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Gsungen&Gspielt 2/2015

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INT´RESSANTERWEIS<br />

IST DAS SINGEN WIRKLICH<br />

NOCH UNSER FREUD?<br />

Während das Musizieren auf den Volksinstrumenten einen<br />

riesigen Aufschwung erlebt, scheint es um das Singen, insbesondere<br />

von Volksliedern, nicht so gut bestellt zu sein.<br />

Text: Peter Reitmeir | Foto: Ralph Kapavik<br />

Dabei hat das Alpenland und im<br />

Speziellen Tirol wie kaum eine<br />

andere Region einen riesigen Schatz an<br />

Liedern. Die Ursachen dafür, dass vor<br />

allem in der Familie und im kleinen privaten<br />

Kreis offenbar weniger gesungen<br />

wird, mögen wohl vielfältiger Natur<br />

sein.<br />

Ursachenforschung<br />

War es früher oft so, dass nach dem<br />

Abendessen zur Gitarre gegriffen und<br />

gemeinsam gesungen wurde, läuft heute<br />

meist der Fernseher und verhindert jede<br />

Kommunikation. Ebenso wird sowohl in<br />

den Kindergärten als auch in den Volksschulen<br />

weniger gesungen. Natürlich<br />

gibt es hier löbliche Ausnahmen von engagierten<br />

KindergärtnerInnen und LehrerInnen.<br />

So hat eine meiner Töchter in<br />

einem Jahr Kindergarten ca. 60 Lieder<br />

gelernt. Leider schaut es ansonsten nicht<br />

immer so gut aus. Viele Lehrer können<br />

oder trauen sich nicht mehr zu singen.<br />

Das Singen ist, viel mehr als das instrumentale<br />

Musizieren, eine ganz persönliche<br />

Aussage. Man gibt dabei viel von<br />

sich preis und ist damit auch verletzlich.<br />

So ist es nötig, dass Musikschullehrer<br />

in die Volksschulen gehen, um dort mit<br />

den Kindern zu singen. Wird schon von<br />

vornherein weniger gesungen, so wird<br />

erst recht nur mehr selten ein Volkslied<br />

gesungen.<br />

Ein Grund mag auch sein, dass man<br />

sich von der volkstümlichen Musik abgrenzen<br />

will. Man will sich nicht mit<br />

jodelnden, schuhplattelnden und in oft<br />

kitschigen Trachten auf der Bühne herumhopsenden<br />

Tirolern oder Steirern,<br />

„Das Singen ist, viel mehr<br />

als das instrumentale Musizieren,<br />

eine ganz persönliche<br />

Aussage. Man gibt<br />

dabei viel von sich preis und<br />

ist damit auch verletzlich.“<br />

die nur um des Geldes willen sich „als<br />

Dodel der Nation prostituieren“ identifizieren,<br />

weiß nicht, dass die Volksmusik<br />

etwas ganz anderes ist und lehnt damit<br />

Volkskultur überhaupt ab.<br />

Die zweite Barriere, derentwegen die<br />

kritische Jugend der Gegenwart im<br />

deutschsprachigen Raum um das Volkslied<br />

einen Bogen macht, ist das Image<br />

aus der nationalsozialistischen Vergangenheit.<br />

Dort wurde die Volkskultur<br />

ideologisch missbraucht. Man will heute<br />

nicht ins „braune Eck“ gestellt werden.<br />

Dafür greift man zu ausländischem<br />

Liedgut, vorwiegend zu englischem.<br />

Eine Schwierigkeit liegt auch darin,<br />

dass es kein gemeinsames Liedgut mehr<br />

gibt. Es gibt wohl zahlreiche Schulliederbücher<br />

mit vielen Liedern, die gelernt<br />

und dann meist wieder vergessen<br />

werden. Lieder wie: „Wann du durchgehst<br />

durchs Tal“, „In die Berg bin i<br />

gern“, „Der Alpera“ (Jodler), „Hinter<br />

uns´rer Stadltür“, „Tirol isch lei oans“,<br />

„Auf tirolerischn Almen“ usw. sind bei<br />

den Jungen kaum mehr bekannt.<br />

Andere Länder, andere Sitten<br />

In anderen Ländern, z. B. in den skandinavischen,<br />

ist der Umgang mit der<br />

eigenen Volkskultur viel entspannter.<br />

In Norwegen gibt es zahlreiche Volksmusikschulen.<br />

Auch wird der 17. Mai,<br />

der Nationalfeiertag in Norwegen, heute<br />

stark folkloristisch gefeiert. Es werden<br />

vielerorts Umzüge durchgeführt, an denen<br />

auch Musikkapellen teilnehmen. Es<br />

werden auf vielen Plätzen Volkstänze<br />

getanzt. Überall, auch bei den Umzügen,<br />

wird die norwegische Flagge gezeigt<br />

und die Menschen gehen in festlicher<br />

Kleidung und, wer sie besitzt, in<br />

norwegischer Tracht, auch der König<br />

und seine Gattin.<br />

Der Tiroler Volksmusikverein bemüht<br />

sich seit seiner Gründung vor bald 50<br />

Jahren intensiv vor allem um das Volkslied.<br />

Es gab damals noch einige Sänger<br />

und Singgruppen, welche die ihnen eigene<br />

Singtradition verkörperten, deren<br />

Singen als unverwechselbar tirolerisch<br />

wahrgenommen wurde. Sie kamen entweder<br />

aus der Tradition oder wurden<br />

schon damals von Volksliedpflegern,<br />

wie Norbert Wallner oder Toni Katschthaler,<br />

betreut. Bei den ersten Tiroler<br />

Adventsingen und den anderen Volksmusikveranstaltungen<br />

war man bemüht,<br />

diese Gruppen auftreten zu lassen. Einige<br />

seien erwähnt. Sie gelten als Vorbilder<br />

im Tiroler Volksgesang: Die Alpbacher<br />

Sänger, die Tuxer Sänger, die<br />

Jagahäusl Dirndln (Dreigsang), die verschiedenen<br />

Stanglwirtssinggruppen, die<br />

Romedisinger und die Anreiter Sänger.<br />

Die Tiroler Singwoche in Imst und die<br />

Volksliedpflege<br />

Vor 40 Jahren gründete ich die Tiroler<br />

Singwoche in Imst. Die Anregung bekam<br />

ich durch die „Singgemeinschaft<br />

am deutschen Volkslied“ auf der Wülzburg<br />

bei Weißenburg in Bayern. Dort<br />

durfte ich mit großer Begeisterung<br />

1966 das Singen mit Helmuth Pommer,<br />

dem Sohn des großen österreichischen<br />

Volksliedforschers Dr. Josef Pommer,<br />

miterleben. Ich war beseelt von der<br />

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G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 40. JAHRGANG | HEFT 02 | JUNI <strong>2015</strong>

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