D E U T S C H E R F IL M P R E IS 2 0 10 - Deutsche Filmakademie
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DIE FRAU MIT DEN 5 ELEFANTEN<br />
auch wenn gerade<br />
dieser Film gar nicht<br />
ohne worte auskommen<br />
kann – seien es die<br />
o-Töne der Titelfigur<br />
oder die off-Töne<br />
des Regisseurs –, sein<br />
heimliches Motto klingt<br />
anders, und er hat es<br />
sich aus dem Mund<br />
seiner Protagonistin<br />
geholt: „Ich finde es<br />
schön, wenn man etwas<br />
wortloses sagen<br />
kann. Dann braucht man es nicht zu übersetzen.“<br />
Die das sagt, ist Übersetzerin. Vielleicht die<br />
bedeutendste Übersetzerin russischer Literatur<br />
ins <strong>Deutsche</strong>. Sie heißt Swetlana Geier,<br />
ist mittlerweile 86 Jahre alt – und die fünf<br />
Elefanten sind die großen Romane von Fjodor<br />
M. Dostojewskij, dem wichtigsten russischen<br />
Erzähler, der ziemlich genau hundert Jahre vor<br />
Swetlana geboren wurde.<br />
70<br />
Der Filmemacher Vadim Jendreyko ist an der arbeit<br />
dieser Frau interessiert. aber er erzählt von<br />
ihrer arbeit, indem er über sie selbst erzählt, sie<br />
erzählen lässt und ihr Leben und ihre Lebensweise<br />
darstellt. Und er lässt sich für alle diese<br />
Elemente Zeit. Es gibt tatsächlich viele, auffällig<br />
und angenehm viele Passagen, in denen der<br />
Film „etwas wortloses“ sagt. Das ist spannend<br />
und berührend. Zugfahrten, Blickwechsel, Küchenarbeiten,<br />
Momente der Nachdenklichkeit,<br />
Momente der Trauer, Momente der leisen Freude.<br />
Und es gibt zum Beispiel eine Szene, in der all<br />
diese Elemente zusammenzukommen scheinen.<br />
Swetlana Geier bügelt. Sie ordnet die Fasern,<br />
stellt einen logischen Zusammenhang zwischen<br />
Text und Textil her – und ist plötzlich bei sich<br />
selbst und ihrer arbeit zugleich.<br />
Dass der Film auch ein Roadmovie ist, das von<br />
einer historischen und sehr persönlichen Reise<br />
berichtet, ist vielleicht gar nicht so wichtig,<br />
aber gut für das Verständnis einer Frau, die die<br />
Ukraine erst nach der deutschen Besatzung während<br />
des Zweiten weltkrieges verlassen hatte –<br />
und aufgrund ihrer guten Deutschkenntnisse zunächst<br />
in Dortmund und dann in Freiburg Fuß<br />
fassen konnte. Der von Thomas Tielsch (Bester<br />
Dokumentarfilm) und seinem Schweizer Partner<br />
Hercli Bundi produzierte Film begleitet Swetlana<br />
Geier auf dem weg zum Grab ihrer Mutter, das sie<br />
seit über sechzig Jahren nicht besucht hat. Und<br />
das Publikum begleitet eine faszinierende alte<br />
Frau, für deren weisheit und Güte diese beiden<br />
schönen wörter hätten erfunden werden müssen,<br />
wenn es sie nicht schon gäbe.<br />
Bester Dokumentarfilm –<br />
THoMaS TIELSCH<br />
– DER PFaD DES<br />
KRIEGERS (2007)<br />
– DaS MoSQUITo-<br />
PRoBLEM UND<br />
aNDERE GESCHICH-<br />
TEN (2007)<br />
– YES I aM! (2006)<br />
– DIE FINSTERN<strong>IS</strong><br />
(2005)<br />
DEUTSCHER F<strong>IL</strong>MPRE<strong>IS</strong> 20<strong>10</strong>