Tassilo, Ausgabe Januar/Februar 2017 - Das Magazin rund um Weilheim und die Seen
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fürs eingangs erwähnte Feuerwerk.<br />
Außerdem gibt es einen<br />
Lehrgang für mechanische Spezialeffekte<br />
<strong>r<strong>und</strong></strong> <strong>um</strong> Wind, Wasser, Nebel,<br />
Regen, Schnee <strong>und</strong> Feuer.<br />
Die Cobra-11-Leute<br />
üben in Peißenberg<br />
H<strong>um</strong>mig hat viele Lehrbücher<br />
über sein Metier geschrieben, <strong>die</strong><br />
er selber druckt, „weil sich immer<br />
wieder mal was ändert, dann kann<br />
ich’s gleich <strong>um</strong>schreiben“. An der<br />
FH Rosenheim unterrichtete er<br />
Szenografen <strong>und</strong> Requisiteure,<br />
<strong>die</strong> Hochschule für Fernsehen <strong>und</strong><br />
Ingo H<strong>um</strong>mig (r.) beobachtet<br />
einen Lehrgangsteilnehmer<br />
beim Abfeuern einer Panzerfaust<br />
auf einen Van.<br />
Film lädt ihn für Vorlesungen nach<br />
München ein.<br />
Prominente K<strong>und</strong>schaft schaut<br />
auch vorbei, <strong>um</strong> neue Tricks kennenzulernen<br />
<strong>und</strong> sich inspirieren<br />
zu lassen: „Action Concept schickt<br />
seit 15 Jahren ihre Leute zu uns“,<br />
erzählt H<strong>um</strong>mig. Die Produktionsfirma<br />
in Hürth bei Köln ist unter<br />
anderem für <strong>die</strong> Spezialeffekte der<br />
RTL-Serie „Alarm für Cobra 11“ zuständig.<br />
In Peißenberg proben <strong>die</strong><br />
Filmleute neue Ideen oder absolvieren<br />
Übungsaufgaben, <strong>die</strong> H<strong>um</strong>mig<br />
ihnen stellt.<br />
Die Karriere des Hochexplosiven<br />
begann unspektakulär — als Zauberer<br />
in der DDR. Weil ihm <strong>die</strong><br />
Tricks irgendwann zu einfach wurden,<br />
baute H<strong>um</strong>mig über Jahre hinweg<br />
eine Illusionsschau auf. Doch<br />
weil er von etwas leben musste,<br />
arbeitete er als Beleuchter an der<br />
Semperoper in Dresden. Allerdings<br />
waren Scheinwerfer in der DDR<br />
Mangelware. Er begann, selbst<br />
welche zu entwickeln <strong>und</strong> machte<br />
sich mit dem Scheinwerferbau<br />
schließlich selbstständig. Ziel blieb<br />
indes, <strong>die</strong> Illusionsschau zu finanzieren.<br />
Bis ihn <strong>die</strong> Amtsstelle, <strong>die</strong><br />
über eine Zulassung als Künstler<br />
entschied, desillusionierte: „Solche<br />
Sensationen wollen wir nicht“, lautete<br />
<strong>die</strong> Antwort auf seine entsprechende<br />
Anfrage. <strong>Das</strong> war 1973 —<br />
<strong>und</strong> es kam noch schlimmer: Die<br />
Staatsorgane untersagten ihm,<br />
Angestellte zu beschäftigen. „Drei<br />
Monate vor Wolf Biermann sind wir<br />
raus aus der DDR“, erinnert sich<br />
H<strong>um</strong>mig.<br />
Auf Deutschlandtournee<br />
mit Legende Johnny Cash<br />
Was er mitnehmen konnte, war das<br />
Knowhow im Schweinwerferbau.<br />
Er konzipierte eine neue Beleuchtungsanlage,<br />
<strong>die</strong> er der Münchner<br />
Konzertagentur „Lippmann +<br />
Rau“ anbot, mit Erfolg: H<strong>um</strong>mig<br />
beleuchtete mit seinem ersten Auftrag<br />
im „Westen“ <strong>die</strong> Deutschland-<br />
Tournee von Johnny Cash, <strong>die</strong> in der<br />
Münchner Olympiahalle begann.<br />
Es folgten Tourneen mit Howard<br />
Carpendale <strong>und</strong> Katja Ebstein. Bis<br />
<strong>die</strong> DDR noch einmal in sein Leben<br />
trat: H<strong>um</strong>mig musste öfter nach<br />
Berlin. An der Transitautobahn traf<br />
er frühere Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> steckte ihnen<br />
Waren zu, <strong>die</strong> er schmuggelte.<br />
Bis ihn <strong>die</strong> Volkspolizei schnappte<br />
<strong>und</strong> er <strong>und</strong> seine Frau wegen Zollvergehen<br />
zu fünf Jahren Gefängnis<br />
verurteilt wurde. Nach drei Jahren<br />
kamen sie 1987 frei im Zuge einer<br />
Amnestie.<br />
Wirtschaftlich schwere Jahre folgten,<br />
bis 1991 aus Amsterdam der<br />
Großauftrag für eine Feuerwand<br />
kam für eine Inszenierung der<br />
„Heimkehr des Odysseus“. Die<br />
Oper von Claudio Monteverdi ging<br />
anschließend fast acht Jahre auf<br />
Welt-Tournee, samt Feuerwand.<br />
„Anhand der Brennstoffbestellungen<br />
wussten wir immer, wo <strong>die</strong><br />
Produktion grade war — wir haben<br />
bis nach Sydney geliefert“, erinnert<br />
sich H<strong>um</strong>mig. Den endgültigen<br />
Durchbruch schaffte er, als <strong>die</strong> Wiener<br />
Staatsoper einen Vulkanausbruch<br />
bestellte: „Von da an ging’s<br />
ins Plus.“<br />
Von Berufsmüdigkeit ist beim<br />
Anfangs-Siebziger keine Spur:<br />
„So Gott will, mache ich das auch<br />
noch mit 90“, scherzt H<strong>um</strong>mig.<br />
Zwar habe er mittelfristig das Ziel,<br />
„dass ich mittags <strong>um</strong> 13 Uhr fertig<br />
bin“. Doch noch ist seine Kreativität<br />
unabdingbar, „weil das Arbeitsgebiet<br />
so <strong>um</strong>fangreich ist, dass<br />
man schwer jemanden einlernen<br />
kann“. Von einem Spezialeffekt hat<br />
„H<strong>um</strong>mig Effects“ allerdings Abschied<br />
genommen: Explosion eines<br />
Sprengstoffgürtels am Mann. „Seit<br />
den Selbstmordattentaten machen<br />
wir das nicht mehr“, sagt H<strong>um</strong>mig.<br />
Und ist <strong>die</strong>smal ganz ernst. ts<br />
Die Explosion in einer Kiesgrube<br />
wird von Tontechnikern mit Richtmikrofonen<br />
aufgenommen — auch<br />
für akustische Effekte ist H<strong>um</strong>mig<br />
zuständig.<br />
januar / februar <strong>2017</strong> | 5