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Smalltalk war gestern<br />
Verstimmt. Der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der EU sorgt im<br />
nördlichen Teil der Insel für Verstimmung, denn die Schotten fürchten um die<br />
wirtschaftliche Prosperität ihrer Region. Ein Lagebericht.<br />
Für ein hitziges Temperament sind<br />
Schotten nicht unbedingt bekannt.<br />
Kämpferisch ja, aber immer mit der<br />
gebotenen britischen Gelassenheit und Coolness.<br />
Trotzdem wurde in kaum einem anderen<br />
Teil des Vereinigten Königreichs der Volksentscheid,<br />
die EU zu verlassen, in den Medien und<br />
von der Politik mit so viel Entrüstung kommentiert<br />
wie in Schottland. Und auch wer in diesen<br />
Tagen durch das Land des Whisky und des<br />
Tweed reist, findet sich schnell in einer Runde<br />
wieder, in der vor allem ein Thema diskutiert<br />
wird: der Brexit und die Folgen für das Land.<br />
Dabei wird immer wieder gern ein Fakt ins<br />
Treffen geführt, der offenbar vielen Schotten<br />
nach wie vor schwer im Magen liegt. Nämlich<br />
das Unabhängigkeitsreferendum von 2014, bei<br />
dem sich zwar keine überwältigende, aber eine<br />
doch recht klare Mehrheit von 55 Prozent der<br />
Wahlberechtigten für einen Verbleib beim Vereinigten<br />
Königreich aussprachen. Unterstützt<br />
wurde diese Position damals unter anderem<br />
auch durch die Unsicherheit welche Zukunft<br />
denn ein unabhängiges Schottland in der EU<br />
hätte. Heute ist das alles anders, jetzt sind es die<br />
Engländer, die rauswollen, allerdings aus der<br />
EU, und es sind die Schotten, die dabeibleiben<br />
möchten. Nicht unbedingt im Vereinigten Königreich,<br />
aber in der Europäischen Union. Fast<br />
zwei Drittel haben sich beim EU-Referendum<br />
für die EU ausgesprochen. Und jetzt seien es<br />
wieder einmal die Engländer, die Schwierigkeiten<br />
machen, grollt manch national gesinnter<br />
Schotte. Nicht wenige, darunter auch Schottlands<br />
First Minister Nichola Sturgeon, sind<br />
der Überzeugung, unter diesen Umständen<br />
müsse wohl erneut über den Verbleib des Landes<br />
beim Vereinigten Königreich abgestimmt<br />
werden.<br />
Bedenken<br />
Die Stimmung in der Runde, die sich zum<br />
traditionellen Friday Evening Dinner in dem<br />
schmucken Landhaus in einer kleinen Ortschaft<br />
nördlich von Berwick-upon-Tweed eingefunden<br />
hat, ist der Lage entsprechend. Nach<br />
kurzem Smalltalk ist man schnell bei der Causa<br />
Prima angelangt: Wie geht es nach dem Brexit<br />
weiter? Verletzter Nationalstolz oder ein neuerliches<br />
Referendum spielen in dieser Gesellschaft<br />
von Unternehmern und Akademikern<br />
kaum eine Rolle, vielmehr handfeste Bedenken,<br />
was die wirtschaftlichen Aussichten betrifft. Zu<br />
viele Unternehmen hier im Borders County, einer<br />
für schottische Verhältnisse wirtschaftlich<br />
starken Region, wären sowohl von Exporten in<br />
die EU wie auch von den billigen und arbeitswilligen<br />
Personalressourcen des Kontinents abhängig.<br />
Große Unternehmen, wie die Ahlstrom<br />
Paper Mill in Chirnside oder Farne Salmon aus<br />
dem benachbarten Duns, könnten, so wird in<br />
der Runde gemutmaßt, mit einem harten Brexit<br />
– also Zollschranken und eingeschränktem<br />
Personenverkehr – ihre Probleme bekommen.<br />
Dabei sind die an diesem Abend diskutierten<br />
Szenarien noch bei Weitem nicht die pessimistischsten<br />
Einschätzungen. Einige Tage später,<br />
im idyllischen Tal der Whiteadder, wo der<br />
Unternehmer Will Dobie Wälder besitzt und<br />
Foto: istock - David Callan<br />
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