PDF Öffnen - Biokreis
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BN_Version_Times.qxp 07.02.2011 14:56 Seite 38<br />
Biowelt<br />
Reise<br />
Indien – oder meine Reise<br />
in eine andere Welt<br />
Text und Fotos: Sepp Brunnbauer mit freundlicher Unterstützung von Susanne und Herbert, meinen Ayurveda-Kollegen<br />
Indien heißt Farben über alles. Farben, fast immer gezogen aus den<br />
Pflanzen der Natur. Farben, dem heißen Klima angepasst, viel leuchtender<br />
und greller als daheim. Allein die Saris der Frauen und die aufwändigen<br />
Verzierungen der Tempel. Dazu der Ganesha, der dickbäuchige und elefantenköpfige,<br />
hinduistische Glücksgott, gegossen aus Messing, allgegenwärtig in<br />
allen Größen und Variationen, teils verpackt in orangefarbene Beutel, zugeschnürt<br />
mit Bändchen, an denen goldene Glöckchen hängen. Ein guter Anfang.<br />
Voller Farbenpracht: Frauen in ihren Saris.<br />
Ein kleiner Snack: Mais gibts an der Straße.<br />
38 BioNachrichten 1 | Februar/März 2011<br />
Das Wunder vom<br />
schwebenden Tempel<br />
Meine einwöchige Rundreise mit öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln beginnt in der Stadt<br />
Cochin im südindischen Staat Kerala. Sie<br />
wird mich über Munnar nach Allappuzha<br />
zum Kanalsystem der Backwaters und dann<br />
wieder zurück nach Cochin führen. Nahe<br />
Cochin besuche ich einen hinduistischern<br />
Felsentempel. Auf dem Gelände befinden<br />
sich unzählige Skulpturen, alle bestreut mit<br />
Tumeric (Gelbwurz) und Kampfer, dessen<br />
scharfer Duft hier überall in der Luft hängt.<br />
Der Tempel-Fels, heißt es, berührt die Erde<br />
wider die Schwerkraft lediglich an einem<br />
einzigen Punkt. In einem Hohlraum unter<br />
dem riesigen, grauen Stein wurde eine religiöse<br />
Kultstätte errichtet. Voller Hingabe<br />
drängen sich Pilger hier um einen Schrein.<br />
Die Umstehenden diskutieren derweil darüber,<br />
wie es möglich ist, dass der Fels nicht<br />
zu Boden fällt. Jemand vermutet, es liege an<br />
der besonderen Statik. An manchen Stellen<br />
wurde allerdings nachgeholfen und die<br />
Menschen legten Steine unter, um den<br />
Koloss zu stützen. Damit hätten sie erst<br />
angefangen, als sie aufhörten, an das<br />
Wunder vom schwebenden Felsen zu glauben,<br />
sagt ein Pilger.<br />
Gewürze aus den<br />
Cardamom-Bergen<br />
Regen legt einen grauen Schleier über das<br />
Land, als ich weiterfahre, doch dann gibt er<br />
den Blich frei auf zart-grüne Reisfelder.<br />
Frauen, versteckt unter großen Strohhüten,<br />
setzen Reispflanzen. Auf anderen Feldern<br />
wird geerntet, Reis per Hand geschnitten, in<br />
Bündeln auf einen Dreschplatz ausgeschlagen<br />
und durch Hochwerfen der Reiskörner<br />
von den Spelzen getrennt. Bei drei Ernten<br />
im Jahr ein mühsames Unterfangen. Die<br />
Straße führt bergauf, am Fenster ziehen erste<br />
Kautschuk- und Teeplantagen vorbei. Ich<br />
kaufe getrocknete Teeblätter, die gebrüht<br />
für den süßen Milchtee verwendet werden,<br />
eine Hinterlassenschaft der „vertriebenen<br />
Engländer“. Dazu Gewürze aus den<br />
Cardamom-Bergen, schon immer eine<br />
wichtige Einnahmequelle Keralas: Anis,<br />
Gelbwurz, schwarze Pfefferkörner, Nelken,<br />
Zimt, Sternanis, Muskatnüsse, Muskatblüte,<br />
Tamarinde und, nicht zu vergessen,<br />
Kardamom.<br />
Currys in allen Variationen<br />
Am nächsten Morgen lasse ich mir ein<br />
südindisches Frühstück schmecken: Es gibt<br />
Idlis, blasse, gedünstete Reismehlklöße,<br />
deren Teig jeweils am Vorabend angesetzt<br />
wird und durch leichte Gärung säuerlich<br />
schmeckt. Und Appam, flache Fladen, in<br />
deren Mitte ein Höcker aus demselben Teig<br />
ist. Dazu isst man ein Curry – eine Soße<br />
welcher Art auch immer – oder<br />
Kokosnusschutney, angedickt mit geriebenen<br />
Cashewkernen. Ergänzt wird das Mahl<br />
durch Sambar, ein dünnes Gemüsecurry,<br />
gewürzt mit Tamarinde und Asafoetida. Das<br />
beliebteste vegetarische Essen der Inder ist<br />
der Thali, serviert auf Bananenblättern. Der<br />
in der Mitte angehäufte Reis ist umgeben<br />
von verschiedenfarbigen Currys, gewürztem<br />
Gemüse, scharfen Pickles, und Sambar,<br />
schon allein um den Reis zu feuchten. Dazu<br />
gereicht werden ein Schälchen voller<br />
Joghurt und süßer Reis, in Kokosmilch<br />
gekocht, mit Bananen und frischen<br />
Kokosnussraspeln. Eine reichhaltige<br />
Mahlzeit, besonders weil es überall<br />
Nachschlag gibt.