Das NABU-Schutzgebiet „Amphibienparadies Steinau-Marborn“
Das NABU-Schutzgebiet „Amphibienparadies Steinau-Marborn“
Das NABU-Schutzgebiet „Amphibienparadies Steinau-Marborn“
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
DAS LÄUTHÄUSCHEN UND ANDERE MITTELPUNKTE IN HAILER<br />
Blick auf das Läuthäuschen mit noch<br />
ländlich geprägter Pforte, um 1925. Bild<br />
aus Bildband „Meerholz-Hailer“, 1991.<br />
Dieser Ausschnitt aus der historischen<br />
Landeskarte des Frankfurters Elias Hoffmann<br />
von 1585 zeigt Hailer als kompaktes<br />
Dorf (Haufendorf ) in einer bildlichen<br />
Darstellung. Quelle: StA Marburg<br />
P II 14.932 „Grenze zwischen Hanau<br />
u. Ysenburg bei Altenhaßlau und Hailer“.<br />
<strong>Das</strong> Ende der Weede dürfte um das<br />
Jahr 1865 anzusiedeln sein. Der sogenannte<br />
„Lache-Brandweiher“, am nördlichen<br />
Rand von Hailer gelegen, übernahm<br />
ihre Funktion. Durch den Wegfall<br />
der Weede vergrößerte sich das<br />
Areal an der Pforte, das nunmehr bei<br />
dörflichen Festlichkeiten bestmöglichst<br />
genutzt werden konnte. Karussell,<br />
Schießbuden, Süßigkeiten- und Würstchenstände,<br />
auch „fliegende Händler“<br />
fanden einen angemessenen Platz. Natürlich<br />
musste der Bereich auch während<br />
des Nationalsozialismus ab 1935<br />
als Treffpunkt für SA, HJ, Jungvolk,<br />
BDM und ähnliche Verbände herhalten.<br />
Mit dem Hissen der weißen Fahne<br />
am Läuthäuschen beim Einrücken der<br />
Amerikaner im Frühjahr 1945 endete<br />
die Zeit des großen Marschierens.<br />
Zur Geschichte der Pforte zählt desweiteren<br />
eine spektakuläre Begebenheit<br />
aus dem Jahr 1906. Fein herausgeputzt<br />
und zur „Ehrenpforte“ erhoben,<br />
präsentierte sie sich Kaiser Wilhelm II.<br />
anlässlich seines Hochzeitsbesuches<br />
im Meerholzer Schloss. Langsam fuhr<br />
das aus Gelnhausen kommende Automobil<br />
an den zahlreich versammelten<br />
Hailerer Untertanen vorbei, die ihrem<br />
Monarchen begeistert huldigten. <strong>Das</strong><br />
kaum fünf Minuten andauernde Vergnügen<br />
belastete den Gemeindesäckel<br />
immerhin mit stolzen 469,12 Mark; damals<br />
viel Geld.<br />
Der im Zuge moderner Straßenbaumaßnahmen<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
wieder kleiner gewordene Pfortenplatz<br />
konnte nun nicht mehr genügend<br />
Raum für Festlichkeiten bieten.<br />
Hin und wieder fanden und finden zwar<br />
Veranstaltungen statt, auch der alljährlich<br />
aufgestellte Weihnachtsbaum erinnert<br />
zaghaft an den mittlerweile tatsächlichen<br />
Mittelpunkt des Ortes, aber<br />
das gewisse „Flair“ fehlt. Es war deshalb<br />
nur eine Frage der Zeit, bis sich engagierte<br />
heimatverbundene Bürger für<br />
eine Umgestaltung des Bereiches an der<br />
Pforte einsetzten. Der 1994 gegründete<br />
„Arbeitskreis Ortsentwicklung Hailer“<br />
befasste sich ausgiebig mit der Schaffung<br />
eines angemessenen „Dorfplatzes“.<br />
An Vorschlägen und Entwürfen mangelte<br />
es nicht. Eine Umsetzung scheiterte<br />
jedoch bisher an finanziellen Möglichkeiten<br />
Als Trostpflaster entstand<br />
angrenzend an das Läuthäuschen ein<br />
kleiner, bescheidener Garten, das „Totenhöfchen“.<br />
Die in ihn gestellten Erwartungen<br />
als „Stelldichein“ konnte er schon<br />
wegen seiner etwas versteckten Lage<br />
nicht erfüllen. <strong>Das</strong> war 1864 anders. Obwohl<br />
seinerzeit noch Friedhof, trafen<br />
sich hier, sehr zum Missfallen der kirchlichen<br />
Obrigkeit, oft Erwachsene zum<br />
Austausch von Neuigkeiten, Kinder zum<br />
Spielen, und auch das liebe Federvieh<br />
der benachbarten Bewohner tummelte<br />
sich auf dem Gräberfeld. Es ist sehr anzuzweifeln,<br />
ob man die leidige Misere<br />
ganz abstellen konnte. Nun, nach fast<br />
zwanzigjährigen Bemühungen, zeichnete<br />
sich eine akzeptable Lösung des<br />
Problems „Pforte“ ab. Im Sommer 2009<br />
begannen die Umgestaltungsarbeiten,<br />
die nach dreimonatiger Dauer frist -<br />
-gerecht endeten, und die, vor allem<br />
wegen umfangreicher Tiefbauarbeiten,<br />
mit 290.000 Euro zu Buche schlugen.<br />
Die Einweihung nahmen dann Bürgermeister<br />
Thorsten Stolz und die Hailerer<br />
Ortsvorsteherin Claudia Dorn am Mittwoch,<br />
den 16. September, in Anwesenheit<br />
zahlreicher Gäste vor. Musikalisch<br />
begleitet wurde die abendliche Feier von<br />
der Volkskapelle Hailer. Hailer hat jetzt<br />
endlich seinen echten Mittelpunkt –<br />
sowohl geographisch, als auch kulturell.<br />
Was war aber in den Jahrhunderten<br />
zuvor? Hailer, eine kompakte Ansiedlung,<br />
auch als Haufendorf bezeichnet,<br />
verfügte über keine größeren Freiflächen.<br />
Ein Zentrum, wie in den Städten<br />
die Marktplätze, sucht man auf alten<br />
Dorfkarten vergeblich. Da auch die geschichtlichen<br />
Quellen darüber schweigen,<br />
ist der Versuch einer eigenen Deutung<br />
sicherlich legitim. Im Allgemeinen<br />
könnten im Spätmittelalter und in<br />
der beginnenden Neuzeit hauptsächlich<br />
die Dorfbrunnen ständige Stätten<br />
der Begegnungen gewesen sein.<br />
Ebenso waren Friedhof, kirchliche- und<br />
weltliche Einrichtungen, sowie auch<br />
die einzig erlaubte Gaststätte und Herberge,<br />
die „Erbleihwirtschaft“, wichtig<br />
für Zusammenkünfte und Gesprächsaustausch.<br />
Eine romantisch verklärte<br />
Rolle dürfte vor allem der ziemlich zentral<br />
gelegene „Lenneborn“, ein Brunnen<br />
an einer alten Dorflinde, gespielt<br />
haben. Vermutlich war die kleine<br />
Anlage eher vorhanden, als das im 18.<br />
Jahrhundert hinzu gebaute Rathausund<br />
Backhausensemble. Alten Hailerer<br />
Bürgern war der Lindenborn durchaus<br />
noch ein Begriff. Durch die Renovierung<br />
des Platzes und Anpflanzung<br />
einer jungen Linde wurde schon vor<br />
etlichen Jahren dieser historische Mittelpunkt<br />
in Erinnerung gebracht.<br />
Nach den gewonnenen Erkenntnissen<br />
ist dem Dorf Hailer, jetzt Stadtteil<br />
von Gelnhausen, das Prädikat „Mittelpunkt“<br />
eigentlich doppelt zuzuschreiben,<br />
einmal aus aktueller Sicht in<br />
Bezug auf die „Pforte“, zum anderen<br />
im Hinblick auf die Historie „Lindenborn“.<br />
Zu guter Letzt bleibt noch anzumerken,<br />
dass womöglich mancher Hailerer<br />
„seinen“ Mittelpunkt abweichend<br />
sieht. Für Treffen und Geselligkeit<br />
bieten sich natürlich Gaststätten, Kaffees,<br />
Imbissstuben, Vereinsheime und<br />
Sporteinrichtungen an, um nur einige<br />
zu nennen; nicht zu vergessen die Zentren<br />
Ortsverwaltung mit Feuerwehr<br />
und die Jahnhalle. Auch der Eingang<br />
zum alten Dorf, von Gelnhausen her,<br />
hat seine wechselvolle Geschichte. Für<br />
die alten Hailerer war der heute bebaute<br />
kleine Platz seit Menschen -<br />
gedenken schlicht und einfach das<br />
„Säuplätzi“, Sammelpunkt für die<br />
Schweine, die von dort zur Weide getrieben<br />
wurden. ■<br />
48 MKK · Mitteilungsblatt · Zentrum für Regionalgeschichte 34. Jahrgang · 2009