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11. - KOPS

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Zeitgeschichte des Buddhismus<br />

Juden kamen immer weniger. Durch Müllers Tätigkeit im Generalkommando<br />

erfuhr ich schon 1941 und 1942 davon, daß in den deutschen<br />

Gefangenenlagern Hundertausende von sowjetischen Gefangenen verhungerten.<br />

Man war angeblich auf Millionen von Kriegsgefangenen nicht<br />

vorbereitet. Dabei hatte man doch an der Ostfront mit einem schnellen<br />

Vormarsch gerechnet und hätte deshalb auch hohe Gefangenenzahlen<br />

einplanen müssen. Immerhin, Müller war zu solchen und ähnlichen<br />

Informationen bereit. Ansonsten war im Streit der Ideologien und Religionen<br />

der Bekennermut der Buddhisten nicht gerade groß. Im Gegenteil,<br />

man war sehr vorsichtig. Machte man z. B. in Büchern besondere<br />

Anstreichungen mit Rotstift, so führte man diese auf der gegenüberliegenden<br />

Seite aus, so daß nicht so leicht zu erkennen war, was man als<br />

bemerke nswert kennzeichnen wollte. Tarnung war wichtig, auch für<br />

Buddhisten. Auf Bahnhöfen und in öffentlichen Gebäuden sah man<br />

überall Plakate "Vorsicht, Feind hört mit!". Für uns Buddhisten hatte das<br />

einen doppelten Sinn "Vorsicht, die Nazis hören mit!". Auf den Plakaten<br />

waren gräßliche Gestalten abgebildet, die wir gedanklich auf die Gestapo<br />

übertrugen. [ ... ]<br />

Arno Müller war als Buddhist natürlich auch Pazifist. Er erzählte<br />

mir, daß er sich während des Ersten Weltkrieges dem Militärdienst entziehen<br />

wollte und versucht hatte, nach Dänemark zu fliehen. An der<br />

Grenze wurde er jedoch festgenommen und nach Breslau zurückgeschickt.<br />

Mehr passierte ihm damals nicht. So einfach wäre es wohl im<br />

Zweiten Weltkrieg unter dem Nazi-Regime nicht davongekommen. Aus<br />

diesem Grunde unternahm er diesmal vorerst keinen Fluchtversuch. Erst<br />

1944 gelang es Müller zu desertieren. Er war inzwischen nach Südfrankreich<br />

versetzt worden. Beim Rückzug aus dem Rhonetal mußte<br />

seine Truppe bereitstehende Lastwagen besteigen. Müller erklärte, er<br />

habe eine Aktentasche mit Dokumente n "vergessen", die er noch holen<br />

müsse. Er kehrte natürlich nicht zu sei ner Einheit zurück, die sich inzwischen<br />

schon ohne ihn abgesetzt hatte. Müller schloß sich de r Resistance<br />

an. Die Einzelheiten seiner Flucht erfuhr ich brieflich 1948 von Müllers<br />

Wirtschafterin, Fr!. Thamm, die ihn und seine Mutter in Breslau betreut<br />

hatte. Nach dem Kriege lebte er in Postdam. Dort heiratete er auch. 1957<br />

zog er nach Magdeburg, wo er am 12.6. 1984 im Alter von 84 Jahren<br />

starb. [ ... ]<br />

All diese persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse charakterisieren<br />

die Lage der Buddhisten in der Nazi-Zeit. An irgendwelchen Widerstand<br />

gegen das herrschende Regime oder gar an einen organisierten Widerstand<br />

war nicht zu denken. Die Buddhisten waren ja selber nicht organi-<br />

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