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Grundvollzüge der Person - Institut zur Förderung der Glaubenslehre

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Die Natur des Lebendigen und das Ende des Denkens 133<br />

Es gibt einen ständigen Einfluß <strong>der</strong> einen Linie auf die an<strong>der</strong>e.<br />

Wenn ich auch den philosophischen Gang <strong>der</strong> Reflexion als<br />

einen in sich gründenden Weg sehe, so gibt es doch dauernd<br />

Auswirkungen auf das öffentlich Relevante. Und den Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />

die ich als Bürger o<strong>der</strong> als Teilnehmer an unserem<br />

Kulturprozeß wahrnehme, begegne ich mit einem Reservoir von<br />

Gedanken, die aus dem theoretischen Gang herkommen. Von<br />

„Zweigleisigkeit“ würde ich daher nicht sprechen. Beide Gleise<br />

laufen nicht selbständig nebeneinan<strong>der</strong> her. Zwar gibt es eine<br />

Rückwirkung von dem publizistischen Zweig zu dem systematischen,<br />

aber den publizistischen kann man nicht verstehen, wenn<br />

man ihn nicht von den systematischen Überlegungen her versteht.<br />

Sie haben mehrfach die Philosophie als „Zeitgeistkritik“ und als „Theorie<br />

<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne“ bestimmt: ihre Aufgabe bestehe in einer Selbstverständigung<br />

über die Aufklärung und in <strong>der</strong> Vergegenwärtigung ihrer<br />

verborgenen Voraussetzungen. Von hier aus ergibt sich ein kritischer<br />

Grundzug Ihrer Gedanken. Inwieweit ist dieser kritische Grundzug für<br />

Ihr Denken kennzeichnend? O<strong>der</strong> wie würden Sie das Verhältnis von<br />

Kritik und Affirmation in Ihrem Werk bestimmen?<br />

Meine Natur ist wohl eher kritisch, skeptisch. Aber ich fühle<br />

meine Intention am besten verstanden in dem, was Hegel über<br />

den sich vollbringenden Skeptizismus schreibt: daß er eine<br />

Skepsis sei, die sich am Ende gegen sich selbst wendet. Der<br />

radikale Skeptizismus, sagt Hegel, ist <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> schließlich<br />

auch an <strong>der</strong> Skepsis zweifelt. In einem Zeitalter, das im Wesentlichen<br />

bestimmt ist durch Kritik und in dem Affirmation fast ein<br />

Schimpfwort geworden ist, wendet sich meine kritische Mentalität<br />

gegen die Kritik als herrschende Daseinsform.<br />

Es gibt daher manchmal Leute, die Anstoß daran nehmen,<br />

daß ich oft apodiktisch rede, weil sie dies als anmaßend empfinden.<br />

Aber meine apodiktische Rede hat nicht den Sinn, zum<br />

Ausdruck zu bringen, daß ich meine, ich sei <strong>der</strong> liebe Gott, son<strong>der</strong>n<br />

sie hat den Sinn einer Herausfor<strong>der</strong>ung des Gegenarguments,<br />

vor dem ich mich beugen kann. Ich warte darauf, daß jemand<br />

an<strong>der</strong>es eine Gegenposition vertritt. Und wenn er mir die<br />

Bedingtheit dessen, was ich sage, vorwerfen will, dann muß er<br />

mir zunächst einmal zeigen, wie er das, was ich sehe, besser<br />

erklären kann. Deshalb werden wir auch nie die Kontroverse los.<br />

In diesem Sinne habe ich einmal einen Aufsatz geschrieben über<br />

„Die kontroverse Natur <strong>der</strong> Philosophie“: Es ist in gewissem<br />

Sinne eine paradoxe und tragische Situation. Wir müssen nämlich<br />

versuchen, bei je<strong>der</strong> Kontroverse <strong>zur</strong> Einigung zu kommen,<br />

also die Kontroverse zu überwinden. Wenn wir sie aber überwun-

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