100 Jahre Baptistengemeinde Göttingen - Baptisten Göttingen
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Kriegsgefangenen. Die vorsichtigen Engländer trauten den deutschen Soldaten<br />
noch immer alles zu und befürchteten, die ehemaligen Gefangenen könnten eine<br />
Bürgerkriegsarmee aufstellen, die dann in Westdeutschland eingesetzt werden<br />
sollte. Als die ersten 1200 deutschen ehemaligen Soldaten an der Grenze bei<br />
Besenhausen eintrafen, standen fünf britische Panzer schußbereit. Eine<br />
ausgeschwärmte Kompanie lag mit schweren und leichten Maschinengewehren<br />
gefechtsbereit in der Deckung. Schweigend nahten die Marschblöcke, je fünf Mann<br />
nebeneinander. Russische Posten hoben den Schlagbaum, und lähmendes<br />
Entsetzen packte alle, die den Transport erwarteten. Es waren keine kampfbereiten<br />
Soldaten, die da zurückkehrten, sondern es schleppten sich müde, erschöpfte und<br />
ausgemergelte Männer an Krücken und Stöcken mühsam voran und trugen mit<br />
letzten Kräften Kameraden, die zusammengebrochen waren. Beschämt kamen die<br />
Engländer aus der Deckung. Der Lautsprecher, der für die Begrüßungsansprache des<br />
Lagerkommandanten mit an die Grenze gefahren worden war, blieb stumm. Niemand<br />
fand Worte, als diese vielen Menschenwracks in Erscheinung traten, wie sie der<br />
Westen auf einmal noch nicht gesehen hatte: demontierte Menschen, demontiert bis<br />
auf die Knochen, die dort schweigend vorbeizogen. Eine Schwester vom Roten<br />
Kreuz, die mit brüchiger Stimme "Willkommen in der Heimat, Kameraden!" rief, erhielt<br />
von diesen furchtsam-scheuen Gestalten mit ihren stieren Blicken keine Antwort. Karl<br />
Caspari: "Noch Stunden nach dem Grenzübertritt blieb der Todesbann auf<br />
diesen Menschen, die Glauben und Hoffnung verloren zu haben schienen,<br />
haften. Sie konnten nicht mehr erfassen, daß es noch Freiheit gab und sie im<br />
Begriff standen, in diese - wenn auch nur äußere und oft recht fragwürdige -<br />
Freiheit einzutreten."<br />
Die Gottesdienste im Kreise dieser Heimgekehrten wurden bald zu Lob- und<br />
Dankgottesdiensten. Die Lieder "Großer Gott, wir loben dich" und 'Nun danket alle<br />
Gott" hatten plötzlich eine handfeste Bedeutung, die vielen Menschen hier in den<br />
Gottesdiensten unter Tränen bewußt wurde.<br />
In zahlreichen <strong><strong>Baptisten</strong>gemeinde</strong>n wurden zur Finanzierung der diakonischen und<br />
geistlichen Arbeit in Friedland Sammlungen durchgeführt. Mitte 1949 wollten die<br />
"Bruderhilfe" in Dillenburg und die Bundesleitung der deutschen <strong><strong>Baptisten</strong>gemeinde</strong>n,<br />
die Leitung des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland, die<br />
Finanzierung auslaufen lassen, weil man der Ansicht war, daß diese vorübergehende<br />
Arbeit nun zu Ende gehen sollte, um weitere Geldmittel für andere Aufgaben zu<br />
haben. Damals schrieb Pastor Werner Klein einen flammenden Brief an die Träger<br />
der Friedlandhilfe, um die Arbeit fortsetzen zu können. Dabei betonte er die gute<br />
ökumenische Zusammenarbeit mit den anderen Kirchen und den Hilfsorganisationen<br />
im Lager. In einem unterstützenden Begleitschreiben des katholischen Lagerpfarrers<br />
Dr. Krahe betont dieser, daß die Stärke der Hilfsverbände oder Wohlfahrtsverbände<br />
im Lager "wesentlich durch die enge Zusammenarbeit und eingutes Verstehen der<br />
Leiter der einzelnen Verbände untereinander" begründet sei. "Wir dürfen wohl<br />
sagen, dass die Arbeit der Verbände der gesamten Lagerarbeit ihr 'Gesicht', ihre<br />
besondere Eigenart gegeben hat. Der Wegfall eines Verbandes würde meiner<br />
Meinung nach nicht die anderen Verbände stärken, sondern ihre gesamte<br />
Bedeutung schwächen." Das Werben zeigte Wirkung: Die Arbeit lief bis Ende 1951<br />
weiter.