Tassilo, Ausgabe Januar/Februar 2017 - Das Magazin rund um Weilheim und die Seen
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Zu Besuch bei den Helfern der <strong>Weilheim</strong>er Tafel<br />
Vielfältiger Einsatz für Bedürftige<br />
<strong>Weilheim</strong> I In der Kreisstadt gibt<br />
es aktuell <strong>r<strong>und</strong></strong> 480 bedürftige<br />
Personen, <strong>die</strong> einmal pro Woche<br />
für den symbolischen Preis von einem<br />
Euro Lebensmittel einkaufen<br />
können. Für sie ist <strong>die</strong> <strong>Weilheim</strong>er<br />
Tafel im evangelisch-lutherischen<br />
Gemeindehaus an der Kr<strong>um</strong>pperstraße<br />
jeden Donnerstagnachmittag<br />
ab 13.30 Uhr geöffnet. Doch<br />
schon <strong>um</strong> 7 Uhr morgens machen<br />
sich derzeit 20 ehrenamtliche<br />
Fahrer auf den Weg, <strong>um</strong> bei den<br />
Spendern <strong>die</strong> Waren einzusammeln<br />
<strong>und</strong> abzuholen. Supermärkte,<br />
Molkereien, Landwirtschaftsbetriebe,<br />
Bäckereien <strong>und</strong> im Moment<br />
sieben Metzger sowie Einzelpersonen<br />
spenden Waren, deren Mindesthaltbarkeitsdat<strong>um</strong><br />
kurz vor<br />
dem Ablaufen steht, Lebensmittel<br />
aus Überproduktion, <strong>die</strong> nicht<br />
mehr verkauft werden können,<br />
oder schlicht Geld.<br />
Insgesamt engagieren sich im<br />
Team der <strong>Weilheim</strong>er Tafel fast 70<br />
Ehrenamtliche. Zehn von ihnen<br />
sind allein unterwegs, <strong>um</strong> alle 14<br />
Tage Lebensmittel aus dem Sortiment<br />
zu kranken oder gehbehinderten<br />
Menschen <strong>und</strong> Senioren<br />
nach Hause zu bringen, erläutert<br />
Die Damen der <strong>Weilheim</strong>er Tafel sortieren jeden Donnerstag fast fünf<br />
St<strong>und</strong>en lang <strong>die</strong> gespendeten Lebensmittel, Eva-Maria Muche (rechts)<br />
kümmert sich außerdem <strong>um</strong> <strong>die</strong> Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Eva-Maria Muche. Sie ist für <strong>die</strong><br />
Außendarstellung der <strong>Weilheim</strong>er<br />
Tafel in der Öffentlichkeit zuständig.<br />
Die große Zahl an Mithelfenden<br />
erklärt sie anhand der mannigfaltigen<br />
Aufgaben, <strong>die</strong> Woche<br />
für Woche zu erledigen sind: Lagerhaltung,<br />
Akquise von Spendern,<br />
Personaleinteilung, Fahr<strong>die</strong>nst,<br />
Prüfung der Bedürftigkeit<br />
in Zusammenarbeit mit dem Job-<br />
Center der Arbeitsagentur. Wobei<br />
bei letzterem auch berücksichtigt<br />
wird, wie viele Menschen in einem<br />
Haushalt zusammen leben.<br />
Ärgerlich, wenn Krempel<br />
vor der Tür entsorgt wird<br />
Und auch schlichtes Aufrä<strong>um</strong>en<br />
oder Wegwerfen ist manchmal<br />
vonnöten: „Neulich hatten wir<br />
über Nacht zehn Kartons vor der<br />
Türe stehen — es ist unglaublich<br />
ärgerlich, wenn vermeintliche Gutmenschen<br />
einfach ihren Krempel<br />
bei uns entsorgen“, ärgert sich<br />
Muche. Kurzerhand musste ein<br />
Flohmarkt aufgebaut werden, <strong>um</strong><br />
noch verwertbare Dinge abgeben<br />
zu können. Dann sind Helfer willkommen,<br />
<strong>die</strong> kurzfristig einspringen.<br />
Etwa jene drei Asylbewerber,<br />
<strong>die</strong> sich momentan bei der Tafel<br />
einbringen. Eine von ihnen, eine<br />
Syrerin, kennt Muche aus früheren<br />
<strong>und</strong> friedlicheren Zeiten. Die<br />
<strong>Weilheim</strong>erin hatte einst eine Patenschaft<br />
für christliche Kinder in<br />
Syrien übernommen. In Folge des<br />
Bürgerkriegs kam nun deren Mutter<br />
nach <strong>Weilheim</strong>, „über viele Umwege“,<br />
lässt Muche durchblicken.<br />
Gruppen-System soll<br />
Futterneid vorbeugen<br />
Eine organisatorische Herausforderung<br />
ist außerdem der wöchentliche<br />
Ablauf des Lebensmittelverkaufs<br />
im knapp über 50<br />
Quadratmeter großen Laden der<br />
Tafel. Angefangen beim Auspacken<br />
<strong>und</strong> Sortieren, das schon<br />
<strong>um</strong> 10 Uhr vormittags beginnt.<br />
Und endend beim Bemühen dar<strong>um</strong>,<br />
dass der Lebensmittelverkauf<br />
möglichst friedlich verläuft. Unter<br />
den Bedürftigen herrsche „großer<br />
Futterneid“, rä<strong>um</strong>t Muche ein. Die<br />
Berechtigten seien deshalb in vier<br />
Gruppen von A bis D eingeteilt, <strong>die</strong><br />
je zu einer bestimmten Zeit einkaufen<br />
können. Da nicht alle lesen<br />
können, hängen <strong>die</strong> Buchstaben<br />
mit den entsprechenden Öffnungszeiten<br />
in unterschiedlichen Farben<br />
im Fenster. Innerhalb der Gruppen<br />
gibt es außerdem ein rollierendes<br />
N<strong>um</strong>mernsystem, damit jeder einmal<br />
als erster seine Lebensmittel<br />
aussuchen kann.<br />
„Die <strong>Weilheim</strong>er Tafel will eine<br />
Brücke sein zwischen Bedürftigkeit<br />
<strong>und</strong> gesichertem Lebensstandard“,<br />
erläutert das Info-Blatt, auf dem<br />
<strong>die</strong> <strong>Weilheim</strong>er Tafel ihre Intention<br />
zusammengefasst hat. <strong>Das</strong><br />
Angebot könne staatliche Sozialleistungen<br />
nicht ersetzen, jedoch<br />
ergänzen, indem Menschen, <strong>die</strong><br />
Hilfe benötigen <strong>und</strong> ihre Bedürftigkeit<br />
nachweisen, mit der wöchentlichen<br />
Lebensmittelausgabe<br />
bedacht werden. Und <strong>die</strong> wieder<strong>um</strong><br />
können Betriebe, Geschäfte<br />
<strong>und</strong> Privatpersonen mit Geld- <strong>und</strong><br />
Sachspenden unterstützen, neue<br />
Spender seien stets willkommen,<br />
erklärt Muche abschließend. ts