Nicht leicht zu deuten ist es, in welchem Zusammenhang die kleinen Halbfiguren ursprünglichangebracht waren. Offenbar waren sie als Zuschauer oder Richter an einer Szene beteiligt, ebensoscheint es sich bei dem König um Herodes zu handeln. Es wäre denkbar, dass die Figürchenursprünglich in der verlorenen Predella sassen, wo vielleicht das Verhör des Johannes durchHerodes oder etwas ähnliches dargestellt war.Der künstlerische Charakter der Reliefs ist bereits ganz renaissancehaft. Freude an der Landschaftund an bildnismässigem Realismus kennzeichnen die Aussenbilder. Behäbige, reich gekleidetePatrizierfrauen sitzen bei der Predigt des Täufers in der ersten Reihe; sehr ausdrucksvollsind die skeptisch nachdenklichen Gesichter der dahinterstehenden Männer. Bei den Aktfigurender Taufe im Jordan offenbart sich ein behaglich rundliches Körpergefühl, das nichts mehr vonder Spannung spätgotischer Askese hat. Die beiden anderen Szenen spielen sich in reichvertäfelten„altdeutschen“ Räumen ab. Dem Realismus der Köpfe (besonders die Zuschauer aufder Galerie bei der Enthauptung!) gesellt sich ein starkes Gefühl für höfisch elegante Haltung.Von unnachahmlich noblem Schwung ist die Gestalt der tanzenden Salome, die in dem rechtsam Pfeiler ihr gegenüber lehnenden Mann ein Echo findet. Bei den Musikanten ist der Einflussitalienischer Renaissanceplastik unverkennbar. Zu den prachtvollsten Leistungen der deutschenSchnitzkunst jener Zeit gehören die derben, nicht ohne Humor beobachteten Bauernköpfe derkleinen Halbfiguren.Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, dass diese Plastiken mit Veit Stoss nichts mehr zutun haben44). Die Freude an der Landschaft, die zottigen Haarschöpfe, der handfeste Realismusder gedrungenen Figuren, der grosse Schwung der festlichen Szenen und die leuchtende Farbe —dies alles weist unzweideutig auf donauländische Herkunft des Meisters, der aus Bayern oderder Ostmark kam. Ich möchte einer geplanten Spezialuntersuchung über diese reizvollen Fragmentenicht vorgreifen45) und deshalb nur kurz auf ein bayrisches Stück hinweisen, das derweiteren Forschung vielleicht einen Anhaltspunkt geben kann. In der Sammlung des HistorischenVereins zu Landshut befindet sich das stark beschädigte Relief einer Taufe Christi, dasoffenbar derselben Zeit wie unsere Fragmente entstammt und auch sonst verwandte Zügeaufweist46). Namentlich der Johannes ist dem auf den Reliefs sowie im Mittelschrein unseresAltars dargestellten Täufer ziemlich ähnlich. Von derselben Hand sind die beiden Werkenicht, doch dürften sie (stilistisch) in keinem sehr grossen Abstand voneinander entstandensein.44) Zur Zeit der Restauration um 1860 wurde der Altar von Grabowski, Hoszowski, Zebranski u. a. noch für ein W erkvon Veit Stoss gehalten, wogegen zuerst Essenwein, Die mittelalterlichen Kunstdenkm ale der Stadt Krakau, Leipzig1869, Bedenken erhob. Puszet a. a. O. S. 151— 152 wollte die Fragmente mit dem 1523 vollendeten Anna-Altar inder Nürnberger Lorenz-Kirche in Verbindung bringen. Da dessen Bilder von Hans von K ulm bach gemalt sind, vermuteteer, dass dieser auch bei den Krakauer Fragmenten beteiligt gewesen sei. Daun a. a. O. S. 143— 144 wandtesich dagegen und schrieb den Johannesaltar dem Stanislaus Stoss zu. Lossnitzer a. a. O. S. 122 deutete zuerst in dierichtige R ichtung mit dem Satz: „E r ist das Meisterwerk eines jungen, oberdeutschen Meisters aus der Donaugegend;ich kenne nur am Zwettler Altar verwandte Züge“ .46) Dr. Barthel in Breslau bereitet eine solche vor.46) abgebildet bei Halm , Studien zur süddeutschen Plastik II, S. 152— 153.Nachweis der Bildvorlagen:Nr. 1: Propaganda-Am t Krakau. Nr. 2: Christoph Müller, Nürnberg. Nr. 8: Kunstgeschichtl. Seminar Marburg.Nr. 10: Staatl. Museen Berlin. Alle anderen.Fotos: Institut für Deutsche Ostarbeit. Krakau.54
HANDWERKSRECHT UND H A N D W E R K S SIT T EIN DEN BILDERN <strong>DES</strong> BEHAIM-CODEXV O N A S S E S S O R J O H A N N W E R N E R N I E M A N N , L E M B E R GIm Jahre 1505 legte der Krakauer Stadtschreiber Balthasar Behem zu Krakau seinen Codexpictoratus an, der das Zunftleben dieser Stadt zur Zeit des ausgehenden Mittelalters in vielenkolorierten Miniaturen von bedeutendem künstlerischem Wert schildert. Kauf leute, Kramer,Kürschner, Bäcker, Schneider, Riemer, Goldschmiede, Bogner, Hüter, Rademacher und Wagner,Schuhmacher, Köchermacher und Sattler, Schwerdtfeger, Nadler, Bogenschützen, Schmiede,Seifensieder, Beutler, Senkelmacher und Bader sind in Miniaturen oder in ihren Zunftwappenvertreten. Die Kenntnis der Zünfte des Mittelalters resultiert weitgehend aus diesem Buche.Die Miniaturen des Behaim-Codex mit ihren Darstellungen aus dem Handwerkerleben sind einekulturgeschichtliche Quelle ersten Ranges, die uns — wie nur wenige andere — den Werktagdes Mittelalters nahe bringt. Der derbe Humor und die beissende Ironie im Dienste der Erziehungzum rechtlichen Handeln, die Anspielungen auf die Laster und Misstände der Zeit, die Freudeam bunten Leben und an den Sitten der einzelnen Zünfte — alles das begründet die geistigeVerwandtschaft des Malers mit den deutschen Volksdichtern und Volkserziehern des spatenMittelalters, vor allem mit dem „Narrenschiff“ Sebastian Brants und den Schwänken und Fabelnvon Hans Sachs1).Die Bilder lehren uns mühelos ein Stück Sittengeschichte jener Tage. Aus mancherlei Andeutungenhören wir die Schwänke, die sich Meister und Gesellen am Biertisch erzählten, heraus, erkennenwir die bei feierlichen Gelegenheiten geübten Bräuche wieder, die uns die literarischen Quellenüberliefert haben, werden uns schliesslich die Streitigkeiten der Zünfte untereinander und dieVorurteile sichtbar, die man manchen Zweigen des Handwerks entgegenbrachte.Wir sehen in das Innere einer Schneiderwerkstatt. Der Meister der am Tisch steht und emStück Tuch abschneidet, hat einen ausgesprochenen Ziegenbart, wie man ihn im Volks- undKinderlied auch heute dem Schneider noch nachsagt. Der Geselle der ihm gegenüber sitzt, futterteine Ziege mit Blättern, während er, ohne daran zu arbeiten, einen Rock über den Knien liegenhat. Er ist auffallend geckenhaft gekleidet und trägt einen Kranz auf dem Kopf.Die Krakauer Gesetze gegen den Luxus verboten gerade den Schneidern, auffallende und teureKleider zu tragen. Vielleicht um zu verhüten, dass sie sich vornehmer anzögen als ihre Kunden,vielleicht aber auch, um ihnen das Vergnügen daran zu nehmen, sich beim Zuschneiden Stoffgutzumachen. Der Geselle hat sich, wie um seine Verachtung gegen diese wahrscheinlich oftumgangene Verordnung zu zeigen, mitten am hellen Werktag besonders festlich angezogen.Der Kranz auf dem K opf und seine Gleichgültigkeit gegen den Rock auf seinen Knien lassendeutlich erkennen, dass er keine Lust zur Arbeit hat. Er feiert den „Blauen Montag , der dasganze Mittelalter hindurch der Kummer der Zunftmeister war und gegen den auch die KrakauerZünfte zahlreiche Verbote erlassen haben.Seine besondere Bewandtnis hat es aber damit, dass er die Ziege mit Blättern futtert. Das isteine Anspielung auf eine boshafte Geschichte, die im Volk über die Schneider umging. Hansi) W . Terlecki: Ze studjow nad m injatur* pol. X V I w. (Sprawozdania T ow Naukowego we Lwowie X . S.,1 5 ® .)St. Estreicher: M injatury K odeksu Bem a oraz Ich Treäc O byczajow a. (R ocznik Krakowski Band X X I V , 1933 S. 199 ü .).55
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2.) Die halbkreisförmige nach West
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