Kurz: der unbefangen weltlich-realistischen Darstellung des älteren Meisters gegenüber ist dieSzene hier wieder mehr im hierarchisch mittelalterlichen Sinne aufgefasst unter gleichzeitigerstärkerer Betonung des Plastischen. Eine Wandlung also, die von dem unbefangenen Realismusum die Jahrhundertmitte zum „spätgotischen Barock“ hinüberleitet. Gerade für Veit Stoss istja, unbeschadet alles Neuen und Revolutionären seiner Kunst, die Hinwendung zu manchenälteren Traditionen bezeichnend; die Madonna seines Marienaltars z. B. geht unmittelbar aufdie „Schönen Madonnen“ vom Beginn des Jahrhunderts zurück. Andererseites befinden wiruns hier erst an der Schwelle des spätgotischen Barock. Denn alles ist noch zaghaft, unentschlossen,still und nach innen gekehrt.Fasst man alle diese Momente zusammen: die enge Anlehnung an das Werk eines älteren Meisters,die noch unentschlossene Hinwendung zu einem neuen Stil, die leicht befangene Haltung beiinniger Beseelung der Gesichter, so wird man die Anna Selbdritt aus der Bernhardiner-Kircheals ein Jugendwerk des Veit Stoss betrachten und in den Anfang seines Krakauer Aufenthaltesrücken. Verwandte Züge verbinden sie vor allem mit dem ebenfalls als Krakauer Frühwerkanzusprechenden ölberg. Auch dort verhältnismässig starke Anlehnung an ein besonders in derNürnberger Plastik ausgebildetes Bildschema. Auch dort leichte Befangenheit bei eindringlicherBeseelung der Gesichter. Auch die unruhige Faltengebung, die sich von der grosszügig schnittigenLinienführung späterer Werke, vor allem des Marienaltars, deutlich abhebt, findet sichdort ähnlich. Im Einzelnen sind besonders der Gewandschurz vor den Knien der Anna und derflatternde Mantel des Schlafenden rechts auf dem Ölberg vergleichbar.Die zweite Anna Selbdritt-Gruppe hat seit je durch ihre ausserordentliche Ähnlichkeit mit dervorher besprochenen überrascht22). Sieht man ab von den durch die andere Haltung des Kindesbedingten Veränderungen, so lässt sich die Übereinstimmung bis in die Einzelheiten der Gewendhandlungverfolgen. Trotzdem atmet die Gruppe einen wesentlich anderen Geist.Alles ist breiter, ruhiger, lyrischer, reifer, satter. Die Motivänderung entspricht völlig diesemanderen Charakter des Bildwerks: Maria hält mit der einen Hand das Kind auf dem Schoss,während sie ihm mit der anderen die Brust reicht. Anna legt ihr mit zarter Bewegung die Handauf die Schulter; in der Linken hielt sie wohl einen Apfel oder Ähnliches. Die namentlich beiMaria gut erhaltene Fassung verstärkt, der aktiveren Gespanntheit der anderen Gruppe gegenüber,den Eindruck ruhig blühender Schönheit.Der Meister dieses Bildwerks (der auf keinen Fall mit dem des vorigen identisch ist) übersetztden westlich inspirierten Stil der ersten Gruppe in die lyrische Sprache des deutschen Südostens(zu dem Krakau kunstgeographisch fast immer gehört hat). Obwohl sein Werk zeitlich nachdem vorigen entstanden sein muss (denn bei jenem liegen die auf Nikolaus Gerhard zurückgehendenwestlichen Elemente noch offen zutage), greift es stilistisch auf ältere Schichten zurück,im Grunde noch (oder wieder) auf den „weichen Stil“ des Jahrhundertanfangs, der ja im Südostenseine reichste und reifste Blüte erfahren hatte. Es handelt sich offenbar um einen Meister inbereits vorgeschrittenem Alter. Gegenüber jenem leise befangenen Jugendwerk erscheint seineGruppe ausgeglichener und reifer, aber auch ärmer an Originalität und schöpferischer Spannung.Typisch ist der liebliche, aber im Ausdruck etwas leere K opf der Madonna. Das Gefühl des22) H olz. Die Fassung in Blau, Gold und R o t ziemlich gut erhalten, bei der Anna barocke Lasierungen darüber.Fhemals in der H olzkirche von Olsziny bei T am ow . 99 cm hoch. Aus dem Diözesanmuseum Tarnow. Katalog derAusstellung Polska sztuka gotycka (W arschau 1935) Nr. 72. K opera a. a. O. S. 109.50
Meisters für frauenhafte Zartheit kommt besonders in der das Kind haltenden Hand der Madonnazum Ausdruck.Man hat diese Gruppe mit den Gesprengefiguren des Stossischen Marienaltars in Verbindunggebracht23). Soweit ich das nach Fotos beurteilen kann (ich hatte noch keine Gelegenheit, diez. Zt. nicht mehr in Krakau befindlichen Originale zu studieren), wird damit in eine sehr fruchtbareRichtung gedeutet. Der breite K opf der Madonna, die etwas knöcherigen Hände, die Faltengebunglassen es als durchaus denkbar erscheinen, dass beide Werke vom selben Meister stammen.Dabei sei nur am Rande auf die Beziehungen der Gesprengefiguren zum Südosten, vor allem zurKaschauer Plastik verwiesen24).Ebenfalls am Rande sei hier der übrigen, in engerer oder weiterer Beziehung zum Meister selbststehenden Anna Selbdritt-Gruppen des Veit Stoss-Kreises gedacht: Wien25), Nürnberg28), Schwaz27)Szydlowiec28). Alle diese Gruppen zeigen die ältere Fassung des Themas: Anna hält Tochterund Enkel auf ihrem Schoss. Dass Veit Stoss sich auch noch später mit dem Thema befasste,davon zeugen die beiden späten Zeichnungen im Budapester Kupferstichkabinett29). Einezufällige Entdeckung mag schliesslich noch als Beleg für späte Nachwirkung mitgeteilt werden:an der Aussenwand des Hauses Lukiewicza 8 in Lemberg befindet sich eine bemalte, olfenbardem 18. Jahrhundert entstammende Relieffigur der Hl. Anna, die der Anna unserer beidenGruppen überraschend ähnlich ist.Befanden wir uns mit den beiden Anna Selbdritt-Gruppen in den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts,so überschreiten wir mit dem Holzrelief des Abschieds Christi von Maria aus demWarschauer Nationalmuseum bereits die Schwelle zum 16. Jahrhundert30). Ebenso deutlichist es, dass wir uns hier wesentlich weiter von der eigentlich Stossischen Kunst entfernen alsbisher. Ausserhalb des engeren Werkstattkreises entstanden, lässt dieses Werk den Einflussdes Veit Stoss nur allgemeiner verspüren: in dem Ernst, der den Vorgang durchwaltet, densteil-schweren Proportionen der Figuren, dem K opf Christi, der an den des Krakauer Ölbergreliefserinnert, den Köpfen mancher Apostel, besonders des Petrus, der dem des Krakauer Marientodesverwandt ist. Am wenigsten Stossisch sind die drei Frauen links und das rechts oben in luftigerFerne erscheinende Schloss; hier weht schon ganz die Luft des sechzehnten Jahrhunderts.Der Überlieferung nach stammt das Relief aus Schlesien. Dort finden sich in der Tat verwandteWerke. Ähnlich trocken gereihte Gestalten bei ähnlicher Behandlung von Gewändern,Gesichtern und Haaren finden sich bei schlesischen Schnitzwerken vom Anfang des 16. Jahrhunderts,etwa dem Sippenaltar von Nieder-Schwedeldorf31) oder drei Figuren aus Berndorf23) Lossnitzer a. a. 0 . S. 54.24) vgl. L. Gerevich, A Kassai Szt. Krzsebet tem plom szobräszata a 14— 16. szäzadban (Die Plastik der KaschauerElisabeth-Kathedrale im 14.— 16. Jahrhundert), Budapest 1935.26) aus der Anna-Kirche zu W ien, jetzt im dortigen Diözesan-Museum. Vgl. K . Rathe, Ein unbekanntes W erk desVeit Stoss in W ien (in: Kunstgeschichtl. Jahrbuch der K K . Zentralkommission 1909, S. 181 ff.); Lossnitzer a. a. O.S. 125— 126; K atalog der Nürnberger V eit Stoss-Ausstellung 1933 Nr. 18.2e) St. Jakobskirche. Daun a. a. O. S 84— 85; Lossnitzer a. a. O. S 147; K atalog der Nürnberger V eit Stoss AusstellungNr. 22.27) jetzt in Innsbrucker Privatbesitz. K atalog der Nürnberger V eit Stoss-Ausstellung Nr. 11.28) abgebildet in Sprawozdania K om isyi do badania historyi sztuki w Polsce Bd. 7, S. 139.29) K atalog der Nürnberger V eit Stoss-Ausstellung Nr. 73— 74. Eine der beiden Zeichnungen abgebildet bei Lutzea. a. O. S. 5.30) Holz. Die ursprüngliche Fassung entfernt. Nach Mitteilung der Vorbesitzerin aus der Pfarrkirche in Freiwaldau(Schlesien). 83 X 107 cm . Aus dem Nationalmuseum W arschau.31) Braune-Wiese Taf. 113.51
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