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Grundvollzüge der Person - Institut zur Förderung der Glaubenslehre

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Martin Mosebach<br />

pfannen zu sprechen begannen, dann konnte man sagen: Sie<br />

lebten, weil kein Mensch sich rühmen durfte, sie entworfen zu<br />

haben.<br />

Sichtbar wurde die Schönheit <strong>der</strong> handwerklich hergestellten<br />

Gebrauchsgegenstände erst, als sie die Gelegenheit erhielten,<br />

sich vor dem Hintergrund serieller, entworfener Häßlichkeit<br />

abzuheben. Adalbert Stifters Freiherr von Risach schon trägt alte<br />

Bauernwerkzeuge in seinem nachsommerlichen Rosenhaus<br />

zusammen, <strong>der</strong> Antiquitätenladen ist nicht mehr fern. Mirò<br />

verehrte eine alte hölzerne Heugabel wie einen afrikanischen<br />

Fetisch, dem sie tatsächlich auch glich, und Duchamp erklärte<br />

einen – wohl schon frühindustriellen, wahrscheinlich aber doch<br />

noch von einem Schmied zusammengeschweißten – Flaschentrockner<br />

<strong>zur</strong> Skulptur. Es war mit <strong>der</strong> Schönheit <strong>der</strong> von anonymer<br />

Hand und ohne Kunstwillen und Entwerferstolz, ohne<br />

einen an<strong>der</strong>en Ehrgeiz, als die Sache gebrauchsfähig und haltbar<br />

zu machen, hergestellten Gegenstände wie mit Venus aus <strong>der</strong><br />

Vergilischen Aeneis: Erst als sie sich umwandte und davonging,<br />

sah man, daß sie eine Göttin war.<br />

IV. Das Genie des Übersetzers<br />

Zu den Kunstformen, die eine möglichst vollkommene Selbstverleugnung<br />

verlangen, gehört das Übersetzen. Hier gilt das<br />

Gebot <strong>der</strong> Unterordnung unter einen Dienst am Originaltext so<br />

bedingungslos, daß manche dem Übersetzen den Kunstcharakter<br />

wohl gar absprechen würden. Es gehört zu den Versuchungen<br />

eines guten Übersetzers, die Grenze zwischen Übersetzung<br />

und Interpretation zu überschreiten und es womöglich besser<br />

machen zu wollen als <strong>der</strong> Autor. Gelegenheit dazu gibt es genug:<br />

Auch große Schriftsteller schreiben oft nicht ausnahmslos<br />

gut, drücken sich unklar o<strong>der</strong> unfreiwillig zweideutig aus, gestatten<br />

sich Flüchtigkeiten, unschöne Wortwie<strong>der</strong>holungen und<br />

schroffe Übergänge. Oft könnte man solche Makel mühelos<br />

korrigieren. Die Versuchung dazu ist um so größer, als <strong>der</strong> Leser,<br />

<strong>der</strong> die Übersetzung nicht unablässig mit dem Original<br />

vergleicht, geneigt ist, stilistische Schwächen <strong>der</strong> Übersetzung<br />

anzulasten. Es wird vom getreuen Übersetzer also ein echtes<br />

Sacrificium verlangt, nicht nur unsichtbar soll er sein, er soll<br />

darüber hinaus auch noch unbegabt erscheinen.<br />

Gerade die Deutschen, lange Zeit geradezu ein Übersetzervolk,<br />

kennen aber auch die Übersetzung, die als eigenes Sprachkunstwerk<br />

verehrt wird. Oft sind das Übersetzungen, in denen

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