Grundvollzüge der Person - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
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Gezeugt, nicht gemacht 99<br />
die Vernünftigkeit, die Intelligibilität <strong>der</strong> Welt voraus. Sie gehen<br />
davon aus, daß die Welt eine vernünftige Struktur hat. Den<br />
entscheidenden Schlag hiergegen führt Nietzsche aus, wenn er<br />
die Wahrheitsfähigkeit <strong>der</strong> Vernunft und damit den Gedanken<br />
von so etwas wie Wahrheit überhaupt prinzipiell in Frage stellt.<br />
Dieser Gedanke hat für ihn nämlich eine theologische Voraussetzung,<br />
die Voraussetzung, daß Gott ist. Nur wenn Gott ist, gibt<br />
es etwas an<strong>der</strong>es als subjektive Weltbil<strong>der</strong>. Wenn es den Blick<br />
Gottes nicht gibt, gibt es keine Wahrheit jenseits unserer subjektiven<br />
Perspektiven. Der Gedanke <strong>der</strong> Vernünftigkeit <strong>der</strong> Welt,<br />
<strong>der</strong> Gedanke <strong>der</strong> Zugänglichkeit <strong>der</strong> Welt für die Vernunft selbst<br />
hat demnach schon einen theologischen Grund.<br />
Mit <strong>der</strong> Verabschiedung <strong>der</strong> Gottesidee müssen wir auch die<br />
Idee <strong>der</strong> Ursächlichkeit, die Idee <strong>der</strong> <strong>Person</strong> und die Idee von<br />
Dingen aufgeben, denn sie sind nur anthropomorphe Vorstellungen<br />
von Einheiten, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Mit<br />
Gott stirbt auch <strong>der</strong> Glauben an die Wahrheit. Gegen Nietzsche<br />
verfängt aber auch die reductio ad absurdum nicht mehr. Denn er<br />
hält es ja für möglich, daß wir im Absurden leben, sinnwidrig<br />
existieren, und daß auch die Geltung des Wi<strong>der</strong>spruchsprinzips<br />
nur ein nützlicher Irrtum ist. Wer Nietzsche folgt, den schreckt<br />
Spaemann zufolge nicht, daß wir uns in Wi<strong>der</strong>sprüche verwikkeln<br />
müssen: Die Verzweiflung <strong>der</strong> Vernunft an sich selbst kann<br />
sich nicht noch einmal in logisch konsistenter Form artikulieren.<br />
Im kritischen Bewußtsein nach Nietzsche können wir nicht<br />
mehr auf dem sicheren Grund <strong>der</strong> Wahrheitsfähigkeit des Menschen<br />
Beweise für die Existenz Gottes führen, denn dieser<br />
Grund ist nur sicher unter <strong>der</strong> Voraussetzung <strong>der</strong> Existenz Gottes.<br />
Wir können also nur noch beides zugleich haben. Wir wissen<br />
nicht, wer wir sind, ehe wir wissen, wer Gott ist, aber wir können<br />
nicht von Gott wissen, wenn wir die Spur Gottes nicht<br />
wahrnehmen wollen, die wir selber sind, wir als <strong>Person</strong>en, als<br />
endliche, aber freie und wahrheitsfähige Wesen. Die Spur Gottes<br />
in <strong>der</strong> Welt, von <strong>der</strong> wir heute ausgehen müssen, ist <strong>der</strong> Mensch,<br />
sind wir selbst.<br />
Ohne also ins Detail über Robert Spaemanns „Gottesbeweis“<br />
des futurum exactum zu gehen, ist doch hier zu verstehen, daß<br />
wir, wenn es Gott nicht gibt, überhaupt nichts denken können.<br />
Wer die Wahrheitsfähigkeit <strong>der</strong> Vernunft, wer die Geltung des<br />
Wi<strong>der</strong>spruchsprinzips leugnet, <strong>der</strong> kann überhaupt nichts mehr<br />
sagen. Der untrennbare Zusammenhang des Glaubens an die<br />
Existenz Gottes mit dem Gedanken <strong>der</strong> Wahrheit und <strong>der</strong><br />
Wahrheitsfähigkeit des Menschen, bildet die Art von natürlicher<br />
Theologie, ohne die wir nach Spaemann uns selbst als vernünfti-