02.12.2012 Aufrufe

100 Jahre Baptistengemeinde Göttingen - Baptisten Göttingen

100 Jahre Baptistengemeinde Göttingen - Baptisten Göttingen

100 Jahre Baptistengemeinde Göttingen - Baptisten Göttingen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Forderte man schon in Rundschreiben 1956, über neue Formen des Gottesdienstes<br />

nachzudenken, so kam es 1967 bis 1969 zu inhaltlichen und theologischen<br />

Anfragen an die bisherige Gemeindepraxis: War man bisher nicht zu sehr auf sich<br />

selbst bezogen gewesen, nur auf Erbauung und Evangelisation konzentriert? Hatte<br />

man vom Evangelium her nicht auch auf aktuelle politische Fragen Antworten zu<br />

geben? Studenten in Hamburg-Altona, Münster und <strong>Göttingen</strong> forderten ein mehr<br />

weltzugewandtes Verständnis des Evangeliums in den Gemeinden ("Münsteraner<br />

Resolution" von Pfingsten 1969). Man empfand sich selbst in einer Aufbruchsstimmung,<br />

auf dem Weg zu einer neuen Sichtweise. Und bei mancher "neuen Idee"<br />

mag der eine oder andere übers Ziel hinausgeschossen sein. Doch die Klärung, so<br />

die Stimmung insgesamt unter den Studenten, sollte die sachbezogene Diskussion<br />

bringen.<br />

In <strong>Göttingen</strong> trafen sich die Studenten der <strong><strong>Baptisten</strong>gemeinde</strong> mit Freunden seit<br />

dem Wintersemester 1957/58 14täglich in einem Hauskreis bei Sigrid und Herbert<br />

Caspari, nachdem man sich zuvor in den Gemeinderäumen im gleichen Turnus<br />

getroffen hatte. Für viele Studenten war dieser Hauskreis ein 'Zuhause". Hier<br />

konnte man kontrovers diskutieren. Und zahllosen ehemaligen Studenten verbindet<br />

sich dieser Hauskreis mit einer Tasse Ostfriesentee, die nie fehlte. Seit 1960 gaben<br />

Sigrid und Herbert Caspari außerdem die "mitteilungen" heraus, eine Studenten-<br />

Zeitschrift des Bundes EvangelischFreikirchlicher Gemeinden. Sie sollte dem<br />

Informationsaustausch der Studenten dienen und enthielt nicht selten<br />

Nachdenkliches und Provokantes, eben kritische Denkanstöße, die mit viel Fleiß<br />

ausgearbeitet worden waren.<br />

Die Gemeinde allerdings kam, und in soweit bot sie ein Spiegelbild der<br />

Gesellschaft, während des Höhepunktes der studentischen Umbruchsituation<br />

Anfang der 70er <strong>Jahre</strong> bei der Diskussion nicht mit. Die radikale Infragestellung<br />

löste Ängste um den Glauben aus. So kam es, daß in dieser Zeit die Gemeinde die<br />

kritischen Studenten isolierte. Andere baptistische Studenten sahen in ihren stark<br />

linksorientierten Kommilitonen Menschen, die ihren Glauben verloren hatten, die<br />

dem Leninismus, Marxismus oder Maoismus verfallen waren und die Gemeinde zu<br />

unterwandern versuchten, indem sie manches "fromm" formulierten. Diese<br />

wiederum sahen sich in der Rolle, ständig ihren Glauben "beweisen" zu sollen, um<br />

überhaupt mit ihrem ungewohnten Denkansatz gehört zu werden. Und auch von<br />

außerhalb kam für die Studenten und die Gemeinde keine Hilfe. Im Gegenteil: die<br />

Studenten-Zeitschrift wurde eingestellt, weil der Bund die Zuschüsse strich.<br />

Es kam bundesweit zur Krise der baptistischen Studentenarbeit, von der sie sich im<br />

Prinzip bis heute nicht erholt hat. Zwar gab es in <strong>Göttingen</strong> nach wie vor bis Ende<br />

der 70er <strong>Jahre</strong> den Hauskreis in Casparis großem Wohnzimmer, der für viele<br />

Studenten ein Ort der freien Diskussion blieb, doch als Sigrid Caspari schwerer<br />

erkrankte, löste sich der Hauskreis auf und zerfiel in kleine Kreise. Während sich in<br />

den 80er <strong>Jahre</strong>n etwa ein Kreis um Umweltthemen und die Verantwortung der<br />

Christen für die Schöpfung engagierte, versuchten andere an der Uni zu<br />

missionieren, wieder andere kümmerten sich um ausländische Kommilitonen. Erst<br />

etwa zehn <strong>Jahre</strong> später entstand mit Studenten- und Jugendpastor Ralf Ossa ein<br />

Neuanfang, doch eine Vordenkerrolle haben die Studenten theologisch nicht mehr -<br />

wie sie auch in der Gesellschaft diese Rolle zur Zeit nicht erkennbar übernehmen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!