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TECHNIK<br />
LESERFRAGEN<br />
Belastung am<br />
Lenkkopf unten:<br />
ca. 1200 kg<br />
Belastung am<br />
Lenkkopf<br />
oben:<br />
ca. 900 kg<br />
AUF BIEG<br />
UND BRE<br />
Hebelarm:<br />
zirka 880 mm<br />
aus Radhalbmesser<br />
und Gabellänge<br />
(eingetaucht) und 300<br />
kg Bremslast am<br />
Radaufstandspunkt<br />
BREMSVERZÖGERUNG MIT<br />
9,81 m/s 2<br />
Bedingt durch den langen<br />
Hebelarm zwischen Radaufstandsfläche<br />
und der Klemmung<br />
an der unteren Gabelbrücke<br />
entsteht dort eine Biegebelastung<br />
von zirka 1200<br />
Kilogramm. Eine handelsübliche<br />
Upside-down-Gabel kann<br />
sich deshalb bei einer Vollbremsung<br />
mit voller Zuladung<br />
um bis zu 15 Millimeter nach<br />
hinten durchbiegen (gemessen<br />
an der Radachse)<br />
ca. 300 kg<br />
WERNER KOCH<br />
<strong>PS</strong>-Technik-Versteher Werner<br />
„Mini“ Koch beantwortet Leserfragen<br />
zu Reifen, Bremsen,<br />
Fahrzeuggeometrie, Fahrwerk<br />
und allem, was Sie beschäftigt.<br />
Fragen an: <strong>PS</strong>@motorpresse.de,<br />
bitte „Technik“ im Betreff<br />
angeben.<br />
Text: Werner Koch<br />
Fotos: fact (2), Yamaha<br />
Zeichnung: Schermer<br />
? Warum, so fragt <strong>PS</strong>-Leser Gernot<br />
Kalster, führt besonders bei Sportlern<br />
kein Weg an der Telegabel vorbei?<br />
<strong>PS</strong>-Antwort Was hat man sich nicht<br />
alles einfallen lassen. Achsschenkellenkung,<br />
Trapezgabel, Nabenlenkung,<br />
Kurz- und Langschwinge, geschoben<br />
oder gezogen, doch die Revolution<br />
prallte immer an der Telegabel ab.<br />
Aus heutiger Sicht erledigt keine<br />
noch so raffinierte Vorderradführung<br />
die vielfache Aufgabenstellung so perfekt<br />
wie die Telegabel. Hinterleuchtet<br />
man diese Konstruktion genauer, kommen<br />
zwar einige offensichtliche Schwächen<br />
zutage, doch in der Summe seiner<br />
Eigenschaften ist das Rohr-in-Rohr-<br />
Konstrukt unschlagbar. Zumal sich<br />
manche theoretischen Nachteile in der<br />
Praxis umkehren. So verändert sich<br />
beim Bremsen mit der Telegabel, egal,<br />
ob Upside-down oder konventionell,<br />
die Lenkgeometrie je nach Federweg<br />
dramatisch in Richtung „instabil“. Kleines<br />
Beispiel: Durch das Eintauchen der<br />
Front bei gleichzeitigem Ausfedern des<br />
Hecks verringert sich der Nachlauf eines<br />
Sportmotorrads von rund 100 auf<br />
75 Millimeter, während der Lenkkopfwinkel<br />
sich von 66 auf knapp 70 Grad<br />
verändert und somit extrem steil steht.<br />
Weil sich die Telegabel bedingt durch<br />
die Schrägstellung (Lenkkopfwinkel)<br />
nicht nur nach oben, sondern auch<br />
nach hinten bewegt, verkürzt sich zudem<br />
der Radstand von 1450 auf 1405<br />
Millimeter. Insgesamt hat das Motorrad<br />
in dieser Bremsphase theoretisch<br />
also eine höchst instabile Geometrie –<br />
mit dem immensen Vorteil, dass es sich<br />
auf der Bremse leicht und schnell in<br />
Schräglage bringen lässt. Die notwendige<br />
Stabilität ergibt sich aus der<br />
hohen Rückstellkraft des Nachlaufs<br />
durch das abgebremste Vorderrad. Im<br />
umgekehrten Fall, also beim vollen Beschleunigen,<br />
federt die Telegabel aus<br />
und die Lenkgeometrie wird „stabiler“.<br />
Die anfänglich drastische Unterdimensionierung<br />
der Telegabel Anfang<br />
der 1970er-Jahre kratzte schwer am<br />
Image der simplen Konstruktion. Mit<br />
gerade mal 35 Millimeter dürren Standrohren<br />
ausgerüstet, war zum Beispiel<br />
die Gabel einer 274 Kilo schweren<br />
Honda CBX 1000-Sechszylinder den<br />
Kräften und Biegemomenten beim Kur-<br />
74 <strong>PS</strong> 1/2<strong>01</strong>6