Grundvollzüge der Person - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
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Robert Spaemann / Hanns-Gregor Nissing<br />
<strong>der</strong> Philosophie schien mir immer die Metaphysik zu sein –<br />
o<strong>der</strong>, um es mit Hegel zu sagen: „die Frage nach dem, was in<br />
Wahrheit ist“.<br />
Die ethischen Beiträge sind dagegen eigentlich allesamt<br />
durch Provokation entstanden. Ich fühlte mich stets herausgefor<strong>der</strong>t.<br />
Manchmal fiel mir das Wort Rousseaus ein: „Ich würde<br />
mir nicht anmaßen, die Menschen belehren zu wollen, wenn ich<br />
nicht sähe, daß an<strong>der</strong>e sie irre führen.“ Ähnlich ist es bei mir. Ich<br />
habe das Gefühl, mich immer – o<strong>der</strong> jedenfalls weitgehend –<br />
bestimmen zu lassen durch äußere Herausfor<strong>der</strong>ungen. Meine<br />
verstorbene Frau sagte mir manchmal: „Hör doch mal auf, dasjenige<br />
zu tun, was an<strong>der</strong>e von dir wollen, und tu endlich die<br />
Dinge, die Du selbst machen willst.“ – Und da bin ich nun.<br />
Wenn Ihr politisches und ethisches Engagement am Anfang steht und<br />
die theoretische Philosophie das eigentliche Interesse o<strong>der</strong> Ziel Ihres<br />
Denkens markiert, kann man dann vielleicht sagen, daß <strong>der</strong> naturphilosophischen<br />
Thematik – die Rehabilitierung <strong>der</strong> Naturteleologie, insbeson<strong>der</strong>e<br />
im Buch „Die Frage Wozu?“ (später: „Natürliche Ziele“) – die<br />
Rolle eines Bindegliedes zukommt?<br />
Ja, so ist es. Das Thema <strong>der</strong> Teleologie ist eigentlich <strong>der</strong> rote<br />
Faden durch alles, was ich seit dem Buch über de Bonald geschrieben<br />
habe. Dies ist mir mehr und mehr deutlich geworden.<br />
Schon bei de Bonald findet sich als Definition <strong>der</strong> menschlichen<br />
Existenz, <strong>der</strong> Mensch sei auf Erden, um die Mittel seiner physischen<br />
und psychischen Erhaltung zu perfektionieren. Das ist die<br />
„Unterordnung des Daseins unter die Bedingungen seiner Erhaltung“.<br />
Es ist das, was ich später als „Inversion <strong>der</strong> Teleologie“<br />
bezeichnet habe. Es gibt aber etwas, das über die Erhaltung<br />
hinausgeht.<br />
Die Dialektik <strong>der</strong> Aufklärung von Max Horkheimer und Theodor<br />
W. Adorno hat an diesem Punkt für mich eine große Rolle<br />
gespielt. Dieses Buch habe ich 1949 in einer Buchhandlung entdeckt.<br />
Es war in Holland erschienen und noch ganz unbekannt.<br />
Die Formel „Unterordnung des Daseins unter die Bedingungen<br />
seiner Erhaltung“ stammt ja von dorther. Sie ist für mich zu<br />
einem Schlüsselwort geworden. Ich hatte allerdings den Eindruck,<br />
daß Horkheimer und Adorno nicht zu einer positiven<br />
Begründung ihrer Kritik vordringen, weil sie keinen teleologischen<br />
Naturbegriff kennen. Für sie ist Natur einfach das Unmittelbare,<br />
das sich Drängende, sich Verwirklichende – ohne daß<br />
dieses Ganze eine Zielbestimmung hätte, auf die es hinzielt.