SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKnen Dollar Nylonstrümpfe, die man inChina für 50 Cent eingekauft hatte.Das durchschnittliche Monatsgehaltlag vor der Währungsreform vomDezember 2009 bei etwa 5000 Wonim Monat. Das entsprach umgerechneteinem Euro oder etwas mehr als 1,7Dollar. Ein Kilo Tomaten kostete imWinter bislang bis zu 5000 Won, einganzes Monatsgehalt. Trotzdem gibtes wenig offene Zeichen einer Hungersnot.Viele Menschen arbeiten nebenbeiund verschaffen sich weitereEinkommen. Um die Bevölkerung sattzu bekommen, fehlen 600.000 TonnenGetreide. Hinterhofgärten und sogarHäuserdächer werden als Anbauflächenfür Gemüse zur Selbstversorgunggenutzt.Die Folgen der Währungsreformwaren chaotisch; eine galoppierendeInflation wurde ausgelöst. Am 1.Januar2010 kostete der US-DL noch98 Won, am 4. Februar bereits 530Won. Die Lebensmittel-Preise sinddrastisch gestiegen: statt 20 Won Ende2009 kostete Anfang Februar ein KiloReis 600 Won, der Preis hatte sichverdreißigfacht. Die schlechte Versorgungslagehatte in mehreren Städtenzu Unruhen geführt. Daraufhin wurdenHandelsbeschränkungen wiedergelockert und als Konsequenz hat derDirektor für Finanzen bei der herrschendenkommunistischen Partei,Pak Nam Gi, seinen Posten räumenmüssen. Pak war für die Umsetzungder Währungsunion zuständig gewesen.AndereIm Wettlauf um Milliardenaufträgeaus Indiens zivilem Nuklearprogrammhat sich Russland einen entscheidendenVorteil gegenüber denUSA verschafft. Moskau garantiertIndien die fortdauernde Lieferung vonUran selbst für den Fall einer Beendigungder atomaren Zusammenarbeitder beiden Staaten. Im Gegenzugkauft Indien mindestens vier russischeAtomreaktoren und gewährt dieOption auf weitere Lieferungen. Dasist der Kern eines Nuklearabkommensvom Dezember 2009, das Indiens MinisterpräsidentMonmohan Singh undRusslands Präsident Dmitrij Medwedjewin Moskau unterzeichneten.Nur zwei Wochen vorher war einähnlicher Pakt zwischen Indien undden USA in letzter Minute gescheitert,weil Präsident Barack Obama die vonSingh geforderten weit reichendenLiefergarantien nicht geben wollte.Die USA wollten sich in diesem Falldas Recht vorbehalten, bereits geliefertesUran und Nukleartechnologiezurückfordern zu können. Russlandverzichtete auf dieses Recht und gehtsogar noch ein Stück weiter. Russlanderlaubt Indien die Wiederaufbereitungausgebrannter Brennstäbe inallen russischen Reaktoren sowie dieAnreicherung des gelieferten Uransim Rahmen bestimmter Grenzen.Für Indien ist die Liefersicherheitvon großer Bedeutung, da es selbst nurüber geringe Uranvorkommen verfügt.Medwedjews Zusicherungen sind politischheikel, da die Atommacht Indienden Atomwaffensperrvertrag nichtunterzeichnet hat. Dass Indien nachJahrzehnten der Isolation seit demJahr 2009 trotzdem mit Uran undziviler Nukleartechnologie beliefertwerden darf, verdankt es den USA.George W. Bush hatte mit Singh 2005ein entsprechendes Abkommen ausgehandeltund dafür auch grünes Lichtvon den 45 Nuklearmaterial-Exportländernbekommen. Doch US-Kraftwerkskonzernewie General Electricund Westinghouse können bisher vondem Deal nicht profitieren. Es fehltnämlich noch ein Zusatzabkommenzwischen Washington und Neu-Delhiüber Regeln für die Lieferung undWiederaufarbeitung amerikanischenUrans.Umso ärgerlicher ist es für dieUS-Konzerne, dass jetzt Russland indie Bresche springt. Das <strong>Auftrag</strong>svolumenbeziffert Rosatom auf „mehrereDutzend Milliarden Dollar“. Denkbarsei der Bau von zwölf Reaktoren. DerVertrag sieht zunächst vier Reaktorenvor, hält allerdings die Option fürweitere offen. Möglicherweise wirddavon auch Siemens profitieren. DerMünchner Elektrokonzern strebt einBündnis mit Rosatom zum weltweitenBau neuer Atomkraftwerke an. Zurzeitallerdings stocken die Verhandlungenvon Siemens mit den Russen.Weil sich Siemens früherer PartnerAreva aus Frankreich querstellt, derauch schon einen Milliardenvertragin der Tasche hat.Die ins Hintertreffen geratenenUS-Konzerne verstärken derweil ihreLobbyarbeit, um nicht den Anschlusszu verlieren. Hochrangige Delegationenverhandeln mit staatlichen undprivaten indischen Energiekonzernenüber Kooperationsverträge. Doch erstwenn das Zusatzabkommen zum Nuklearvertragmit den USA besiegelt ist,dürfen sie in Indien Atomkraftwerkebauen. Indien will seine Nuklearkapazitätvon zurzeit 4,1 Gigawatt auf60 Gigawatt im Jahr 2030 steigernund dazu rund 100 Milliarden Dollarinvestieren.Aufsehen erregten um die JahreswendeBerichte der InternationalenAtomenergiebehörde (IAEA) über einenVerkauf großer Mengen Uran vonKasachstan an Iran. „Frei erfunden“dementierte der Iran die Vorwürfe.Kasachstan erklärte, die Beschuldigungenseien „haltlose Unterstellungen,die das Ansehen unseres Landesbeschädigen sollen“. Kasachstan haltesich streng an die internationalenRegeln zur Nichtweiterverbreitungvon Atomwaffen. Man erwarte vonder IAEA, dass sie ihre Behauptungenprüfe. Kurz vor Jahresende 2009hatte ein IAEA-Mitgliedsland Nachrichtenagentureneinen Report zugespielt,nach dem Teheran in Kasachstan1.350 Tonnen gereinigtes Uran,sogenannten Yellowcake, für 450 MillionenDollar kaufen will. Dies wäreein klarer Bruch der UN-Sanktionen,die Iran zur Aufgabe seiner Anreicherungsplänezwingen sollen.Kasachstan setzt jedenfalls aufUran. Das staatliche AtomunternehmenKazatomprom erklärte, Kasachstanhabe 2009 rund 13.900 TonnenUran gefördert, mehr als Kanada,mehr als Australien. Kasachstan, sodas Unternehmen, sei nun der größteUran-Förderer der Welt. In der Tatbesitzt das Land nach Angaben derWorld Nuclear Organisation 15 Prozentdes globalen Uran-Vorkommensund war zu Sowjetzeiten einer derHauptlieferanten für Uran. Nach demZerfall der Sowjetunion hatte die neuezentralasiatische Republik 1.410 nukleareSprengköpfe geerbt, bekamaber viel Anerkennung, als sie allemilitärischen Atomambitionen aufgabund 1994 den letzten Sprengkopfzur Zerstörung an Russland übergab.Zugleich stieg die Uran-Förderungauf das Zwanzigfache, von795 Tonnen im Jahr 1997 auf knapp14.000 im vergangenen Jahr. In 2010,22 AUFTRAG <strong>277</strong> • MÄRZ 2010
SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKso verspricht Kazatomprom, will es18.000 Tonnen fördern. Der Kampfum die knapper werdenden und begrenztenÖl- und Gasreserven hat eineRenaissance der Atomkraft ausgelöst.Weltweit werden Hunderte neuerAtomkraftwerke geplant, in Chinaund Indien, Amerika und der Ukraine,der Arabischen Welt. Inzwischenist der Preis für Uran stark gefallen.Sollte es tatsächlich einen Deal zudem oben erwähnten Preis geben,dann hat Teheran Kasachstan dreimalmehr als marktübliche Zahlung angeboten.„Der Preis ist so hoch, weilder Verkauf geheim ist und der Iransich verpflichtet hat, Geheimhaltungüber jene Stellen zu bewahren, diedas Material liefern“, sagt der IAEA-Bericht. Diese Stellen könnten kriminelleBeamte in der kasachischenRegierung sein.Im November 2009 hatte bereitsRachat Alijew, der Schwiegersohnund Erzfeind von Präsident NursultanNasarbajew, erklärt, er habe Beweisefür „Geheimverhandlungen“ zwischenTeheran und Astana.Zum Jahreswechsel 2009/10 läutetenauch die Vereinigten ArabischenEmirate die Atomkraft-Äraam Golf ein und vergaben einen Großauftragfür die ersten Atomkraftwerkeüber rund 40 Milliarden Dollar nachKorea. Damit handelt es sich um daszurzeit größte zivile Atomprojekt weltweitund um die ersten Kernkraftwerkeüberhaupt in der Golfregion.Ein Konsortium unter Führung desStaatskonzerns Kepco setzte sich imBieterverfahren gegen Konkurrentenaus Frankreich, den USA und Japandurch. Der Bau der vier Meiler soll2012 beginnen und bis 2020 fertigsein. Die Emirate sind zwar der drittgrößteÖlexporteur der Welt, wollen jedochihren Elektrizitätsbedarf künftigauch mit Kernkraft decken. Vor allemAbu Dhabi treibt das Projekt voran.Der Strombedarf der Vereinigten ArabischenEmirate wird von derzeit rund15.000 Megawatt pro Jahr bis 2020 aufetwa 40.000 Megawatt steigen. Dievier Atomkraftwerke sollen jeweils1.400 Megawatt Strom erzeugen. DerBau der Meiler in den Emiraten giltals Startschuss für weitere Atomprojekteam Golf: Staaten wie Katar, Saudi-Arabienoder Oman haben bereitsdurchblicken lassen, dass sie ähnlichePläne hegen. Die Errichtung vonNuklearkraftwerken in der an Öl- undGasreserven reichen Region ist dabeinur auf den ersten Blick widersinnig.Bislang verfeuerten die Golfstaaten inihren Kraftwerken Gas. Dieses wirdaber als Handelsgut immer wertvoller,sodass die Stromerzeugung mitAtomkraft wirtschaftlich Sinn macht.Politisch ist die Lieferung atomarerTechnik in Spannungsgebiete wie dieGolfregion umstritten. Anders als derIran wollen die Emirate das für denBetrieb der Atomanlagen benötigteUran allerdings importieren. ❏Kurznachrichten„Klare Beweise für die Bemühungen Papst Pius XII. “Akten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, die bisher im Vatikanischen Geheimarchiv lagerten, werdendemnächst, gebührenfrei abrufbar, ins Internet gestellt. Angaben der Stiftung „Pave the Way“ zufolgereagiert der Heilige Stuhl mit diesem Schritt auf eine Reihe von entsprechenden Anfragen, darunter auchvon der Stiftung selbst.Der Präsident der Stiftung, der US-amerikanische jüdische Unternehmer Gary L. Krupp, sagte gegenüberZENIT, dass die Akten zugleich auf der Internetseite von „Pave the Way“ wie auf der des Vatikan eingesehenwerden könnten. Das Projekt sei Teil des Gesamtanliegens der Stiftung, die Hindernisse auf demWeg zur Verständigung zwischen den Religionen beseitigen möchte, um die Zusammenarbeit zu fördernund den Missbrauch von Religion für persönliche Ziele zu beenden.Gary L. Krupp bedankte sich im Namen seiner Stiftung beim Kardinalstaatssekretär sowie beim vatikanischenVerlagshaus Liberia Editrice Vaticana, für das der Einrichtung entgegen gebrachte Vertrauen. DieDigitalisierung von rund 9.000 Dokumentenseiten werde voraussichtlich noch mehrere Wochen dauern. Sobalddiese Arbeit abgeschlossen sei, werde dies im Internet angekündigt. Der Stiftungspräsident hofft nunauf eine rege Auseinandersetzung, Kommentare, Anregungen und Kritik sowie Übersetzungen der Aktenins Englische, um einem noch breiteren Historikerkreis die Forschung zu ermöglichen und zu erleichtern.„Bei unserer Erforschung dokumentierter Beweise entdeckten wir, dass Pius XII. insgeheim mehr Judenals alle anderen religiösen und politischen Führer seiner Zeit zusammen rettete. Er tat dies unerkanntdort, wo niemand wusste, dass es Pius XII. war, der heimlich handelte um sie zu retten. Gemäß der jüdischenTradition ist dies die höchste Form der Nächstenliebe“, sagte Krupp. Es sei Zeit, dass dieser Papstfür seine lebensrettenden Bemühungen geachtet werde. „Ich glaube, Papst Pius XII. sollte als Gerechterunter den Völkern in Yad Vashem in Jerusalem anerkannt werden.“(Jesús Colina und Michaela Koller / ZENIT)AUFTRAG <strong>277</strong>• MÄRZ 201023