Sport 50,2 Knoten AUF 500 METER <strong>Dortmund</strong>er Zahnarzt Christian Bornemann ist deutscher Speedsurf-Rekordhalter Mit <strong>Dortmund</strong>s aktuellem „Sportler des Jahres“ kann man in mehrfacher Hinsicht übers Zähnezusammenbeißen fachsimpeln: Christian Bornemann ist niedergelassener Zahnarzt in Barop und gleichzeitig amtierender deutscher Rekordhalter im Speedsurfen. So sanft und sensibel dieser Hüne bei der Alltagsarbeit mit den Kauwerkzeugen seiner Patienten umgeht, so brachial kämpft er in seinem Sport mit Wind und Wellen – bei Geschwindigkeiten um die 100 Stundenkilometer! © Eric Bellande www.direct-image.fr 38 Frühjahr <strong>2<strong>01</strong>6</strong> · top magazin DORTMUND
Sport Zum Training muss er an die holländische Küste, Wettkämpfe nur im Urlaub – ein seltener Sport ist dieses Speedsurfen schon. Und ein aufwändiger noch dazu. Christian Bornemann ist gerade 50 Jahre alt geworden, was man ihm, mit Verlaub, nicht ansieht. Der Herr Doktor misst stattliche 1,89 Meter, Wetkampfgewicht sind 95 Kilogramm. Beste Grundvoraussetzungen für das Speedsurfen. „Ich weiß um die Risiken,“ grinst Bornemann, „aber ich weiß auch um den Reiz“. Es gab Rippenbrüche, mal war ein Fuß angeknackst, mehr ist dem <strong>Dortmund</strong>er noch nicht passiert. KEINE WAGHALSIGE HERAUSFORDERUNG Speedsurfen ist kein Hochrisikosport wie andere waghalsige Herausforderungen. Dann würde ein so überlegter und reflektierender Mensch wie Christian Bornemann ihn wohl nicht ausüben. Er trägt natürlich den Helm und eine besondere Schutzausrüstung, die denen der Motocross-Fahrer ähnelt, aber ein bisschen modifiziert wurde. Modifiziert ist auch das Sport gerät, das es so wie es Christian Bornemann braucht, im Fachhandel nicht zu bekommen ist. „Da ist nichts von der Stange, da habe ich eine Menge selbst entwickelt und getunt,“ so Bornemann. Windsurfen ist für ihn nicht nur eine Frage der Physis. Die körperliche Konstitution muss natürlich bestens sein. Bornemann verbringt viele Stunden im Fitnessstudio, übt unter anderem die Koordination sozusagen mit Trockensurfen auf dem Wackelbrett, geht mindestens dreimal die Woche joggen. Aber dicke Oberarme helfen beim Speedsurfen nicht, es kommt ganz viel auf Erfahrungswerte an: „Man fährt auch mit dem Kopf, das macht es doch interessant. Nicht der Muskulöseste hat hier die besten Chancen.“ Vor allem müssen Material und Fahrtechnik aufeinander abgestimmt sein. Ein bisschen zuviel Luftwiderstand, zu viel oder zu wenig Gewicht am Board, falsche Segel – viele Komponenten machen den Sieger: technische Finesse und physisches Koordinationsgeschick zum Beispiel. BORNEMANNS ELEMENT WAR IMMER WASSER Europaweit könnte es um die 5000 Sportlerinnen und Sportler geben, die mit dem Surfboard Geschwindigkeitsrekorde versuchen. In Deutschland sind es allenfalls 300 bis 400. Christian Bornemanns Element ist schon immer das Wasser, er hat das Schwimmen als Leistungssport betrieben. Als Jugendlicher kam dann mal ein Surfkurs im Urlaub dazu, Wind und Wellen zu beherrschen und in die sportliche Leistung mit einzubeziehen, das hat ihm immer schon gefallen. Auf Hawaii, dem klassischen Surf-Paradies, hat Bornemann dann Gefallen daran gefunden auf Tempo zu surfen. „Dass ich da gewisse Talente habe, war schnell klar“, grinst der Doktor. „Ich weiß um die Risiken – aber ich weiß auch um den Reiz“. Speedsurfen ist kein Profi-Sport, ergo wird es auch nicht sonderlich gesponsort, das Publikumsinteresse hält sich in Grenzen. Bei den Speedsurfern stehen wenig wartende Bikinischönheiten am Strand… Der Rekord-Strand in einer Lagune unweit der pittoresken Altstadt von Lüderitz in Namibia ähnelt eher der Mondoberfläche. „Man fährt auf einem leicht gewundenen Kanal“, beschreibt Bornemann den optisch unspektakulären Schauplatz. Natürlich bei heftigstem Wind, das hielte das treueste Publikum nicht lange aus. Bis 2008 ungefähr traf man sich in Südfrankreich, jetzt ist Namibia angesagt. Am Meer vor Lüderitz finden Speedsurfer, aber auch Kite-Fahrer oder Segler ideale Bedingungen – da stimmen Wind und Wellen: „Man fährt lieber bei Windstärke 9 als bei 7, aber es gibt natürlich Grenzen“, so Bornemann. ERFAHRUNG ZAHLT SICH AUS Sein Alter übrigens stört bei der Rekordejagd am wenigsten: „Die Jungen sind vielleicht risikofreudiger und reaktionsschneller, haben aber weniger Erfahrungen als ich“, sagt der 50-Jährige. Man muss ja nicht am ersten Wettkampftag gewinnen, die Konkurrenten fahren alle jeder für sich, nie gleichzeitig gegeneinander. „Aber natürlich beobachten wir uns untereinander sehr genau“. Seinen „Lieblingsgegner“ kennt Bornemann schon über zwei Jahrzehnte: Manfred Merle aus Peine ist 52 Jahre alt. Man muss den Mann mal an sich vorbeirauschen sehen – 50,2 Knoten, das sind rund 100 Kilometer in der Stunde, und das durchgestanden über 500 Meter, so sah der deutsche Rekord aus, den Christian Bornemann 2<strong>01</strong>5 in Namibia fuhr. Auf Youtube ist die Sausefahrt zu sehen, und auch wie der <strong>Dortmund</strong>er sich freuen kann. Sehr sympathisch… Sicher ist er auch deshalb von einer Publikumsjury zu <strong>Dortmund</strong>s Sportler des Jahres 2<strong>01</strong>5 gewählt worden. n Text: Martin Krehl © joanthantait.com Frühjahr <strong>2<strong>01</strong>6</strong> · top magazin DORTMUND 39