19.12.2016 Aufrufe

Tassilo, Ausgabe Januar/Februar 2017 - Das Magazin rund um Weilheim und die Seen

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Eine besondere Spezialität — <strong>und</strong> eigentlich uralt<br />

Dunkles Bier z<strong>um</strong> Fest des Lichts<br />

Andechs | Vor allem im Sommer<br />

ist das Kloster Andechs ein beliebtes<br />

Ausflugsziel mit kulturellen<br />

wie kulinarischen Reizen.<br />

Doch auch im Winter ist der Heilige<br />

Berg Bayerns einen Besuch<br />

wert. Erstens lässt sich der älteste<br />

Wallfahrtsort Bayerns dann weitgehend<br />

ohne Besucherströme<br />

genießen, <strong>und</strong> zweitens wartet<br />

im Bräustüberl der Klosterbrauerei<br />

eine Bier-Spezialität, <strong>die</strong><br />

weithin ihresgleichen sucht. Mit<br />

dem „Andechser Winterbier“ haben<br />

<strong>die</strong> klösterlichen Bra<strong>um</strong>eister<br />

<strong>die</strong> ursprünglichste Biersorte des<br />

Münchner Umlands zu neuem Leben<br />

erweckt: Es gibt sie nur in der<br />

Zeit von 11. November bis 19. März<br />

im Bräustüberl — das kellertrübe<br />

Dunkle.<br />

<strong>Das</strong> Winterbier perlt mit schwarzrötlicher<br />

Farbe <strong>und</strong> weißem<br />

Scha<strong>um</strong> im Krug. Anders als bei<br />

üblichen dunklen Bieren, deren<br />

Färbung eher ins Nussbraune<br />

geht, ist seine Farbe beinahe lichtschluckend<br />

dunkel — mit einem<br />

Rotstich da, wo das Licht durchleuchtet.<br />

Wessen Ga<strong>um</strong>en sich<br />

jetzt aber auf bitteres Schwarzbier<br />

einstellt, der wird überrascht sein:<br />

Spritzig, ein bisschen wie Honig,<br />

ist der erste Eindruck. Später stellt<br />

sich ein <strong>r<strong>und</strong></strong>er, malziger Nachgeschmack<br />

ein. Mit einem Wort:<br />

süffig schmeckt es, das Andechser<br />

Winterbier, <strong>und</strong> ein bisschen<br />

fragt man sich ja schon, wieso<br />

man nichts Anständiges gelernt<br />

hat. Bierbrauer z<strong>um</strong> Beispiel, ein<br />

Beruf, der offensichtlich große<br />

Vorzüge hat.<br />

Z<strong>um</strong> Beispiel den, dass man das<br />

ganze Jahr über an derartige<br />

Spezialitäten kommen könnte.<br />

Denn das Andechser Winterbier<br />

ist ein „Zwickelbier“, wie Manuel<br />

Rößle erklärt. Als einer von drei<br />

Bra<strong>um</strong>eistern hätten eigentlich<br />

nur er, seine beiden Kollegen<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Bierbrauer das Privileg,<br />

<strong>die</strong>ses Bier in seiner unfiltrierten<br />

<strong>und</strong> somit natürlichsten Art zu<br />

trinken: „Der Zwickel ist eine Art<br />

Adapter mit Zapfhahn, der auf<br />

<strong>die</strong> Großtanks passt“, erklärt der<br />

Bra<strong>um</strong>eister aus Peiting. Normalerweise<br />

wird das fertig gereifte,<br />

aber noch unfiltrierte Bier von<br />

dort aus mit Schläuchen z<strong>um</strong> Filtern<br />

gep<strong>um</strong>pt. „Der Begriff Zwickelbier<br />

kommt aus alter Tradition.<br />

Der Brauer kann sich mit Hilfe<br />

eines Adapters aus den Großtanks<br />

eine Geschmacksprobe entnehmen<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong>se auf ihre Qualität<br />

hin überprüfen. Den Vorgang,<br />

<strong>die</strong>se Probe zu entnehmen, nennt<br />

man unter Brauern zwickeln.“<br />

Einmal im Jahr frisches,<br />

unfiltriertes Bier<br />

Es ist also irgendwie auch ein<br />

Weihnachtsgeschenk der Andechser<br />

Bra<strong>um</strong>eister an <strong>die</strong> treuen<br />

Gäste der Klosterbrauerei, einmal<br />

im Jahr in den Genuss ihrer<br />

Privilegien zu kommen <strong>und</strong> den<br />

Geschmack von wirklich frischem<br />

<strong>und</strong> unfiltriertem Bier erleben<br />

zu dürfen. Während draußen<br />

<strong>die</strong> winterliche Kälte anfängt zu<br />

beißen, erschließt sich in der<br />

Schwemme, in den Stüberln <strong>und</strong><br />

im Wappensaal der Pilgergaststätte<br />

<strong>die</strong> Wärme benediktinischer<br />

Gastfre<strong>und</strong>schaft. Wie im Sommer<br />

draußen im Biergarten werden<br />

Neuankömmlinge schon mal an<br />

einen der groben Holztische gebeten<br />

— gemeinsam schmeckt es<br />

schließlich besser. Und über eine<br />

Halbe Winterbier sei ein Blick auf<br />

<strong>die</strong> Geschichte des Bieres geworfen.<br />

Bra<strong>um</strong>eister Rößle erklärt, dass<br />

nicht das „Helle“, das man eigentlich<br />

mit München in Verbindung<br />

bringt, typisch ist für Oberbayern.<br />

Es sind vielmehr <strong>die</strong> dunklen<br />

Sorten, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Gegend hervorgebracht<br />

hatte. Genauer gesagt<br />

ist <strong>die</strong>s das Ver<strong>die</strong>nst des bayerischen<br />

Brauwassers. Es beeinflusst<br />

nämlich maßgeblich <strong>die</strong> Farbe<br />

des Bieres. So ist das Wasser im<br />

Alpenvorland sehr kalkhaltig.<br />

„Daher ist das Bier in München<br />

seit jeher bernsteinfarben gewesen“,<br />

erklärt Rößle. In der Tschechischen<br />

Republik, speziell in der<br />

Gegend <strong>um</strong> Pilsen her<strong>um</strong>, ist das<br />

Wasser sehr weich — ideale Voraussetzung<br />

für helle Biere.<br />

Natürlich ist Wasserenthärtung<br />

heute kein Problem. In früheren<br />

Zeiten versuchte man allerdings,<br />

mit verschiedensten Gewürzen<br />

<strong>und</strong> Pflanzen dem Bier eine besondere<br />

Geschmacksnote zu geben.<br />

In den Chroniken finden sich<br />

teilweise haarsträubende Rezepte<br />

dafür: Fliegenpilze oder Ruß<br />

wurden beispielsweise zugegeben,<br />

<strong>um</strong> dem Bier „besondere“<br />

Würze oder Farbe angedeihen<br />

zu lassen. Seit der Wittelsbacher<br />

Herzog Wilhelm IV. 1516 mit dem<br />

Bayerischen Reinheitsgebot einen<br />

Qualitätsstandard begründet hat,<br />

kommen gottlob nur noch Wasser,<br />

Gerstenmalz <strong>und</strong> Hopfen ins<br />

Bier. Hergestellt im altbayerischen<br />

Zweimaischverfahren entsteht so<br />

am Fuß des Heiligen Berges Jahr<br />

für Jahr ein besonderes Bier, wie<br />

es vor der Erfindung der Bierfiltration<br />

gegen Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

üblich war.<br />

Auch der Zeitra<strong>um</strong>, in dem das Ur-<br />

Bier angeboten wird, ist ein Verweis<br />

auf alte Zeiten. Vor der Erfindung<br />

der künstlichen Kühlung<br />

mussten <strong>die</strong> Brauer auf <strong>die</strong> Kühle<br />

des Herbstes warten. Frühestens<br />

im Oktober war es möglich, Temperaturen<br />

zu garantieren, <strong>die</strong> untergärige<br />

Biere richtig reifen lässt:<br />

zwischen 5 <strong>und</strong> 12 Grad Celsius.<br />

Zwar wussten <strong>die</strong> alten Bierbrauer<br />

jede Menge Tricks, <strong>um</strong> so lang wie<br />

möglich brauen zu können — aber<br />

spätestens im April, Mai<br />

war Schluss.<br />

Manche Traditionen entstehen<br />

schnell. Als <strong>die</strong> Andechser Bra<strong>um</strong>eister<br />

am Fuße des Heiligen<br />

Berges auf <strong>die</strong> Idee kamen, ein so<br />

ursprüngliches wie typisches Bier<br />

zu brauen, ahnten sie nicht, dass<br />

sie damit eine Art Braucht<strong>um</strong> begründen<br />

würden, das Bierfans aus<br />

allen Ecken des Landes von 11. November<br />

bis 19. März nach Andechs<br />

pilgern lässt. uc<br />

18 | tassilo

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!