GESELLSCHAFT NAH UND FERNSpäter kamen <strong>Gemeinschaft</strong>en in derElfenbeinküste, Mosambik, Russlandund der Ukraine dazu.Ab 1987 wurden die alljährlicheninterreligiösen Nachfolgetreffenvon Assisi (von Johannes PaulII initiiert) durch die <strong>Gemeinschaft</strong>Sant’Egidio organisiert und durchgeführt.Es folgten Treffen in Bari,Mailand, Florenz, Venedig, Brüssel,Warschau und Malta. Vom 6. bis 8.September 2009 fand das Treffen derReligionen und Kulturen im Geistevon Assisi in Krakau statt, siebzigJahre nach dem Ausbruch des zweitenWeltkriegs. Dem Friedensgebetgeht jeweils ein Kongress voraus, indem über konkrete Möglichkeiten fürden Frieden beraten wird. Die Treffenwurden zum wichtigen Knotenpunktfür das inzwischen weltweiteNetzwerk von Beziehungen, vor allemzu den verschieden Kirchen, zur islamischenWelt und zum Judentum.Im Mittelpunkt dieser interreligiösenTreffen mit Christen verschiedenerKonfession, mit Moslems, JudenBuddhisten, Taoisten, Hindus, Konfuzianerund verschiedne anderenReligionen und Kulturen steht immerdie gemeinsame Aussage: Religionkann niemals der Grund füreinen Krieg sein!1992 wurde in Rom nach Vermittlungdurch die <strong>Gemeinschaft</strong>Sant’Egidio der Friedensvertragzwischen den seit fünfzehn Jahrenverfeindeten BürgerkriegsparteienMosambiks unterzeichnet. Ende derNeunziger Jahre wurde Friede zwischenden Bürgerkriegsparteien inGuatemala durch eine weitere Vermittlungvon Sant’Egidio geschlossen,der heute immer noch anhält.Heute hat die <strong>Gemeinschaft</strong> inRom 20.000 aktive Mitglieder undunterhält dort ca. 400 Suppenküchenfür Arme und Bedürftige, darunterauch viele Asylsuchende. Darüberhinaus werden auch kostenlosMedikamente unter ärztlicher Beratungausgegeben und sozialrechtlicheBeratung durchgeführt. Weltweitwerden derzeit 60.000 Mitgliedergezählt. Die größten Zuwachsratengibt es in Afrika. Sant’Egidio führtdort das erfolgreiche AntidrogenundAidsprojekt DREAM (Drug ResourceEnhancement against AIDSand Malnutrition) durch. Das besonderean diesem Programm ist, dassneben der Ausgabe von antiretroviralenMedikamenten auch ein persönlichkeitsaufbauendesProgrammsteht, in der die heilende WirkungJesu Christi eine tiefe Wirkung hat.Personen, die ganz am Boden waren,erfahren eine totale Veränderung undschöpfen neuen Lebensmut. DieseFrauen und Männer sind anschließenddie erfolgreichsten Vermittlerdes DREAM-Projekt.Das Geheimnis von Sant’EgidioLiebe und Freundschaftfür die ArmenDie <strong>Gemeinschaft</strong> Sant’Egidiozeichnete sich von Anfang an durcheine „zuvorkommende Liebe zu denArmen und Bedürftigen aus, gemäßden Worten Jesu „Was ihr für einenmeiner geringsten Brüder getan habt,das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40)„In ihrer Begegnung mit den Armenfindet sich keinerlei Bevormundungoder Herablassung, sondern Achtung,Aufmerksamkeit und Offenheit für einenstets einmaligen Austausch füreine geschwisterliche Freundschaft“(aus der Laudatio für Andrea Riccardivon Michel Camdessus, ehem. Generalsekretärdes Internationalen Währungsfonds).Ausrichtung am EvangeliumDie Praxis orientierte Auslegungdes Evangeliums durch Laien gehörtzu den wesentlichen Standarts der<strong>Gemeinschaft</strong> Sant’Egidio neben demtäglichen gemeinsamen Gebet. „DasGebet ist diese unterscheidende Dimension,in deren Abwesenheit unserHandeln zur Aufgeregtheit und dasChristentum zu einer Ideologie verkäme“(Camdessus).Verantwortung für die WeltSant’Egidio ist eine Frucht des 2.Vatikanischen Konzils, das die Weltverantwortungdes Laien in der Konstitution„Gaudium et Spes“besondersherausgestellt hat. Gern wird in der<strong>Gemeinschaft</strong> der folgende bekannteSatz des evangelischen TheologenKarl Barth zitiert: „Ein modernerChrist ist ein Mensch, der in der einenHand die Bibel und in der anderen dieZeitung hat.“ Zusammengefasst kannman Sant’Egidio mit drei Worten aufeinen Nenner bringen „Bibel, Mystikund Politik“, so der gleichnamigeBuchtitel von Hanspeter Oschwald imHerder-Verlag.<strong>Gemeinschaft</strong> Sant’Egidio als Vorbild1. Die GKS als GebetsgemeinschaftDie <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong><strong>Soldaten</strong> muss eine Gebetsgemeinschaftsein, so wie es einer ihrer Gründerväter,Oberst Dr. Helmut Korn,gefordert hat. Jesus Christus ist dasHaupt der <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong><strong>Soldaten</strong>. Durch Jesus Christus sindalle Mitglieder der <strong>Gemeinschaft</strong> miteinanderverbunden. Ohne Ihn könnensie nichts positives bewirken,gemäß dem Wort Jesu: „Ich bin derWeinstock, ihr seid die Reben. Wer inmir bleibt und in wem ich bleibe, derbringt reiche Frucht; denn getrenntvon mir könnt ihr nichts vollbringen“(Joh 15,5). Die räumliche Trennungder einzelnen GKS-Mitglieder dürftekein entscheidendes Hindernis füreine Gebetsgemeinschaft sein.2. Einsatz für Friedenund GerechtigkeitDie <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong><strong>Soldaten</strong> fühlt sich in besonderer Weisedem folgenden Satz aus der Konstitution„Gaudium et Spes“ Nr. 79 verpflichtet:„Wer als Soldat im Dienstedes Vaterlandes steht, betrachte sichals Diener der Sicherheit und Freiheitder Völker. In dem er diese Aufgaberecht erfüllt, trägt er wahrhaft zur Festigungdes Friedens bei.“Dieser, für christliche <strong>Soldaten</strong>entscheidende Satz aus dem II. VatikanischenKonzil muss Maßstab undLeitlinie für alles soldatische Handelnwerden. Die Forderung stellteine Wende im Selbstverständnis des<strong>Soldaten</strong> dar, weil es nicht mehr ausschließlichum die Interessen der eigenenNation geht, sondern auch umdas Wohl der Bevölkerung im Einsatzland.Frieden und Sicherheit sind offensichtlichfür betroffene Menschen,besonders Frauen, Kinder und ältereMenschen in Krisengebieten vongrößter Bedeutung und das höchstehumanitäre Gut. Beim Lernen vonSant’Egidio geht es nicht darum, dassdeutsche Streitkräfte zu einer humanitärenHilfsorganisation mutieren, dieSuppenküchen unterhält und Medikamentean Hilfsbedürftige verteilt. Die34 AUFTRAG <strong>277</strong> • MÄRZ 2010
GESELLSCHAFT NAH UND FERNGKS muss das Alleinstellungsmerkmalheutiger Streitkräfte herausarbeitenund bestärken. Dieses bestehtdarin, zusammen mit lokalen Sicherheitskräftendie Voraussetzungen dafürzu schaffen, dass in einem ausgewogenenGesamtkonzept der nachhaltigeProzess zu Frieden und Gerechtigkeiteingeleitet werden kann, beidem die einheimische Bevölkerungdie wesentliche Verantwortung trägt.Zivile humanitäre und entwicklungspolitischeHilfsorganisationen,die ohne jeden Zweifel weltweit nachweislichgroße humanitäre Erfolgeund Fortschritte erzielt haben, tragenin Krisengebieten mit fundamentalistischenGlaubensfanatikern und anarchistischenRebellengruppen zurVerschlimmbesserung und Verlängerungder üblen Gesamtsituation bei,wenn sie auf sich allein gestellt sind,wie Mary B. Anderson in „Do NotHarm“ nachgewiesen hat (Vgl. auch„Chancen und Grenzen der ZivilenKonfliktbearbeitung“ im AUFTRAG276 S. 8ff). Die „Friedenskonsolidierungin der Konfliktfolgephase“ (postconflictpeace-building) der Agendafor Peace (Ziffer 55ff.) hat im 21.Jahrhundert eine wichtige Brückenfunktionfür weltweite Entwicklungzu Frieden und Gerechtigkeit (sieheMittelamerika, Süd-Ost-Asien, Balkanect.). Die <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong><strong>Soldaten</strong> muss bei ihrer Lobby-Arbeit im Deutschen Bundestag undbei der Bundesregierung ständig daraufdringen, dass das Gesamtkonzepteines Friedenseinsatzes zielführendist und <strong>Soldaten</strong> nicht als Lückenbüßereiner verfehlten Politik missbrauchtwerden.3. Einsatz für diegeschundene BevölkerungDie <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong><strong>Soldaten</strong> sollte ihren gesamten Einflussgeltend machen, damit die Lageder geschundenen Bevölkerung in denEinsatzgebieten der Bundeswehr zumBesseren geführt wird. Es ist nichthinzunehmen, dass deutsche <strong>Soldaten</strong>in einen nicht ungefährlichen Einsatzwie z.B. in die DR Kongo gesandt werden,um die dortigen demokratischenWahlen abzusichern und anschließendTeile des Landes (Ost-Kongo)bis heute noch in einer katastrophalenMenschenrechtslage verbleiben.AUFTRAG <strong>277</strong> • MÄRZ 2010Es genügt auch nicht, dass Hilfsorganisationenmit staatlicher, finanziellerUnterstützung einen Teil derOpfer, meist Frauen und Kinder medizinischbehandeln. Die Bundesregierungmuss zusammen mit der EuropäischenUnion darauf dringen, dass dieschweren, systematischen Menschenrechtsverletzungenim Ost-Kongo imRahmen der „Responsibility to Protect(R2P)“ überhaupt verhindert werden.Dazu bedarf es keines erneutenmilitärischen Einsatzes, es genügenfinanzielle Mittel für folgende Zwecke:a. Die reguläre kongolesischenStreitkräfte (FARDC) im Ost-Kongomüssen angemessen bezahltund ihre Familien menschenwürdiguntergebracht werden, damitdiese Truppenteile nicht plünderndund vergewaltigend durchdas Land ziehen.b. Die FDLR (ehemalige Hutumilizen,die mittlerweile kongolesischeFrauen haben) müssen mitnachhaltigen Angeboten in dieZivilgesellschaft integriert werden.Ein entsprechender Vermittlungsversuchvon Sant’Egidio istu.a. wegen mangelnder finanziellerMittel gescheitert (siehe „katastrophaleMenschenrechtslageim Ost-Kongo, Seite ).Die <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong><strong>Soldaten</strong> wäre auf Grund ihre Unabhängigkeit,Glaubwürdigkeit und Uneigennützigkeitin besonderer Weisegeeignet, Fürsprache im Parlamentund bei der Bundesregierung für diegeschundenen Menschen zu leisten,besonders wenn die genannten Institutionenerwarten, dass die deutschen<strong>Soldaten</strong> bei ihren Auslandseinsätzenihr Leben aufs Spiel setzen. ❏KurznachrichtenMilitärischer Einsatz ist oft letztes MittelDer Hildesheimer Bischof Norbert Trelle hält den Einsatz militärischerMittel unter bestimmten Voraussetzungen für gerechtfertigt.Der Mensch habe den <strong>Auftrag</strong>, die Welt vom Terrorismuszu befreien; wenn dabei alle friedlichen Mittel versagten,bleibe oft als letztes Mittel nur der militärische Einsatz, sagte derDiözesanbischof am 4. Februar in Hildesheim. Militärische Gewalt,etwa in Afghanistan, dürfe jedoch nur eingesetzt werden, „umdadurch zivile Hilfsmaßnahmen wirksam werden zu lassen undLebensräume zu öffnen, in denen Menschen wieder in Sicherheitund Gerechtigkeit miteinander leben und arbeiten können“, soder Bischof. Er äußerte sich beim Friedensgottesdienst unter demMotto „Wenn Du Frieden willst, bewahre die Schöpfung“, an demrund 500 <strong>Soldaten</strong> und zivile Mitarbeiter der Bundeswehr sowieAngehörige von Polizei und Bundespolizei teilnahmen.Weiter sagte Trelle, wo die Umwelt zerstört werde, komme esoft zu Kriegen um die Existenzgrundlagen der Menschen. Dahersei mit dem militärischen Einsatz in Afghanistan zu Recht auchein ziviler Hilfseinsatz verbunden. Denn wo Menschen bedrohtund ihrer Existenzgrundlagen beraubt würden, dürfe man nichttatenlos zuschauen, unterstrich der Bischof. Ausdrücklich zollteTrelle den <strong>Soldaten</strong>, die bei einem „gerechtfertigten militärischenEinsatz Leib und Leben“ einsetzen, Dank, Respekt und Anerkennung.Sie seien die Hüter der Ordnung, des Rechts, der Sicherheit,des Friedens und der Freiheit in Deutschland und jenseitsder deutschen Grenzen. Damit leisteten sie den Menschen einenwichtigen Dienst, betonte Trelle.(KNA)35