Grundvollzüge der Person - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
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Holger Zaborowski<br />
ses geschichtlichen Geschehens zu erörtern. Der Philosoph muß<br />
daher – sei er nun selbst ein religiöser Mensch o<strong>der</strong> nicht – zu<br />
verstehen suchen, warum in einer Situation, die als Post- o<strong>der</strong><br />
Spätmo<strong>der</strong>ne bezeichnet werden kann, Religion „wie<strong>der</strong>kehrt“,<br />
obwohl die Prämissen eines säkularen Wirklichkeitsverständnisses<br />
in <strong>der</strong> Regel davon ausgingen, daß es jenseits des geschichtlich<br />
realisierten säkularen Bewußtseins keine Möglichkeit zum<br />
Übergang in eine post-säkulare Zeit gebe – es sei denn im Sinne<br />
eines Rückfalls in eine prä-säkulare Zeit. 14 Zur Diskussion steht<br />
hiermit auch <strong>der</strong> Status <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne und die Frage nach den<br />
Möglichkeiten einer Ergänzung o<strong>der</strong> Transzendierung des mo<strong>der</strong>nen<br />
Bewußtseins in einer Weise, die die Ambivalenz neuzeitlicher<br />
Freiheitserfahrung im Horizont radikaler Religionskritik<br />
o<strong>der</strong> des „Todes Gottes“ überwindet. Als kritisches Bewußtsein<br />
und Reflexivwerden ihrer je eigenen Gegenwart stellt sich <strong>der</strong><br />
Philosophie hier die zunehmend wahrgenommene Aufgabe <strong>der</strong><br />
Beschreibung und verstehenden Analyse.<br />
Diese Aufgabe soll hier allerdings nicht im Vor<strong>der</strong>grund stehen,<br />
son<strong>der</strong>n eine an<strong>der</strong>e Aufgabe, die mit <strong>der</strong> Frage nach einer<br />
normativen Kriteriologie von Religion verbunden ist, also <strong>der</strong><br />
Frage danach, ob zwischen einem eigentlichen (wesentlichen)<br />
und einem uneigentlichen (unwesentlichen) Vollzug von Religion<br />
unterschieden werden kann und, falls ja, worin eine solche<br />
Unterscheidung bestehen kann. Denn es gab und gibt ja tatsächlich<br />
Fehlformen des Religiösen o<strong>der</strong> des Verständnisses von<br />
Religion, auf die aus normativer Sicht zu reagieren ist. Bei dieser<br />
Aufgabe, einen normativen Zugang zu Religion zu entwickeln,<br />
spielte die Philosophie in <strong>der</strong> Neuzeit eine wichtige – und<br />
durchaus oft auch ambivalente – Rolle.<br />
Diese normative Fragestellung ist <strong>der</strong> Philosophie daher<br />
nicht fremd. Ein Bewußtsein von dieser Fragestellung zeigte sich<br />
historisch auch dort noch, wo das Bemühen um ein normatives<br />
Verständnis von Religion zu einer radikalen Kritik von Religion<br />
und von religiösen Wahrheitsansprüchen führt. Diese radikale<br />
Kritik war aus normativer Sicht auch nicht gänzlich falsch, son<strong>der</strong>n<br />
verwies auf durchaus problematische Aspekte gelebter<br />
Religion. Das Problem dieser radikalen Formen <strong>der</strong> Religionskritik<br />
bestand allerdings darin, daß <strong>der</strong> Zugang <strong>zur</strong> Religion ein<br />
sehr einseitiger Zugang war. Denn es wurde nicht die Frage<br />
gestellt, ob, statt Religion an sich radikal in Frage zu stellen,<br />
_______________<br />
14 Vgl. in diesem Zusammenhang neben H. Lübbes ideengeschichtlicher<br />
Untersuchung des Säkularisierungsgeschehens auch die wichtigen<br />
Überlegungen von C. Taylor, A Secular Age, Cambridge, Mass., 2007.