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Ebbe in den Biergläsern: Der Streil{ begann um 6 Uhr<br />

Produktion der drei Stuttgarter <strong>Brauereien</strong> vollständig lahmgelegt- Arbeitskampf soll weiter ausgedehnt werden<br />

STUTIGAI\r Uk)- "Am 18. November<br />

war nichts drin, drum schmeißen wir<br />

den Bettel hin." Mit diesem Schild um<br />

den Hals stand Bernd Roth gestern bis in<br />

die Mittagsstunden mit seinen Betriebsrats-Kollegen<br />

der Brauerei Dinkelacker<br />

vor dem Firmengelände in der Tübinger<br />

Straße. Um 6 Uhr früh hatte der erste<br />

<strong>Streik</strong> von rund 1000 Mitarbeitern in<br />

den drei großen Stuttgarter <strong>Brauereien</strong><br />

begonnen. In den Sudhäusern bei<br />

Schwaben Bräu, Hofbräu und Dinkelakker<br />

war die Produktion lahmgelegt Es<br />

wurde kein Bier gebraut - die Förderbänder<br />

standen still, die Flaschen blieben<br />

leer, es wurde auch kein Gerstensaft<br />

ausgefah\en. Kurzum: An der Bierfront<br />

herrscht seit gestern Ebbe.<br />

Die frierenden <strong>Streik</strong>posten vor den<br />

Werkstoren gaben sich optimistisch. Sie<br />

hoffen auf acht Prozent mehr Lohn.<br />

"Damit wären wir zufrieden", sagte<br />

Willi Lieb und lächelte. Mit den sieben<br />

Prozent, die die Arbeitgeber rückwirkend<br />

ab 1. Oktober angeboten hatten,<br />

will man sich nicht ;zufriedengeben. "Da<br />

muß mehr rausspringen, schließlich haben<br />

die <strong>Brauereien</strong> in den vergangenen<br />

Jahren sehr gut verd ient."<br />

Um 5 Uhr wurde gestern bei Dinkelakker<br />

die letzte Sudpfanne geleert. "Danach<br />

lief nichts mehr" , bestätigt Volker<br />

Henne, Vertriebs- und Marketing-Chef<br />

bei Dinkelacker. Erfreulich aus seiner<br />

Sicht: "Der <strong>Streik</strong> begann ohne grolle<br />

Hektik und Polemik." Die Produktionsstätten<br />

blieben gestern von 6 Uhr an<br />

verwaist, nur in der Verwaltung wurde<br />

normal gearbeitet.<br />

"Das ist für uns eine ganz neue Erfahrung",<br />

sagt Lutz Zell er von der Hofbräu<br />

AG. Einen Brauereistreik gab's noch<br />

nie, entsprechend sieht es in den Lagerhallen<br />

aus. Wo sich sonst die Bierkisten<br />

meterhoch türmen, blieb gestern alles<br />

leer. "Wir haben kein Weihnachtsbier<br />

und kein Pilsner mehr." Nur noch einige<br />

Paletten Weizenbier und alkoholfreies<br />

Bier standen zur Auslieferung bereit.<br />

6000 bis 7000 Hektoliter Gerstensaft<br />

wurden ,vor dem <strong>Streik</strong> täglich bei Hofbräu<br />

produziert. "20 Prozent mehr als<br />

sonst" , sagt Zell er. Überstunden wurden<br />

dafür keine geleistet. "Die wurden<br />

vom Betriebsrat abgelehnt." Die Kunden<br />

von Schwaben Bräu, Dinkelacker<br />

und Hofbräu haben in den vergangenen<br />

Tagen ihre Lager nochmals kräftig aufgefüllt.<br />

Die Umsatzzahlen belegen das.<br />

Volker Henne: "Wir hatten Auslieferungszahlen<br />

wie im Sommer." Auch bei<br />

Hofbräu wurden 20 bis 30 Prozent<br />

mehr ausgeliefert.<br />

"Positiv überrascht" vom <strong>Streik</strong>verlauf<br />

zeigte sich Herber! Berger von der Gewerkschaft<br />

Nahrung-Genuß-Gaststätten.<br />

Obwohl die Arbeitgeber gestern<br />

wieder Gesprächsbereitschaft signalisierten,<br />

rechnet Berger mit einem längeren<br />

Arbeitskampf. Am Montag wird der<br />

<strong>Streik</strong> auf weitere neun <strong>Brauereien</strong> in<br />

Baden-Württemberg ausgedehnt, darunter<br />

auch die Waldhorn-Brauerei in<br />

Plochingen.<br />

Einkommensverbesserungen von elf<br />

Prozent hat die g・セ・イォウ」ィ。ヲエ@ für die<br />

6800 Brauereimitarbeiter im Südwesten<br />

gefordert und begründet dies mit den<br />

hohen Erträgen der <strong>Brauereien</strong>. "In diesem<br />

Jahr haben die Unternehmen eine<br />

landesweite Bierpreiserhöhung von<br />

rund sieben Prozent voll an die Kunden<br />

weitergegeben", sagte Herber! Berger.<br />

Davon und vom erhöhten Bierausstoß<br />

wollten die Brauer nun ein Stück abhaben.<br />

Wenn sich die Mitarbeiter/innen<br />

der großen <strong>Brauereien</strong> Mitte Dezember<br />

zu ihren Weihnachtsfeiern versammeln,<br />

werden sie (hoffentlich) mit einem Glas<br />

Bier auf die neuen Löhne anstoßen können.<br />

Die <strong>Streik</strong>posten vor den Werkstoren<br />

hatten gestern keine Lust auf Bier.<br />

Ein Schlückchen Tee oder Glühwein<br />

schmeckte bei der Kälte besser.<br />

ln den Stuttgarter <strong>Brauereien</strong> wurde gestern kein Liter Gerstensaft produziert. Der <strong>Streik</strong> der rund 1000 Brauereimitarbeiter<br />

begann pünktlich um 6 Uhr und wird am Montag auf weitere Betriebe in Baden-Württemberg ausgedehnt Foto: Klopfer<br />

ESJingE r Zeitung<br />

W-73uO Esslingen<br />

STAMM 3J: 41.2<br />

30. J 1. ?J

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