Gsungen&Gspielt 2/2015
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RÜCKSICHT<br />
IM GEDENKEN AN<br />
ANNA OBERHÖLLER<br />
Am 4. Mai dieses Jahres ist die Stimme der „Nanne“ von<br />
den Geschwistern Oberhöller für immer verklungen.<br />
Text: Paul Peintner | Fotos: Paul Peintner, privat<br />
Zum Urgestein der Volksmusik im<br />
Pustertal, ja sogar in Südtirol, sind<br />
zweifelsfrei die Geschwister Oberhöller<br />
zu zählen. Bereits in ihrer frühesten<br />
Kindheit wurde ihnen von den Eltern<br />
das Singen und Musizieren ins Herz<br />
gelegt, und zwar so tief, dass es für<br />
sie ein Leben ohne Volksmusik nicht<br />
mehr geben konnte. Bekannte Volksmusikforscher<br />
aus Bayern, wie Alfred<br />
Quellmalz, Kiem Pauli, Karl Edelmann<br />
u. a. kamen ins Sarntal auf der Suche<br />
nach altem Liedgut. Sie ließen sich<br />
von den Oberhöller Kindern vorsingen<br />
und erstellten Tonbandaufnahmen. Daraus<br />
ergab sich wohl der entscheidende<br />
Anstoß, dass die „Oberhöller“ bald<br />
schon Auftritte in den verschiedensten<br />
Besetzungen hatten. Bereits 1953 kam<br />
es zum ersten „Oberhöller-Auftritt“ in<br />
Bayern, und heute noch besteht eine<br />
tiefe Freundschaft zu unzähligen bayerischen<br />
Sängern und Musikanten.<br />
Karg war damals das Leben in der bäuerlichen<br />
Großfamilie in Reinswald. Am<br />
Hoferhof in Reischach suchte und fand<br />
die Familie 1956 eine hoffnungsvollere,<br />
neue Heimat. Wieder war es ihr Singen<br />
und Musizieren, das sie im Pustertal<br />
schnell Freunde finden ließ. Ob im Kirchenchor<br />
oder in der Musikkapelle, die<br />
Oberhöller waren geschätzt und beliebt.<br />
In dieser Zeit entstand dann auch ihr<br />
Viergesang, die „Geschwister Oberhöller“,<br />
die schnell über die Grenzen hinaus<br />
bekannt und beliebt wurden.<br />
Es ist noch gar nicht lange her, dass<br />
sie noch in ihrer unverwechselbaren<br />
Klang art zu hören waren, als uns in diesen<br />
ersten Maitagen, es war der vierte,<br />
die Nachricht erschütterte: Die „Nanne“<br />
von den Geschwistern Oberhöller<br />
hat den tapfer und beherrscht geführten<br />
Kampf gegen ihr Krebsleiden verloren.<br />
Ein Schrecken, ein Nicht-Glauben-Wollen<br />
und eine tiefe Traurigkeit erfasste<br />
alle, die sie gekannt haben, die sie singen<br />
gehört haben, die ihr im Leben begegnet<br />
sind. Doch am tiefsten erschüttert<br />
waren wohl alle Volksmusikfreunde im<br />
Pustertal, in ihrer alten Sarner Heimat,<br />
auch im Ausland, vor allem im Salzburgischen<br />
und in Bayern. Man kannte sie<br />
einfach als lebfrischen und lebensfrohen<br />
Menschen und sie hatte als Sängerin,<br />
mit ihrer immer noch glockenklaren<br />
und klangvollen Sopranstimme überall<br />
Freunde und Bewunderer.<br />
Wenngleich in der Familie Oberhöller<br />
das musikalische Erbe erfreulicherweise<br />
von der nächsten Generation weitergeführt<br />
und gepflegt wird, so wird uns<br />
doch lange noch diese unverwechselbare,<br />
einzigartige Klangfarbe ihrer Stimme<br />
nachklingen, die auch wesentlich<br />
die Besonderheit des Oberhöller-Klanges<br />
bestimmte.<br />
Anna Oberhöller war auch am Kirchenchor<br />
über Jahrzehnte eine wertvolle<br />
und geschätzte Sängerin und Solistin.<br />
Gewissenhaft und zuverlässig war sie<br />
obendrein, auch wenn sie ihre Zeit genauestens<br />
einteilen musste. So konnte<br />
es vorkommen, dass sie erst spät nach<br />
Mitternacht von einem Adventsingen in<br />
Bayern zurückkam, frühmorgens schon<br />
bei der Stallarbeit zupackte, zudem ihre<br />
Feriengäste zu bekochen hatte und trotzdem<br />
pünktlich zur Aufführung am Kirchenchor<br />
da war. Sie war eben Sängerin<br />
mit Leib und Seele zur Ehre Gottes und<br />
zur Freude der Menschen. Jetzt wird<br />
sie, befreit von allen Lasten dieser Welt,<br />
ihre Stimme im himmlischen Lobgesang<br />
erklingen lassen, uns aber wird sie<br />
fehlen, besonders ihrem Mann Seppl,<br />
mit dem sie 58 gemeinsame Jahre erleben<br />
durfte, und ihren vier Kindern, die<br />
sie mit großer Liebe umsorgt hat, sowie<br />
ihren Geschwistern, mit denen sie ein<br />
Leben voller Musik<br />
teilen durfte. Wir<br />
behalten sie in Erinnerung<br />
als einen<br />
liebenswerten und<br />
wertvollen Menschen.<br />
Die Geschwister<br />
Oberhöller, Karl,<br />
Anna, Gretl und<br />
Sepp (von links) mit<br />
ihren Eltern bei einem<br />
Festabend 1977 in<br />
Wasserburg/Bayern.<br />
20<br />
G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 40. JAHRGANG | HEFT 02 | JUNI <strong>2015</strong>