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Grundvollzüge der Person - Institut zur Förderung der Glaubenslehre

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Robert Spaemann / Hanns-Gregor Nissing<br />

Gedanke sehr beeinflußt, daß die Rede vom höchsten Wert eine<br />

ganz gefährliche Sache ist. Ich habe dies bis in die jüngste Zeit<br />

hinein verfolgt. Unlängst habe ich einen Aufsatz geschrieben mit<br />

dem Titel „Europa – Rechtsordnung o<strong>der</strong> Wertegemeinschaft?“,<br />

in dem ich mich vehement gewehrt habe gegen die Definition<br />

Europas als einer Wertegemeinschaft. Gesehen haben wir dies<br />

jedoch schon damals.<br />

Von den 50er in die 60er Jahre: Von einem Jahrzehnt zum an<strong>der</strong>en<br />

scheinen die Fronten zu wechseln: War Ihr politisches Engagement<br />

zunächst durch eine Distanz <strong>zur</strong> Politik <strong>der</strong> Adenauer-Zeit bestimmt,<br />

treten bald die Auseinan<strong>der</strong>setzungen um die Themen „Utopie“ und<br />

„Emanzipation“ in den Mittelpunkt – von <strong>der</strong> Stuttgarter Rede „Politisches<br />

Engagement und Reflexion“ über die Diskussion mit Jürgen<br />

Habermas über die Utopie des guten Herrschers bis <strong>zur</strong> Organisation<br />

und Durchführung des Kongresses „Mut <strong>zur</strong> Erziehung“ in Bonn-Bad<br />

Godesberg 1978. Neben politische Fragen tritt die Pädagogik als eigenes<br />

Thema. Wie haben Sie diese politisch und gesellschaftlich unruhigen<br />

Jahre erlebt? Und wie würden Sie sich selbst in diesen Zeiten<br />

situieren? Wo liegen Kontinuitäten o<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen in den Entwicklungen?<br />

Vielleicht kann man sagen, daß es politisch gesehen ein Bruch<br />

war. Allerdings sehe ich in meinem eigenen Denken eine ziemliche<br />

Kontinuität, so daß es eher die Verhältnisse und <strong>der</strong> mainstream<br />

sind, die sich geän<strong>der</strong>t haben.<br />

Emanzipation als politischer Grundbegriff schien mir immer<br />

etwas Unsinniges zu sein – es sei denn, man verstünde Gesellschaft<br />

als einen dynamischen Prozeß, in dem es eigentlich nur<br />

auf das Endziel ankommt, auf das man sich nur immer weiter<br />

und weiter zubewegen kann. Ein unendlicher Prozeß. Die<br />

Grundthese <strong>der</strong> Emanzipationsideologie lautet ja: „Wir sind alle<br />

noch nicht emanzipiert.“ Meine Gegenfrage darauf ist: „Wann<br />

sind wir denn emanzipiert? Was muß denn erfüllt sein?“ Darauf<br />

aber bekommt man keine Antwort. Denn wir sind immer konditioniert<br />

und leben immer unter bestimmten vorgegebenen Strukturen.<br />

Das geht gar nicht an<strong>der</strong>s. – Emanzipation ist so lange ein<br />

guter Begriff, als er eine ganz bestimmte Diskriminierung o<strong>der</strong><br />

Unterprivilegierung benennen und genau angeben kann, wann<br />

diese beseitigt ist. Emanzipation scheint mir nur dann ein sinnvoller<br />

Begriff zu sein, wenn man angeben kann, wann sie erreicht<br />

ist.<br />

Und aus einem solchen Emanzipationsbegriff ergab sich<br />

zwangsläufig die Weigerung zu erziehen. Bei meiner Rede auf<br />

dem Kongreß „Mut <strong>zur</strong> Erziehung“ habe ich Rosa Luxemburg

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