Prüfingenieur 34 - Bundesvereinigung der Prüfingenieure für ...
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ei uns das Problem, dass ein Leistungserbringer,<br />
wenn er einen Vertrag unterschreibt, sich damit zu<br />
gewissen Standards bekennt. Deshalb müsste man<br />
meinen, es liefe alles entsprechend dem Vertrag und<br />
deshalb auch mit rechten Dingen ab.<br />
Das Problem ist allerdings, dass keine Kontrolle<br />
vorgenommen wird. Eigentlich müsste <strong>der</strong> Kunde<br />
o<strong>der</strong> Patient die Einhaltung von vertraglichen Standards<br />
ja am besten überprüfen können, indem er,<br />
wenn er schlecht versorgt wurde, den Leistungserbringer<br />
wechselt. Da er das aber neuerdings nicht<br />
mehr kann, wie ich vorhin schon erläutert habe, müsste<br />
die Kontrolle den Krankenkassen obliegen. Die<br />
aber hat daran kein Interesse, weil solche Kontrollen<br />
einfach zu teuer sind. Wenn die Krankenkassen die<br />
Vertragstreue eines jeden Leistungserbringers überprüfen<br />
müssten, indem sie beispielsweise Testkäufe<br />
initiieren und durchführten, würden die Kosteneinsparungen,<br />
die sie mit den vorhin erläuterten Ausschreibungen<br />
realisieren sollen, wegfallen. Eine Kontrolle<br />
<strong>der</strong> Vertragsinhalte findet in <strong>der</strong> Praxis de facto<br />
also nicht statt.<br />
Halbach:<br />
Über die Ursachenforschung <strong>für</strong> den Qualitätsverlust<br />
haben wir gesprochen, über ökonomische<br />
Zwänge und über die europäische Gesetzgebung. Ein<br />
weiterer Aspekt ist die Globalisierung, und zwar aus<br />
zweierlei Hinsicht: einmal hinsichtlich <strong>der</strong> Bauproduktenrichtlinie,<br />
da spreche ich jetzt den Baufachmann<br />
an, aber auch hinsichtlich des freien Verkehrs<br />
von Arbeitnehmern, <strong>der</strong> ja offenbar auch ein riesiges<br />
Problem <strong>der</strong> deutschen Bauwirtschaft ist. Dazu etwas<br />
Statistik: Seit 1995 hat sich die Zahl <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />
im deutschen Bauwesen mehr als halbiert, dieser Verlust<br />
wurde aufgefangen durch ungelernte Leute aus<br />
dem Ausland. Ist die Globalisierung – und damit zusammenhängend<br />
– das Personal und sind die Bauprodukte<br />
ein weiteres Problem im Zusammenhang mit<br />
dem Qualitätsverlust?<br />
Nußbaumer:<br />
Ja. Sie sprechen da einen wichtigen und richtigen<br />
Punkt an. Alle großen Baufirmen mussten vor<br />
zwölf o<strong>der</strong> fünfzehn Jahren aus Wettbewerbsgründen<br />
Personal entlassen, und zwar Fachpersonal, das<br />
in die Frühpensionierung geschickt worden ist. Die<br />
Firmen haben dann Werklohnunternehmer aus Osteuropa<br />
o<strong>der</strong> Südosteuropa engagiert; die aber waren<br />
verglichen mit den heimischen eigenen bisherigen<br />
Fachkräften von sehr unterschiedlicher Qualität.<br />
Wer keinen guten Werklohnunternehmer hatte,<br />
<strong>der</strong> hat zwangsläufig sehr viel Ausschuss produ-<br />
PODIUMSDISKUSSION SICHERHEIT<br />
22<br />
Der <strong>Prüfingenieur</strong> April 2009<br />
ziert, das muss man schon zugeben. Diese Entwicklung<br />
hat <strong>der</strong> deutschen Bauwirtschaft sehr geschadet.<br />
Halbach:<br />
Pragmatische Lösungen ohne Kontrolle, da<strong>für</strong><br />
plädiert Professor Nußbaumer. Welcher Meinung<br />
sind sie, Herr Professor Odoj?<br />
Odoj:<br />
Ich bin <strong>der</strong> Meinung, wir laufen Gefahr, dass<br />
wir überreguliert werden, dass wir zu viele Papiere<br />
produzieren, und dass es deshalb auch nicht besser<br />
werden wird. Ich komme heute als Qualitätskontrolleur<br />
in viele Labors, auch in chemische Labors.<br />
Das erste, was dort gezeigt wird, ist die Akkreditierungsurkunde:<br />
„Nach DIN ISO 9000 zertifiziert“.<br />
Solche Labors sind tatsächlich <strong>der</strong> Ansicht,<br />
nun müssten sie nichts mehr tun, weil sie ja „qualifiziert“<br />
seien. Und weil sie qualifiziert und zertifiziert<br />
seien, so meinen sie, komme die qualifizierte Arbeit,<br />
die richtige Analyse von ganz allein und von selbst.<br />
Dass die Arbeit, die Analyseergebnisse, nicht besser<br />
sein können als vorher, das ist klar, wird aber gerne<br />
übersehen.<br />
Man darf sich also auf solche Urkunden nicht<br />
verlassen. Wir sind vielmehr darauf angewiesen, Personal<br />
mit Gewissen und mit Fachwissen zu haben,<br />
wir sollten die Menschen ordentlich ausbilden und<br />
nicht jeden ungeeigneten Studierenden unter dem<br />
Druck einer scheinbaren moralischen Verpflichtung<br />
annehmen und bis oben durchschleppen.<br />
Halbach<br />
Als Problemlösung hat die BVPI erkannt, dass<br />
Verhaltenskodizes überaus wichtig seien, um sich <strong>der</strong><br />
Verantwortung bewusst zu werden. Eine Möglichkeit<br />
<strong>der</strong> Problemlösung könnten vielleicht aber auch härtere<br />
Strafen sein. Wäre das, Herr Professor Odoj, eine<br />
Möglichkeit?<br />
Odoj:<br />
Da will ich, bezogen auf den Straßenverkehr,<br />
aber auch zu unserem Thema passend, wie ich finde,<br />
nur einen Satz sagen: Höhere Strafgebühren führen<br />
nicht zum vorgeschriebenen Verhalten, son<strong>der</strong>n erhöhen<br />
nur die Gefahr, erwischt zu werden.