Gsungen&Gspielt 2/2015
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RÜCKSICHT<br />
Volksmusik im<br />
Wirtshaus<br />
Unzählige Musikantinnen<br />
und Musikanten, Sängerinnen<br />
und Sänger aus<br />
ganz Österreich, Bayern<br />
und Südtirol haben hier<br />
seit 1990 im Frühjahr<br />
und im Herbst und dann<br />
ab 1997 gar allmonatlich<br />
die Gelegenheit genutzt,<br />
ihre Stückln zum Besten zu geben, sich<br />
auszutauschen, anderen zu lauschen, zu<br />
staunen, fachzusimpeln, oft aber auch<br />
einfach zum ersten Mal ihr Können<br />
vor Publikum unter Beweis zu stellen<br />
und sich auszuprobieren, wie etwa die<br />
Oberlandler Geignmusig oder der Brandenberger<br />
Saitensprung. Auch die Unterinntaler<br />
Volksmusikanten dürften in<br />
Wiesing einen der ersten Auftritte in der<br />
heute bekannten Formation absolviert<br />
haben. „Die Z’sammg’würflt’n“ hat<br />
Anni noch unter ihr Foto geschrieben.<br />
Weitum bekannte und versierte Volksmusikanten<br />
und -sängerinnen, aufstrebende<br />
Jungmusikanten, aber eben auch<br />
Amateure und Autodidakten: sie alle<br />
haben den Saal im Dorfwirt ein Vierteljahrhundert<br />
lang zum Klingen gebracht<br />
und noch viel mehr die Zualoser in den<br />
Genuss versetzt, die Musik aus dem<br />
Volk da zu konsumieren, wo sie wahrscheinlich<br />
im Laufe der Jahrhunderte<br />
am häufigsten gepflegt wurde: im Wirtshaus.<br />
Eine Hausmusig für den Dorfwirt<br />
Dabei erklang im Traditionsgasthaus<br />
„Dorfwirt“ mitten in Wiesing vor allem<br />
in der Tourismushochblüte der 60er- und<br />
70er-Jahre auch die Musik der Tirolerabende.<br />
„Echte Volksmusik wurde eher<br />
im kleinen Rahmen gespielt“, weiß Otto,<br />
Annis Mann. Er weiß auch, „wås schea<br />
is und wås nit schea is“, auch wenn er<br />
auf die Frage, ob er denn nie Lust dazu<br />
gehabt hätte, ein Instrument zu lernen,<br />
antwortet: „Fünf Minutn Håckbrett<br />
g’spielt hu i. Dånn håt die Anni g’moant,<br />
i soll des låssn.“ Die Liebe zur Musik ist<br />
ihm aber wohl doch in die Wiege gelegt<br />
worden: auch der Vater, eigentlich ein<br />
gelernter Bäcker, der 1955 gemeinsam<br />
mit seiner Frau das Wirtshaus in Wiesing<br />
übernommen hatte, hat gern gesungen<br />
und auf seiner Ziech gespielt. So<br />
war es für Otto auch selbstverständlich,<br />
seine beiden Töchter Kathrin und Christa<br />
im Wunsch zu unterstützen, ein Instrument<br />
zu lernen. Das sollte sich bezahlt<br />
machen! Gemeinsam mit der Nachbarin<br />
Christine und Mama Anni gaben sie ab<br />
circa 1994 als „Dorfwirts Hausmusig“<br />
bei den Stammtischen im Dorfwirt feine<br />
und hervorragend gespielte Volksmusik<br />
zum Besten. Aber nicht nur dort:<br />
das Quartett in der Besetzung mit zwei<br />
chromatischen Hackbrettern, Akkordeon<br />
und Gitarre wurde spätestens ab<br />
der im Jahr 1996 beim Alpenländischen<br />
Volksmusikwettbewerb in Innsbruck erspielten<br />
Auszeichnung weitum bekannt<br />
– ihre Auftritte führten die Gruppe sogar<br />
nach Wien, Verona und Dresden. Bei so<br />
viel Herumreisen konnte es schon einmal<br />
passieren, dass die Hackbrettschläger<br />
zu Hause liegen blieben. Gut, dass<br />
Otto mitgekommen war: im Sauseschritt<br />
die Geschäfte in der Wiener Innenstadt<br />
abklappernd konnte er tatsächlich Hackbrettschläger<br />
auftreiben! Das Adventkonzert<br />
im Rathaus war gerettet!<br />
Dass die Dorfwirts Hausmusig so ausgezeichnet<br />
miteinander musizierte, ist aber<br />
Überraschung aus dem Tiroler Unterland: die Lindauer Schrammel.<br />
auch und vor allem Anni zu verdanken.<br />
Mit ihr als ausgebildeter Musiklehrerin<br />
für Gitarre konnte das Zusammenspiel<br />
nur erfolgreich werden. Dabei hat auch<br />
die gebürtige Wörglerin die Musik in<br />
die Wiege gelegt bekommen: ihr Vater<br />
hat oft und gerne musiziert und seine<br />
beiden Töchter Anni und Hanni wiederum<br />
zum Mitspielen animiert. Dass<br />
der „Schweizer Gruß“ dabei immer an<br />
der gleichen Stelle eine etwas seltsame<br />
Wendung nahm, das konnten sie ihm<br />
nicht verdenken, hatte er sich doch das<br />
Gitarre- und Zuginspielen selbst beigebracht<br />
und damit wohl auch die vielen<br />
Lieder begleitet, die er als Holzknecht<br />
im Brixental von seinen Arbeitskollegen<br />
gelernt hatte. Ganz sicher aber hat er die<br />
Goaßerer Zithermusi aus Bayern viele<br />
Jahre lang auf der Gitarre begleitet.<br />
Die ersten Musikantenstammtische<br />
Es ist also nicht verwunderlich, dass<br />
Anni im Jahr 1988 gemeinsam mit Rosi<br />
Egger, Adi Lugsteiner und Annemarie<br />
Duregger bei der Gründung des Vereins<br />
„Wörgler Musikantenhoagascht“ dabei<br />
war. Es ist auch nicht verwunderlich,<br />
dass Anni die Idee geselliger Zusammenkünfte<br />
verbunden mit der Pflege<br />
von Volksmusik und Volkslied auch<br />
in Wiesing weiterverfolgte, nachdem<br />
sie im Herbst des Jahres 1989 dorthin<br />
übersiedelt war, um nach dem Tod von<br />
Ottos Mutter gemeinsam mit ihm den<br />
Dorfwirt zu übernehmen. Ein echter<br />
Glücksfall für Wiesing, und – wie man<br />
G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 40. JAHRGANG | HEFT 02 | JUNI <strong>2015</strong> 15