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40.Jahrgang_2015.03

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MÅNNSBILD<br />

deren Geigenspielern aus dem Zillertal.<br />

Ohne Noten und Aufnahmegerät, rein<br />

aus dem Gedächtnis heraus wurden die<br />

Stückln weitergegeben. Da versteht es<br />

sich von selbst, dass sie nie ganz gleich<br />

klangen. Es versteht sich aber auch von<br />

selbst, dass es eine musikalische Norm,<br />

ein richtig oder falsch in diesem Zusammenhang<br />

nicht gab. „Von uen Berg an<br />

uen, då hod a jeder Geignspieler åndacht<br />

g’spielt.“ Er spricht unentwegt in seinem<br />

wirklich beeindruckend schönen<br />

und charmanten, aber stellenweise auch<br />

nicht ganz einfach zu verstehenden Dialekt.<br />

Von einem „Berg“ zum anderen<br />

hat jeder Geigenspieler die Stückln also<br />

anders gespielt. Er meint mit „Berg“ die<br />

höher gelegenen Siedlungen im Zillertal,<br />

etwa den Zellberg, den Stummer Berg,<br />

den Gerlosberg oder eben den Schwendberg.<br />

„Des wår jå eigntla es Int’ressante.<br />

Då wår no nix Kopie.“ Aus Sicht der<br />

heutigen Musikpraxis freilich, meint<br />

Michl, sei vieles falsch. Wenn man sich<br />

die Stückln, wie sie die Schwendberger<br />

Geigenmusig spielt, anhört, seien sicherlich<br />

viele Fehler drinnen. Beim Proben<br />

spiele man halt einfach ein bisschen<br />

zusammen. So genau nehme man es<br />

nicht. Jeder habe eine Vorstellung vom<br />

Stückl und vor allem vom zweistimmigen<br />

Melodieverlauf und irgendwie gebe<br />

es eben etwas Eigenes dadurch.<br />

Erste Auftritte<br />

Genau dieses Eigene hört man der<br />

Schwendberger Geignmusig an, und das<br />

hat man auch schon der Schwendberger<br />

Hochzeitsmusik, der „Hoazatmüsig“,<br />

angehört. Michl selbst kam dort, in der<br />

Gruppe seines Großvaters, zu einem seiner<br />

ersten Auftritte bei einem Musikantentreffen.<br />

Für den erkrankten Großvater<br />

eingesprungen ersetzte er also damals,<br />

mit etwa dreizehn Jahren, die erste Geige<br />

und sollte fortan noch „an etlas Mål<br />

mitfong.“ Auch wenn man früher noch<br />

keinen Unterschied zwischen Volksmusik<br />

und volkstümlicher Musik machte,<br />

sowohl bei der Hochzeits- als auch bei<br />

der Geigenmusig blieb man der überlieferten<br />

Tradition treu.<br />

Ausflüge in andere Genres<br />

Angesprochen darauf, ob Michl selbst<br />

nie volkstümliche Musik gespielt habe,<br />

meint er: „Na, weil i kue so a Showmensch<br />

bi. Na, des müesch dü megn,<br />

nid.“ Richtig, er ist bescheiden. Obwohl<br />

… er hat früher einmal ein paar Jahre<br />

in einem Duo mit Verstärker in Hotels<br />

im Zillertal gespielt, erinnert er sich,<br />

alles, quer durch den Gemüsegarten,<br />

mit Ziecher, Geige, Harfe, Gitarre und<br />

Keyboard. Auch wenn der Verdienst<br />

sehr gut war, hatte das alles auch seinen<br />

Preis. Manchmal hätten sie während der<br />

Saison in der Woche acht Mal musiziert,<br />

vor allem am Wochenende häuften sich<br />

die Spielereien, sodass sie am Samstag,<br />

am Sonntag Nachmittag und am Abend<br />

ausrückten. Wenn da der Herbst gekommen<br />

und es ruhiger geworden sei, sei<br />

man schon fast verrückt gewesen. „Åft<br />

håsch megn af di Fanta-Farm.“ Das<br />

muss er mir jetzt näher erklären. „Jå,<br />

wenn du dir jedn Tåg a påår ochnstoeßesch,<br />

nid. De stelln dar’s Zoig her, und<br />

nippesch ålweil asö dahin, des tüesch dü<br />

ålle Tog, und … na, des … isch brutal.<br />

Hoi, woasch wås, då mågsch jå nimma,<br />

wenn’s sö öfte hinteranånda ischt,<br />

und åft weagscht hålt a bissl luschtiga,<br />

nid.“ Alles klar. Auch wenn er der „Fanta-Farm“<br />

entging: Seit damals gibt es<br />

für ihn nur mehr die Musik, die er tatsächlich<br />

auch spielen will, entweder mit<br />

der Geignmusig oder auch mit den Zillerbrügglern,<br />

wo er Ziecher spielt. Und<br />

auch das spielt er auf seine Art, weil er<br />

es sich ebenfalls von anderen „Ziechspielern“<br />

im Zillertal abgeschaut oder<br />

vielmehr abgehört hat.<br />

Wie die Muttersprache<br />

In den frühen 70er-Jahren sollte der<br />

Tiroler Filmemacher Bert Breit auf den<br />

Hof zum Großvater kommen und unter<br />

Anderem den Unterricht, den Michl vom<br />

Großvater bekam, für den Dokumentarfilm<br />

„Die Zillertaler Geiger“ festhalten.<br />

Welch wertvolles Dokument einfachen,<br />

aber wirkungsvollen Musikunterrichts!<br />

Die Stimme aus dem Off kommentierte<br />

die Szene, in der der Großvater dem<br />

jungen Michl Ton für Ton ein Stückl<br />

beibringt, folgendermaßen: „Michl<br />

lernt vom Kirchler Hans das Geigenspiel<br />

zwar nicht schulmäßig, dafür auf<br />

eine viel bessere, modernere Art. Michl<br />

lernt die Musik so, wie er seine Muttersprache<br />

gelernt hat.“ Das, was hier als<br />

modern bezeichnet wird, ist heutzutage<br />

dennoch eher eine Seltenheit, ja, seine<br />

Art zu spielen, erwachsen aus der Zil-<br />

50<br />

G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 40. JAHRGANG | HEFT 03 | SEPTEMBER 2015

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