Das NABU-Schutzgebiet „Amphibienparadies Steinau-Marborn“
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CANCRINIT – DAS MINERAL MIT DEM NAMENSGEBER AUS DER REGION<br />
Abb. 4: Bild vom Graf Georg CANCRIN<br />
nach einem Ölgemälde von Johannes<br />
NIEDERHAUS, Historischer Forschungsverein<br />
der Deutschen aus<br />
Russland e.V.<br />
schaften, Philosophie und Bauwesen.<br />
Während seiner Urlaube aus Russland<br />
nahm Vater Franz Ludwig Einfluss auf<br />
die Erziehung seines Sohnes – Spezialwissen<br />
ist ein besseres Fundament als<br />
Fürstengunst und Philosophie. Aber<br />
der 23jährige veröffentlichte 1797 anonym<br />
eine Novelle „Dagobert, eine Geschichte<br />
aus den jetzigen Freiheitskriegen“,<br />
ein Epos auf das Heldentum<br />
republikanischer Offiziere in Frankreich.<br />
Da er in Deutschland keine Anstellung<br />
fand, ging Georg CANCRIN nach<br />
Russland und traf am 26. Mai 1779 in<br />
St. Petersburg ein. Die ersten Jahre in<br />
St. Petersburg waren die schwersten<br />
seines Lebens. Trotz des Einflusses seines<br />
Vaters bekam er keine Anstellung,<br />
auch weil er kein Russisch sprach (und<br />
auch später nie gut beherrschen sollte).<br />
So schlug er sich als Buchhalter, Abschreiber<br />
und Lehrer durch. Im Jahre<br />
1800 wurde Georg CANCRIN Gehilfe<br />
von Vater Franz Ludwig in der Saline<br />
von Staraja-Russa. 1803 wurde er ins<br />
Innenministerium nach St. Petersburg<br />
versetzt und beschäftigte sich dort mit<br />
der Salzgewinnung in ganz Russland.<br />
Bei den Reisen sah er die Not der Bevölkerung.<br />
1805 wurde er Staatsrat,<br />
1809 wurde er Inspektor der ausländischen<br />
Kolonien in St. Petersburg, deren<br />
Bewohner aus Deutschland, Holland,<br />
Frankreich, England und Italien stammten.<br />
Mit der napoleonischen Bedro-<br />
hung im Geist, schrieb er das Werk<br />
„Fragmente über die Kriegskunst nach<br />
Gesichtspunkten der militärischen Philosophie“,<br />
welches 1809 veröffentlicht<br />
wurde. Darin empfahl er die Weite<br />
(und das Klima) Russlands für die Abwehrstrategie<br />
zu nutzen, aufbauend<br />
der These, dass bei einem tiefen Eindringen<br />
des Feindes die Verpflegung<br />
immer schwieriger werden würde – der<br />
entscheidende Vorteil für die eigenen<br />
Truppen. Der russische General Barclay<br />
DE TOLLY wandte die Strategie in<br />
dem Krieg mit NAPOLEON an, dessen<br />
große Armee im russischen Winter<br />
1812 wurde die Armee tatsächlich vollständig<br />
aufgerieben. Schon 1811 war<br />
CANCRIN zum Assistenten des General-Proviantmeisters<br />
im Kriegsministerium<br />
ernannt worden; 1815 wurde er in<br />
Paris zum General befördert. Dann verhandelte<br />
er in Wien um die Versorgungskosten<br />
der russischen Truppen<br />
in den Kriegsjahren 1813 bis 1815; statt<br />
250 Millionen Rubel brauchte Russland<br />
nur noch 60 Millionen Rubel bezahlen.<br />
1816 heiratete Georg CANCRIN Ekanterina<br />
Zacharowna MURAV’EVA, eine<br />
Verwandte des Generals Barclay DE<br />
TROLLEY und Nichte von ALEXAN-<br />
DER I. Seine Söhne wurden evangelisch-reformiert,<br />
die Töchter orthodox<br />
getauft.<br />
1818 veröffentlichte er eine Schrift<br />
zur wirtschaftlichen Situation der Bauernschaft<br />
in Russland, die zu einem<br />
großen Teil aus Leibeigenen bestand.<br />
1821 kam ein neues Buch hinzu: „Weltreichtum,<br />
Nationalreichtum und Staatswirtschaft“.<br />
Darin beschrieb er die<br />
merkantile Situation in Europa in<br />
Wechselwirkung mit Russland – ein<br />
Regie rungsprogramm. Daraufhin entschied<br />
Zar ALEXANDER I., CANCRIN<br />
an Ostern 1823 zum Finanzminister<br />
zu bestellen. CANCRIN schränkte die<br />
Staatsausgaben ein und ließ die wertlosen<br />
Papierrubel gegen Silberrubel<br />
mit entsprechender Deckung tauschen<br />
(es gab keine Münzeinheit und 3 verschiedene<br />
Kurse). Als loyaler Staatsdiener<br />
beteiligte er sich nicht an Intrigen<br />
und Umsturzversuchen wie z. B. 1825.<br />
Um den wirtschaftlichen Anschluss<br />
ans Ausland finden zu können, wollte<br />
man die Schwelle von der Manufaktur<br />
zur Industrie überschreiten. Dazu war<br />
ausländisches Kapital notwendig. Als<br />
Finanzminister gab er der Wirtschaft<br />
Schutz und Ordnung, förderte den<br />
Bergbau, gründete Fabriken und in<br />
St. Petersburg eine Schule zur Ausbildung<br />
von Ingenieuren. In der Folgezeit<br />
verfasste er ein dreibändiges Werk zur<br />
Militärökonomie („Über die Militär-<br />
Ökonomie im Frieden und Krieg“,<br />
3 Bände, 1834 ff), und später noch „Die<br />
Ökonomie der menschlichen Gesellschaft<br />
und das Finanzwesen“ (1845).<br />
Als einzigen Beitrag zur Kenntnis der<br />
reichen Minerallagerstätten des Landes<br />
verfasste er eine wichtige Abhandlung<br />
über die Lagerung der Diamanten im<br />
Ural (Bullet. de la soc. geolog. de France<br />
1833, IV.; SCHENKENBERG 1842:19).<br />
Seine Schriften wurden in deutscher<br />
Sprache herausgegeben, russische<br />
Übersetzungen sind erst 1894 gedruckt<br />
worden.<br />
Im September 1843 besuchte CAN-<br />
CRIN auf dem Weg nach Paris mit seiner<br />
Frau zum letzten Male die Heimat<br />
seiner Väter, seinen Geburtsort Hanau<br />
und das Kinzigtal. Er wohnte dazu im<br />
Gasthof „Zum Riesen“ in Hanau und<br />
ließ sich, weil er Sehnsucht nach einer<br />
Stätte seiner frühen Kindheit hatte,<br />
nach Wilhelmsbad fahren (SIEBERT<br />
1919:20 f).<br />
Ein so korrekter Finanzminister wie<br />
Georg CANCRIN schuf sich Feinde,<br />
insbesondere als er die Korruption bekämpfen<br />
ließ. Unter seiner Amtszeit<br />
wuchsen fähige Beamten heran, die<br />
durch eine bessere Besoldung weniger<br />
anfällig für Bestechungen waren. Nach<br />
21 Jahren als Finanzminister ging<br />
Georg CANCRIN 1844 in den ersehnten<br />
Ruhestand, während seiner Amtszeit<br />
diente er drei verschiedenen Zaren.<br />
Kurz vor seinem Tod brachte er<br />
noch eine Novelle heraus „Phantasiebilder<br />
eines Blinden“ (18??), dessen<br />
eigenartigen Titel er wohl wählte, da<br />
seine Sehkraft in den letzten Lebensjahren<br />
sehr schwand. Er verstarb am 9.<br />
September 1845 im Petersburger Vorort<br />
Pawlowsk. Wie Franz Ludwig CAN-<br />
CRIN wurde auch Georg CANCRIN<br />
in St. Petersburg beerdigt 30 . Seine Reisetagebücher<br />
(1840–1845) hat sein<br />
Schwiegersohn, Alexander Graf KEY-<br />
SERLING, Gelehrter und Kurator der<br />
Universität von Dorpat, 1865 herausgegeben<br />
(KEYSERLING 1865).<br />
Über die Nachfahren von Georg<br />
CANCRIN ist nichts bekannt geworden.<br />
MKK · Mitteilungsblatt · Zentrum für Regionalgeschichte 34. Jahrgang · 2009