfranken.<br />

„Setzt sich die EU-Kommission<br />

mit ihren Vorstellungen durch, sind<br />

effektive Kontrollen und eine anschließende<br />

Strafverfolgung kaum<br />

noch möglich.“<br />

Arbeitnehmers einzugehen oder auf den Arbeitsplatz zu<br />

verzichten. Welcher Arbeitgeber wird den vermeintlichen<br />

Prozesshansel einstellen? Wer sich für den Kündigungsschutz<br />

entscheidet, wird keinen Arbeitsplatz bekommen.<br />

Die Forderung von Bundeswirtschaftsminister Michael<br />

Glos widerspricht dem Koalitionsvertrag. An die darin<br />

geregelten Vereinbarungen muss sich auch Herr Glos<br />

halten. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen<br />

Rechte und Sicherheit für ihre Zukunftsplanung.<br />

Der Kündigungsschutz darf nicht durch eine Abfindungsoption<br />

ausgehebelt werden.“<br />

Bayreuth, den 03.03.2006<br />

Der Rote Faden 20

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