physio-Journal I 1/2016
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FÜR DEN PRAXISALLTAG<br />
STUDIENZUSAMMENFASSUNGEN<br />
fotolia: © Amero<br />
Studien liefern uns interessante und wichtige Informationen<br />
zur Behandlung unserer Patienten. Doch<br />
leider hat man nicht immer die<br />
Zeit, sich intensiv mit wissenschaftlichen<br />
Arbeiten zu beschäftigen.<br />
Damit Ihr trotzdem einen Einblick in neue<br />
wissenschaftliche Erkenntnisse bekommt, findet Ihr<br />
hier verschiedene Zusammenfassungen von Studien,<br />
die für die Therapie interessant sein könnten.<br />
Chronischer unspezifischer Rückenschmerz: Langzeiteffekte einer verhaltensbezogenen Rehabilitation<br />
Sarah Klamroth<br />
L In Deutschland ist der chronische unspezifische<br />
Rückenschmerz eine der Hauptindikationen<br />
für eine orthopädische Rehabilitation.<br />
In einer randomisierten, kontrollierten<br />
Studie (n = 536) haben Semrau et al. (2015)<br />
eine verhaltensbezogene Rehabilitation (Experimentalgruppe),<br />
basierend auf dem biopsychosozialen<br />
Modell, mit dem Standardrehabilitationsprogramm<br />
(Kontrollgruppe) in<br />
Deutschland verglichen. Die verhaltensbezogene<br />
Rehabilitation beinhaltete 6 Therapiemodule:<br />
Rückenschmerzbezogenes Wissen‚<br />
verhaltensbezogene Bewegungstherapie,<br />
Umgang mit Schmerz, Entspannungsverfahren,<br />
arbeitsplatzbezogene Informationen,<br />
interdisziplinäre Teamsitzungen. Beide Grup-<br />
pen erhielten während ihres 3-wöchigen<br />
stationären Rehabilitationsaufenthalts den<br />
gleichen Umfang an Therapie (48 Stunden).<br />
Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigten die<br />
Teilnehmer des verhaltensbezogenen Programms<br />
ein Jahr nach Abschluss der Rehabilitation<br />
leichte bis mittlere Verbesserungen<br />
der Funktionsfähigkeit (Hannover Functional<br />
Ability Questionnaire) und der körperlichen<br />
Aktivität (Freiburger Fragebogen zur körperlichen<br />
Aktivität) sowie eine Verminderung<br />
der Schmerzwahrnehmung (Numerische Ratingskala)<br />
und der Arbeitsunfähigkeitsdauer.<br />
Die Rehabilitation, basierend auf dem biopsychosozialen<br />
Modell, zeigte einige positive<br />
Langzeiteffekte, welche insbesondere dem<br />
Chronifizierungsprozess von unspezifischem<br />
Rückenschmerz entgegenwirken können.<br />
Um den Wirkmechanismus solcher komplexer<br />
Interventionsprogramme besser zu<br />
verstehen und diese Therapieansätze in das<br />
klinische Setting zu implementieren, ist eine<br />
enge Zusammenarbeit von Forschung und<br />
Praxis erforderlich.<br />
Literatur<br />
Semrau J., Hentschke C., Buchmann J., Meng<br />
K., Vogel H., Faller H., Bork H., Pfeifer K. (2015):<br />
Long-Term Effects of Interprofessional Biopsychosocial<br />
Rehabilitation for Adults with Chronic<br />
Non-Specific Low Back Pain: A Multicentre, Quasi-<br />
Experimental Study. PLoS ONE 10 (3): e0118609.<br />
Wirkung von Techniken zur Bewegungsrepräsentation bei Extremitätenschmerz<br />
Silke Wolf<br />
L Ziel der systematischen Literaturübersicht<br />
und Metaanalyse von Thieme und Kollegen<br />
war die Darstellung und Zusammenfassung<br />
der aktuellen Evidenz von Techniken zur<br />
Bewegungsrepräsentation (wie Spiegeltherapie<br />
oder Bewegungsvorstellung) zur<br />
Behandlung von Extremitätenschmerz. Als<br />
primäres Outcome wurde die Schmerzintensität,<br />
meist gemessen mittels Visueller Analog<br />
Skala (VAS), gewählt. Als sekundäres<br />
Outcome wurde unter anderem die gesundheitsbezogene<br />
Lebensqualität untersucht.<br />
Pathologische Schmerzen der Extremitäten<br />
sind beispielsweise bedingt durch Phantomschmerz,<br />
ein komplexes regionales Schmerzsyndrom<br />
(CRPS) oder zentrale Schmerzereignisse.<br />
Kommt es zu einer Chronifizierung<br />
von Schmerzen, ist diese häufig mit Verän-<br />
derungen der betreffenden sensorischen<br />
und motorischen kortikalen Netzwerke<br />
assoziiert. Techniken zur Bewegungsrepräsentation<br />
sollen genau an diesen Veränderungen<br />
ansetzen und die Funktionsfähigkeit<br />
dieser Bereiche wiederherstellen.<br />
4.373 Arbeiten wurden durch die systematische<br />
Suche in den Datenbanken CENTRAL,<br />
MEDLINE, CINAHL, EMBASE, AMED, Psych-<br />
Info, Physiotherapy Evidence Database und<br />
OTseeker identifiziert, von denen 15 randomisiert<br />
kontrollierte Studien eingeschlossen<br />
wurden.<br />
Insgesamt stellten die Autoren des Reviews<br />
einen moderat positiven (also schmerzverringernder)<br />
Effekt auf Extremitätenschmerz<br />
durch Techniken wie Spiegeltherapie, Bewegungsvorstellung<br />
oder Handlungsbeobachtung<br />
fest. Auch die Lebensqualität scheint<br />
durch diese Ansätze positiv beeinflussbar.<br />
Allerdings ist die schmerzverringernde Wirkung<br />
abhängig vom Krankheitsbild und der<br />
angewendeten Technik. Vor allem Spiegeltherapie<br />
und Graded Motor Imagery stellen<br />
sinnvolle Behandlungen für Patienten<br />
mit CRPS und akuten, nicht pathologischen<br />
Schmerzen dar. Die Schmerzreduktion für<br />
Phantomschmerz und Schmerzen nach<br />
Schlaganfall konnte nicht herausgestellt<br />
werden.<br />
Literatur<br />
Thieme H., Morkisch N., Rietz C., Dohle C.,<br />
Borgetto B. (<strong>2016</strong>): The Efficacy of Movement<br />
Representation Techniques for Treatment of Limb<br />
Pain – A Systematic Review and Meta-Analysis.<br />
The <strong>Journal</strong> of Pain 17 (2): 167–180.<br />
48 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>