KIRCHE UNTER SOLDATENde nahm Bischof Mixa zu der Zusammenarbeit der zivilenGemeinde mit den Militärpfarrämtern Stellung. <strong>Soldaten</strong>sollten ruhig in Uniform in der Gemeindekirche am Gottesdienstteilnehmen, sagte der Bischof auf eine entsprechendFrage, dann würden automatisch die Zivilgemeindensich mit der Problematik der <strong>Soldaten</strong> beschäftigen.Zur besseren Vorbereitung auf die Auslandseinsätze seiimmer mehr interkulturelle Kompetenz notwendig, deshalbsei die Gründung einer Zentrums für ethische Bildung inden Streitkräften am Institut für Theologie und Friedenin Hamburg geplant.Nach einer Vesper in der Kapelle des Bonifatiushauseslud der Militärbischof zu einem Empfang ein. Bevores zur allgemeinen Stärkung ging, überreichte der BundesvorsitzendeRüdiger Attermeyer dem MilitärbischofDr. Mixa das erste Exemplar des Buches „Als Soldat undChrist dem Frieden verpflichtet“, eine Zusammenfassungder ersten elf Seminare der Akademie und der Feierlichkeitenanlässlich des 25. Todestages von Oberst Korn imJahre 2008. Das zweite Buch erhielt der Schirmherr derAkademie aus den Händen des Bundesvorsitzenden (sieheTitelbild).Der Donnerstag stand im Zeichen der Exkursionüber Homberg (Efze) nach Fritzlar, in deren Verlauf auchdie Vorträge in Diskussionen nachbereitet wurden. AmFreitag wurde nach der Feier der Eucharistie das Seminarausgewertet, beurteilt und letzte Fragen beantwortet.Impulse für das 13. Seminar im Jahr 2011 wurden vomAkademieleiter Oberst a.D. Dipl.-Ing. Karl-Jürgen Kleinaufgenommen. ❏Gelebter Glaube und Zeugnis von Jesus Christuswährend der kommunistischen ZeitIch muss zugeben, dass es für mich nicht einfach war,diesen Vortrag vorzubereiten. Die Hauptschwierigkeitlag darin, dass mir viele Gedanken eingefallen sind undes war ganz schwierig, sie ein bisschen zu systematisieren.Außerdem will ich nicht wie einer sprechen, der verschiedeneRatschläge geben kann, weil er eine gewisse Zeit dieunnatürliche Wirklichkeit eines kommunistischen Staateserlebt hat. Ich muss auch betonen, dass ich nur die Zeitder so genannten Normalisierung erfahren habe, die sichernicht einfach war, aber nicht mit der Situation der fünfzigerJahre verglichen werden kann. Jene Zeit ist für mich– und war auch vor dem Jahr 1989 – unvorstellbar, obwohlich mit vielen Leuten, beginnend mit meinen Eltern, überdiese Zeit ausführlich gesprochen habe.Weil mein Nachdenken wesentlich mit gelebtem Glaubenund christlichem Zeugnis zu tun hat, werde ich Ihnenkeinen allgemeinen Überblick oder eine fachliche Studieüber die kommunistische Zeit in meiner Heimat anbieten,sondern einige persönliche Erfahrungen, die sehr eng mitder Familie verbunden sind, in der ich aufgewachsen bin.Ich hatte nämlich das Glück oder, frommer ausgedrückt,erhielt ich eine riesige Gabe, dass in unserer FamilieGlaube wirklich gelebt wurde, auch mit der Bereitschaft,für ihn etwas zu opfern. Lassen Sie mich Ihnen meine Elternvorstellen.Mein Vater schloss das Gymnasium am Ende des ZweitenWeltkriegs ab, dann studierte er Philosophie und Geschichteauf der philosophischen Fakultät in Brno (Brünn).Er war in den katholischen Studentenkreisen tätig und nachdem kommunistischen Putsch im Jahre 1948 begann erSchwierigkeiten zu haben. Es wurde ihm noch erlaubt, dieAbschlussprüfung zu machen, aber das war alles. In einerfreien Gesellschaft wäre er sicher auf der Uni als Doktorandgeblieben, aber für Leute wie ihn, die eine falsche,VON JAN PACNERdas bedeutet nicht die kommunistische Weltanschauunghatten, war es verboten. Eine Bemerkung: wie sie wissen, istfreies Denken für alle kommunistische Regime gefährlichund darum (trotz aller Proklamierungen) ausgeschlossen.Nach dem Verlassen der Universität wäre mein Vaterzur Armee geschickt worden, aber weil er Kinderlähmunggehabt hatte und dadurch ein Bein schwächer war, konnteer nicht Wehrdienst machen und arbeitete 12 Jahre alsBuchhalter. Dabei wurde ihm nach gewisser Zeit erlaubt,Mathematik auf der naturwissenschaftlichen Fakultät inBrno zu studieren, weil die Naturwissenschaften nicht sotief von dem Regime und seiner Ideologie beeinflusst waren.Nach dem Studiumsabschluss begann er in einem Datenzentrumzu arbeiten, im Jahre 1969 erhielt er Doktorat,aber es wurde ihm immer verboten zu unterrichten. In densiebziger Jahren konnte er zuerst die Funktion eines Chefsvon Programmierern im Datenzentrum ausüben. Mit fortschreitenderNormalisierung wurde aber von Leuten, dieführende Positionen hatten, gefordert, ihre Untergeordnetein Marxismus auszubilden. Das lehnte Vater ab und dieLeitungsposition wurde ihm abgenommen. (PersönlicheErinnerung, Anmerkung des Dozenten)Erst nach dem Jahre 89 konnte mein Vater einige Jahreim Gymnasium unterrichten und auch Vorlesungen füreine breitere Öffentlichkeit veranstalten.Meine Mutter war Krankenschwester, sehr geschicktund liebte ihre Arbeit. Sie war immer bereit, sich den Krankenzu widmen, auch eine Begegnung mit einem Priesterihnen zu vermitteln, was gewisses Risiko vorstellte. Weilsie dann lange mit uns Kindern zu Hause blieb (ich habevier jüngere Geschwister), hatte sie keine Berufsschwierigkeiten,aber sie unterstützte immer ihren Mann, obwohlseine Entscheidungen selbstverständlich auch Nachteile(z.B. finanzielle) und Fragen (z.B. Zukunft von uns Kin-58 AUFTRAG <strong>277</strong> • MÄRZ 2010
KIRCHE UNTER SOLDATENAUFTRAG <strong>277</strong> • MÄRZ 2010dern) mitbrachten. Ich konnte wiederholend feststellen,dass für meine Eltern Vertrauen in Gott kein leerer Begriff,sondern eine lebendige Wirklichkeit war, die sie nicht irgendwohinnach oben entrückte, sondern ihre Kraft imAlltag bestätigte.Ich bezweifle, dass meine Eltern mit einem solchen Lobeinverstanden wären, sie schätzten sich sicher nicht alsHelden oder Superchristen, sie hatten selbstverständlichihre Fehler und Begrenzungen und mussten ihre Entscheidungfür ein Leben aus Glauben mit seinen Konsequenzenund innere und äußere Wahrhaftigkeit erneut durchringen.Vielleicht kann ich jetzt einige Punkte summarisiertunterstreichen, die für mich in unserer Familie besonderswichtig waren:Glaube, der seine Grundlage kennt. In der Schulehörte ich wiederholt und eigentlich wurde überall betont,dass es hier eine sogenannte wissenschaftliche Weltanschauunggebe, die einzig richtig sei. Die Wissenschafthabe bewiesen, dass es einen Gott nicht geben kann undes sei sicher, dass Religion verschwinden werde. Ich weiß,dass diese Ansichten auch im Westen existierten, aber beiuns war es eine offizielle Doktrin. Darum war es so wichtig,gute Informationen zu haben. Mein Vater diskutiertemit uns Kindern systematisch religiöse Themen und wirkonnten wahrnehmen, dass diese Frage gar nicht endgültiggelöst ist, dass hier viele gebildete Christen waren undsind, die den Glauben reflektierten, die keine Angst vorschweren Problemen hatten und dass es gute Gründe, sogarsehr gute Gründe für den christlichen Glauben nochimmer gebe. Und wir stellten fest, dass im Gegenteil diekommunistische Doktrin keine wirkliche Fragen und keinkritisches Denken erlaubt.Wahrhaftigkeit des Lebens. Eine Theorie mag schönsein, aber was gilt, ist konkretes Leben. Ein junger Menschkonnte in siebziger und achtziger Jahren deutlich beobachten,dass in der Gesellschaft immer etwas vorgespieltwurde. Es wurde anders gedacht und anders in der Öffentlichkeitgesprochen und das verursachte eine seltsame,bedrängte Stimmung. Und dabei sollten wir uns beinahean der Schwelle des Paradieses befinden! Zum Glückkonnte ich nicht nur bei meinen Eltern spüren, dass dasLeben aus dem Glauben anspruchsvoll ist, aber zur innerenFreiheit führt. Das, worüber meine Eltern sprachen,bemühten sie sich auch zu leben. Gebet bedeutete keineAusrede für Untätigkeit, sondern einen Impuls für Handeln.Und Glauben war keine Summe von toten Lehrsätzen,sondern vor allem ein lebendiges Verhältnis zu JesusChristus, das Konsequenzen fürs Leben hat.Die Wirklichkeit, dass ich mich bemühe, gut zu leben,bedeutet nicht, dass ich die anderen verurteilen kann. Ichmuss zugeben, dass ich, besonders als Teenager, nicht fähigwar, diese Einstellung wirklich zu schätzen. In diesemAlter sieht man ziemlich schwarzweiß und ich war sehrkritisch gegenüber Kommunisten und auch denen, diesich mit ihnen irgendwie verstrickt hatten. Wie Sie vielleichtgehört haben, gab es bei uns eine Priesterorganisationgenannt Pacem in terris (es war ein Missbrauch vonBenennung einer Enzyklika vom Papst Johannes XXIII),die mit dem Regime kollaborierte. Zum Beispiel der Dechantvon der Stadt Třebíč, wo ich geboren wurde undaufgewachsen bin, war ein wichtiges Mitglied in dieserOrganisation. Meine Eltern waren damit natürlich nichteinverstanden und obwohl wir zu einer anderen Pfarrgemeindegehörten, wurde uns aus Sicherheitsgründenklar gesagt, dass er gewisse Sachen nicht wissen durfte,dass es leider besser sei, ein Treffen mit ihm zu vermeiden.Aber sie verurteilten ihn als Menschen nie und verzichtetenauf endgültige Urteile. Wenn er während meinerGymnasienjahren plötzlich starb und ich dazu einennicht zuviel passenden Kommentar hatte, wurde mir klargesagt, dass ich lieber schweigen sollte. Erst allmählichlernte ich, dass die Wirklichkeit, und vor allem ein Geheimniseines Menschen, nie schwarzweiß ist. Leidermuss ich bemerken, dass diese große Versuchung undVereinfachung (im Sinne „wir sind gut und die anderensind schlecht“) einige Gläubige, die früher sehr mutig waren,in sich haben und jetzt, wenn es keine klare Frontenmehr gibt, nach verschiedenen Feinden suchen und alssolche auch die Christen betrachten, die nicht dieselbenMeinungen wie sie haben.Vielleicht die wichtigste Sache – Glaube, der mit einerFreude am Leben verbunden ist. Von der kommunistischenPropaganda wurde wieder und wieder betont, dasChristentum sei lebensfeindlich, weil es mit einem Lebennach dem Tode rechnet und dadurch dieses irdischeLeben entwertet. Der Glaube solle dazu dienen, die unterdrücktenWerktätigen zu beruhigen, sie durch falscheHoffnungen von revolutionären Aktivitäten abzuwenden.Wir Christen müssen leider zugeben, dass es gewisse Spiritualitätengeben, die zu Geringschätzung von dieser Weltund diesem Leben geneigt sind. Auch heute kann man dieAblehnung einer solchen Einstellung sehen: „God doesnot exist. Enjoy your life. – Einen Gott gibt es nicht. Genießedein Leben.“ Es war für mich wahnsinnig wichtig,das ich erfassen konnte, dass meine Eltern (und auch andereChristen) das Leben liebten, dass sie fähig waren, dieSchönheit von Natur und menschlichen Werken zu sehenund zu genießen, dass ihr Glauben ihnen Lust am Lebenund eine positive Einstellung zu anderen Leuten brachte.Wie Sie sehen können, das Leben meiner Eltern warfür mich wirklich ein Glaubenszeugnis. Aber auchich war in meiner Reifezeit Elternkritisch, auch ich suchtenach meinem eigenen Lebensweg. Wie allgemein bekanntist, sind in diesem Alter vor allem Zeitgenossen undVorbilder von Bedeutung. Auch in jener Zeit entstandenverschiedene Jugendkreise und andere Bewegungen, diesich bemühten, den Glauben der Jugendlichen zu entfaltenund sich gegenseitig zu unterstützen. Diese Aktivitätenwaren aber damals inoffiziell, de facto verboten und miteinem Risiko verbunden, besonders für die, die sie leiteten.Einerseits bedeutete das, dass viele Angst hatten, andiesen Tätigkeiten teilzunehmen, anderseits lag darin füruns auch Attraktivität, wir machten etwas, was verbotenund ein bisschen gefährlich war, wir gingen nicht mit derMenge, wir waren auf der richtigen Seite. Vielleicht wares für uns damals einfacher, sich für das Christentum zuentscheiden, als jetzt, wo es so viele, oft interessante Angeboteund Lebensweisen gibt.59